Montag, 2. August 2010

kiffende fischer, wilde speedboote und party all the time

In latakia schmeißen wir uns, nachdem wir ein viel zu teures aber sehr comfortables chalet angemietet haben, in die fluten. Es ist herrlich warmes wasser. Der strand ist gerammelt voll. Ölsardinen haben dagegen vermutlich viel platz. Überall badende, planschende kinder, marodierende jugendbanden, frauen im kompletten kostüm incl. kopftuch in den fluten. speedboote fahren den badenden über die köpfe und in all dem chaos gondeln schiffe mit lauter musik durch die badenden mengen und fahren diejenigen um, die die speedboote bisher überlebt hatten. Am abend gehen wir essen und dann treffen wir die freunde alis am strand (einem anderen stadtstrand, den ich noch nicht kannte und der mir angenehmer scheint). Dort sitzt man in fischerhütten und kifft. Die fischerhütten sind keine deko – die freunde alis arbeiten wirklich als fischer, wohl eine der wenigen branchen, in denen man arbeit findet – ja, fischer werden ja immer gebraucht! Danach noch zu uns ins chalet auf ein bier und dann ab ins bett. Dabei ist an schlaf nicht zu denken. Obschon die uhr weit fortgeschritten ist (es ist inzwischen 5 uhr früh) herrscht ein lärm, wie auf ballermann. Party 24 stunden am tag! es scheint niemand schlafen zu wollen. Auch wir kriegen kein auge zu. Die mücken haben wir zwar inzwischen durch heftigsten gifteinsatz zum verstummen, bzw. zum verscheiden gebracht. Aber die nachbarn kriegen wir mit dem giftspray nicht tot!

Total übermüdet werfen wir uns am nächsten morgen nochmals in die fluten. Das wetter ist klasse, der wind angenehm, das wasser schön frisch. Dann, nach einem weiteren kurzen kaffee mit einem freund alis, zurück zu den eltern. Dort bin ich so müde, dass ich mich (ein guter gast zu sein ist so schwer!) erstmal zwei stunden ins bett, bzw. auf die strohmatte lege. Danach kriegen wir noch etwas zu essen, einen tee und ab die post zurück nach damaskus. Eine romantische, fast nächtliche rückfahrt mit vollmond! Froh, wieder im eigenen (europäischen) bett in damaskus schlafen zu können und vor allem leise nachbarn zu haben! Auch, wenn es nur noch wenige nächte hier sind, bevor ich wieder gen „heimat“ (was ist das eigentlich inzwischen für mich?), bzw. nach deutschland muss.

Meine küche wurde unterdessen von einer ameisenkolonie okkupiert und besiedelt, die vermutlich darüber informiert ist, dass ich in bälde abreise und sich hoffnungen auf die nachmieterschaft macht. Im prinzip habe ich ja nichts gegen diese niedlichen und nützlichen tierchen. Aber wenn sie durch mein frühstücksmüsli krabbeln und alles in sekunden in beschlag nehmen ist schluss! Daher habe ich heute versucht (nachdem ich mehrere gescheiterte versuche unternommen hatte, mit dem kakerlaken-bekämpfungsmittel der ameisen herr zu werden), mit forciertem gifteinsatz wieder den alten ameisenfreien zustand herzustellen. Ich weiß, dass mir das sicher nicht den ersten preis im „save our world“-umwelt-award einbringen wird, mag aber beim essen auch nicht immer daran denken, ob das, was ich da gerade zerkaue nun wirklich ein leinsam-korn oder nicht doch eine ameise ist.

Ich lese mal wieder die syria today: der pina-bausch-film wurde verboten. Der grund: zuviel nacktheit! Dann macht die syria today noch eine kleine straßenumfrage: „wird es diesen sommer krieg zwischen syrien und israel geben?“ die überwiegende mehrheit der befragten geht nicht davon aus, da sie meinen, israel habe angst, dass ein weiterer krieg ausgehe, wie der libanon-krieg 2006 oder der gaza-krieg, da der „arabische widerstand“ sich inzwischen nicht nur auf die nationalen armeen (die ja zumindest hier in damaskus mit konzentriertem eckenstehen befasst sind), sondern vor allem auf „die straße“ stütze. Dennoch würde ein krieg „zur befreiung unserer okkupierten gebiete“ teil befürwortet da israel nur die sprache der gewalt verstehe. Vielleicht eine gute idee für die boulevardpresse: „wird es diesen sommer krieg gegen frankreich geben?“ im anzeigenteil werben fluggesellschaften mit: drei flüge von damaskus – die woche! Ein weiterer artikel äußert verständnis für die verlängerung der us-saktionen. Es sei nicht so gemeint, aber die usa habe keine andere wahl und auch kleine schritte seien ja schon zu verzeichnen. Soweit meine lektüre. Mein freund michel berichtet, dass es kaum noch funktionstüchtige syrische flugzeuge gebe, da eben wegen der us-sanktionen keine ersatzteile mehr ins land kommen und es keine anderen fluggeräte-hersteller als europäische oder amerikanische gebe.

Nun, mir wird es wohl dennoch gelingen, außer landes zu kommen, ich reise nicht mit syran-air. Aber ich reise. Und damit ist der aufenthalt hier vorbei und die damaszener scharaden an ihrem (vorläufigen) ende angelangt.

fahrten mit körperkontakt und das scheitern des pünktlichkeitsprogramms

Neulich am abend fahren wir nach qabun einen freund besuchen. Im micro hat man hier ja immer viel körperkontakt. So eng, wie man hier sitzt, da müssten auf jeder bank in u- oder s-bahn in deutschland mindestens drei oder vier leute platz finden. Die leute hier sind das ja aber gewohnt und ich glaube auch, dass der häufigere körperkontakt eben auch beruhigend wirken kann. Indem man sich berührt, kommuniziert man ja irgendwie auch miteinander. Und schließlich sieht man hier ja auch ständig menschen hand in hand oder umarmt miteinander sitzen. Allerdings eben nur gleichgeschlechtlich. Für die zwischengeschlechtlichen berührungen scheint das private haus der geeignete ort zu sein, nicht die öffentlichkeit.

Busfahrten nach qabun sind immer eine große freude. Alle busse sind mit „qabun-schara’-a-thawra“ ausgeschildert, fahren aber mitnichten die selbe route und nichtmal alle nach qabun oder zur schara’-a-thawra, der straße der revolution im zentrum der stadt. Einige machen auf halber strecke kehrt, man muss das dann merken und schnell rausspringen. Andere fahren direkt und schnell über die beliebte autostraat. Wieder andere juckeln durch alle gassen und stehen stundenlang im stau. Ich dachte ja, dass es nur mir noch relativ ortsunkundigem so geht, aber auch rafik weiß nie, in welchem bus man wohin kommt und wie das alles nun funktioniert. Habe es aber dennoch geschafft heute das ziel der reise zu erreichen, zwar mit mehreren bussen und umsteigen, aber immerhin. Dabei war ich richtig stolz, dass ich jetzt schon im vorbeifahren die schilder der busse lesen kann, die ja auf unterschiedlichste weisen geschrieben sind und auch in einem mir bisher unbekannten teil dieser stadt schon weiß, wohin in etwa die busse fahren müssten und dass das dann die richtige richtung sein dürfte. Hat sich das viele geld für meine ausbildung doch gelohnt...

Vom deutschen pünktlichkeitsprogramm keine spur erfolg! Angekündigt war ali für den frühen morgen (neun uhr) unseres abfahrttages zum besuch seiner familie. Als ich ihn um halb elf anrufe, wecke ich ihn. Also ich meine, dass es kein wunder ist, wenn es mit der syrischen wirtschaft nicht bergauf geht. In etwa einer stunde (also in zwei stunden) ist er dann auch schon zum frühstück bei mir. So kommen wir „früh am morgen“, noch vor der Mittagshitze gegen halb zwei los. Die fahrt gestaltet sich – abgesehen von den 45 grad temperatur – angenehm. Ich muss nicht ans lenkrad und ali fährt inzwischen auch sicherer, so dass ich keinen verkrampften rechten bremsfuß habe, den ich ja sonst als beifahrender manchmal habe. Nach einer pause und mehreren stunden fahrt erreichen wir das elterliche haus. Wie gehabt nette familie, die schwester ist da, der esel und die eltern. Da wir auf dem weg noch drei hühner erstanden haben, denen vor unseren augen der garaus gemacht wurde (was mir nicht sonderlich behagte, aber sicher ehrlicher ist als das fleisch aus der tiefkühltruhe), wird gegrillt. Eine lange prozedur, bei der vom entschluss zur umsetzung nochmals soviel zeit vergeht, wie während der zubereitung der kohle (aus holz) und den beilagen (aus dem garten – es muss eben erst noch kurz geerntet werden). Nach dem essen trinken alle noch mate, ein gesöff aus kraut und viel zucker, das durch einen strohhalm gezogen wird, an dem unten ein sieb hängt, das eigentlich dazu dient, das kraut aus dem munde fernzuhalten, was aber immer nur mäßig gelingt. Ein zweifelhafter genuss. Die nacht dann auf matten gebettet friedlich schlummernd zugebracht.

Nach frühstück und vielen abgeschlagenen und auf spätere zeit vertrösteten teetrinkeinladungen bei verwandten (so ist das bei 12 kindern und deren kindeskindern eben) schaffen wir es auch am Nachmittag nach latakia zu kommen. Wenn hier jemand sagt: „wollen wir jetzt los?“, heißt das „jetzt“ mitnichten jetzt. Von jetzt, bis zum avancierten zeitpunkt und von dort bis zur tatsächlichen abfahrt vergehen gut und gerne nochmals jeweils zwei stunden. In dieser zeit müssen unvorhergesehene besorgungen gemacht werden oder komplizierte transporte mit dem angemieteten wagen durchgeführt werden. Immerhin haben wir es noch bis latakia geschafft. Allerdings erst kurz vor sonnenuntergang. Das ist für „nach dem frühstück“ dann auch wieder nicht so zeitig...