Montag, 2. August 2010

kiffende fischer, wilde speedboote und party all the time

In latakia schmeißen wir uns, nachdem wir ein viel zu teures aber sehr comfortables chalet angemietet haben, in die fluten. Es ist herrlich warmes wasser. Der strand ist gerammelt voll. Ölsardinen haben dagegen vermutlich viel platz. Überall badende, planschende kinder, marodierende jugendbanden, frauen im kompletten kostüm incl. kopftuch in den fluten. speedboote fahren den badenden über die köpfe und in all dem chaos gondeln schiffe mit lauter musik durch die badenden mengen und fahren diejenigen um, die die speedboote bisher überlebt hatten. Am abend gehen wir essen und dann treffen wir die freunde alis am strand (einem anderen stadtstrand, den ich noch nicht kannte und der mir angenehmer scheint). Dort sitzt man in fischerhütten und kifft. Die fischerhütten sind keine deko – die freunde alis arbeiten wirklich als fischer, wohl eine der wenigen branchen, in denen man arbeit findet – ja, fischer werden ja immer gebraucht! Danach noch zu uns ins chalet auf ein bier und dann ab ins bett. Dabei ist an schlaf nicht zu denken. Obschon die uhr weit fortgeschritten ist (es ist inzwischen 5 uhr früh) herrscht ein lärm, wie auf ballermann. Party 24 stunden am tag! es scheint niemand schlafen zu wollen. Auch wir kriegen kein auge zu. Die mücken haben wir zwar inzwischen durch heftigsten gifteinsatz zum verstummen, bzw. zum verscheiden gebracht. Aber die nachbarn kriegen wir mit dem giftspray nicht tot!

Total übermüdet werfen wir uns am nächsten morgen nochmals in die fluten. Das wetter ist klasse, der wind angenehm, das wasser schön frisch. Dann, nach einem weiteren kurzen kaffee mit einem freund alis, zurück zu den eltern. Dort bin ich so müde, dass ich mich (ein guter gast zu sein ist so schwer!) erstmal zwei stunden ins bett, bzw. auf die strohmatte lege. Danach kriegen wir noch etwas zu essen, einen tee und ab die post zurück nach damaskus. Eine romantische, fast nächtliche rückfahrt mit vollmond! Froh, wieder im eigenen (europäischen) bett in damaskus schlafen zu können und vor allem leise nachbarn zu haben! Auch, wenn es nur noch wenige nächte hier sind, bevor ich wieder gen „heimat“ (was ist das eigentlich inzwischen für mich?), bzw. nach deutschland muss.

Meine küche wurde unterdessen von einer ameisenkolonie okkupiert und besiedelt, die vermutlich darüber informiert ist, dass ich in bälde abreise und sich hoffnungen auf die nachmieterschaft macht. Im prinzip habe ich ja nichts gegen diese niedlichen und nützlichen tierchen. Aber wenn sie durch mein frühstücksmüsli krabbeln und alles in sekunden in beschlag nehmen ist schluss! Daher habe ich heute versucht (nachdem ich mehrere gescheiterte versuche unternommen hatte, mit dem kakerlaken-bekämpfungsmittel der ameisen herr zu werden), mit forciertem gifteinsatz wieder den alten ameisenfreien zustand herzustellen. Ich weiß, dass mir das sicher nicht den ersten preis im „save our world“-umwelt-award einbringen wird, mag aber beim essen auch nicht immer daran denken, ob das, was ich da gerade zerkaue nun wirklich ein leinsam-korn oder nicht doch eine ameise ist.

Ich lese mal wieder die syria today: der pina-bausch-film wurde verboten. Der grund: zuviel nacktheit! Dann macht die syria today noch eine kleine straßenumfrage: „wird es diesen sommer krieg zwischen syrien und israel geben?“ die überwiegende mehrheit der befragten geht nicht davon aus, da sie meinen, israel habe angst, dass ein weiterer krieg ausgehe, wie der libanon-krieg 2006 oder der gaza-krieg, da der „arabische widerstand“ sich inzwischen nicht nur auf die nationalen armeen (die ja zumindest hier in damaskus mit konzentriertem eckenstehen befasst sind), sondern vor allem auf „die straße“ stütze. Dennoch würde ein krieg „zur befreiung unserer okkupierten gebiete“ teil befürwortet da israel nur die sprache der gewalt verstehe. Vielleicht eine gute idee für die boulevardpresse: „wird es diesen sommer krieg gegen frankreich geben?“ im anzeigenteil werben fluggesellschaften mit: drei flüge von damaskus – die woche! Ein weiterer artikel äußert verständnis für die verlängerung der us-saktionen. Es sei nicht so gemeint, aber die usa habe keine andere wahl und auch kleine schritte seien ja schon zu verzeichnen. Soweit meine lektüre. Mein freund michel berichtet, dass es kaum noch funktionstüchtige syrische flugzeuge gebe, da eben wegen der us-sanktionen keine ersatzteile mehr ins land kommen und es keine anderen fluggeräte-hersteller als europäische oder amerikanische gebe.

Nun, mir wird es wohl dennoch gelingen, außer landes zu kommen, ich reise nicht mit syran-air. Aber ich reise. Und damit ist der aufenthalt hier vorbei und die damaszener scharaden an ihrem (vorläufigen) ende angelangt.

fahrten mit körperkontakt und das scheitern des pünktlichkeitsprogramms

Neulich am abend fahren wir nach qabun einen freund besuchen. Im micro hat man hier ja immer viel körperkontakt. So eng, wie man hier sitzt, da müssten auf jeder bank in u- oder s-bahn in deutschland mindestens drei oder vier leute platz finden. Die leute hier sind das ja aber gewohnt und ich glaube auch, dass der häufigere körperkontakt eben auch beruhigend wirken kann. Indem man sich berührt, kommuniziert man ja irgendwie auch miteinander. Und schließlich sieht man hier ja auch ständig menschen hand in hand oder umarmt miteinander sitzen. Allerdings eben nur gleichgeschlechtlich. Für die zwischengeschlechtlichen berührungen scheint das private haus der geeignete ort zu sein, nicht die öffentlichkeit.

Busfahrten nach qabun sind immer eine große freude. Alle busse sind mit „qabun-schara’-a-thawra“ ausgeschildert, fahren aber mitnichten die selbe route und nichtmal alle nach qabun oder zur schara’-a-thawra, der straße der revolution im zentrum der stadt. Einige machen auf halber strecke kehrt, man muss das dann merken und schnell rausspringen. Andere fahren direkt und schnell über die beliebte autostraat. Wieder andere juckeln durch alle gassen und stehen stundenlang im stau. Ich dachte ja, dass es nur mir noch relativ ortsunkundigem so geht, aber auch rafik weiß nie, in welchem bus man wohin kommt und wie das alles nun funktioniert. Habe es aber dennoch geschafft heute das ziel der reise zu erreichen, zwar mit mehreren bussen und umsteigen, aber immerhin. Dabei war ich richtig stolz, dass ich jetzt schon im vorbeifahren die schilder der busse lesen kann, die ja auf unterschiedlichste weisen geschrieben sind und auch in einem mir bisher unbekannten teil dieser stadt schon weiß, wohin in etwa die busse fahren müssten und dass das dann die richtige richtung sein dürfte. Hat sich das viele geld für meine ausbildung doch gelohnt...

Vom deutschen pünktlichkeitsprogramm keine spur erfolg! Angekündigt war ali für den frühen morgen (neun uhr) unseres abfahrttages zum besuch seiner familie. Als ich ihn um halb elf anrufe, wecke ich ihn. Also ich meine, dass es kein wunder ist, wenn es mit der syrischen wirtschaft nicht bergauf geht. In etwa einer stunde (also in zwei stunden) ist er dann auch schon zum frühstück bei mir. So kommen wir „früh am morgen“, noch vor der Mittagshitze gegen halb zwei los. Die fahrt gestaltet sich – abgesehen von den 45 grad temperatur – angenehm. Ich muss nicht ans lenkrad und ali fährt inzwischen auch sicherer, so dass ich keinen verkrampften rechten bremsfuß habe, den ich ja sonst als beifahrender manchmal habe. Nach einer pause und mehreren stunden fahrt erreichen wir das elterliche haus. Wie gehabt nette familie, die schwester ist da, der esel und die eltern. Da wir auf dem weg noch drei hühner erstanden haben, denen vor unseren augen der garaus gemacht wurde (was mir nicht sonderlich behagte, aber sicher ehrlicher ist als das fleisch aus der tiefkühltruhe), wird gegrillt. Eine lange prozedur, bei der vom entschluss zur umsetzung nochmals soviel zeit vergeht, wie während der zubereitung der kohle (aus holz) und den beilagen (aus dem garten – es muss eben erst noch kurz geerntet werden). Nach dem essen trinken alle noch mate, ein gesöff aus kraut und viel zucker, das durch einen strohhalm gezogen wird, an dem unten ein sieb hängt, das eigentlich dazu dient, das kraut aus dem munde fernzuhalten, was aber immer nur mäßig gelingt. Ein zweifelhafter genuss. Die nacht dann auf matten gebettet friedlich schlummernd zugebracht.

Nach frühstück und vielen abgeschlagenen und auf spätere zeit vertrösteten teetrinkeinladungen bei verwandten (so ist das bei 12 kindern und deren kindeskindern eben) schaffen wir es auch am Nachmittag nach latakia zu kommen. Wenn hier jemand sagt: „wollen wir jetzt los?“, heißt das „jetzt“ mitnichten jetzt. Von jetzt, bis zum avancierten zeitpunkt und von dort bis zur tatsächlichen abfahrt vergehen gut und gerne nochmals jeweils zwei stunden. In dieser zeit müssen unvorhergesehene besorgungen gemacht werden oder komplizierte transporte mit dem angemieteten wagen durchgeführt werden. Immerhin haben wir es noch bis latakia geschafft. Allerdings erst kurz vor sonnenuntergang. Das ist für „nach dem frühstück“ dann auch wieder nicht so zeitig...

Sonntag, 18. Juli 2010

deutsche bürokratie, syrische absurdität und neo-osmanismus

Nach dem aufstehen treffe ich endlich mal wieder meinen tandempartner. Er hat ein erstaunliches problem mit der deutschen bürokratie. Für sein studium in köln benötigt er ein sogenanntes sperrkonto bei einer deutschen bank. Da viele banken mit syrien (und damit auch mit syrern) keine geschäfte machen blieb nach langer suche nur die commerzbank. Dort hat er nun ein sperrkonto und eine dementsprechende bescheinigung. Bei der deutschen botschaft in damaskus aber hat man ihm das visum verweigert, da aus der bescheinigung der bank hervorgehen muss, dass er monatlich 624 euro (genau 642!) abheben kann. Eine solche bescheinigung wird (wie ihm auf antrag bestätigt wurde) von der commerzbank in köln nicht ausgestellt. Die commerzbank in dresden zum beispiel stellt eine solche bescheinigung problemlos aus, weigert sich jedoch, das sperrkonto von ihm zu führen, da dieser in köln studiert und nicht in dresden. Ein unlösbares problem, bei dem noch dazu die zeit drängt, denn in vierzehn tagen gehen die vorbereitungskurse zum studium in köln los und er muss ja nicht nur noch das flugticket kaufen, sondern sich dort auch noch eine bleibe suchen und seine alte wohnung in damaskus auflösen. Man fragt sich manchmal, wer sich dieses deutsche einwanderungsreglement ausgedacht hat. Wohl bemerkt: mein tandempartner ist einer von denen, die in deutschland angeblich willkommen sein sollten (er ist arzt, kann sehr gut deutsch und es geht um ein spezial-aufbaustudium). Wie muss es den anderen ergehen?

Seit zwei tagen erreiche ich ali nicht, was ungewöhnlich ist. dann meldet er sich endlich. Er sei im krankenhausgefängnis gewesen (ich erinnere mich an die gleichartige geschichte, die rafik mir mal berichtete, auch der hatte ja schon mal zwei tage im krankenhausgefängnis zugebracht). Und das kam so: er war des abends mit einem freund unterwegs und hat einen motoradunfall gesehen, ist dem schwer verletzten fahrer (helme sind ja unbekannt, geschwindigkeitsbegrenzungen und reglementierungen des motorrad-verkehrs auch) zur hilfe geeilt und hat ihn mit ins krankenhaus gebracht. Und nun ist das in syrien so: wenn ich jemandem zur hilfe komme, bin ich verantwortlich. Und da der mann im koma lag, konnte er nicht bestätigen, dass ali vollkommen unschuldig war und ihm eben nur geholfen hatte. So wurde er solange festgehalten, bis der verletzte bestätigte, dass ali unschuldig ist. eine unglaubliche regelung! Unter den bedingungen würde in deutschland (und ian stimmt mir zu, wohl in ganz europa) niemand mehr helfen. Auch ali war angepisst und meinte, er gehe das nächste mal lieber schnell weiter, wenn jemand dort verletzt liege. Aber hier setzt man offenbar auf die soziale verantwortung und das scheint ja tatsächlich aufzugehen. Dass man einem anderen zur hilfe eilen muss scheint gesetzt, denn die menschen machen es ja ganz offenbar trotz dieser absurden gesetzlichen regelungen. rafik verteidigte die noch und meinte, dass es, da es ja keinen rettungsdienst gebe, den man einfach anrufen könne und der sich dann um die verletzten kümmere, eben notwendig sei, die am unfall und an der rettung der unfallopfer beteiligten solange festzuhalten, bis die umstände des unfalles geklärt seien.

Im pages nerven heute englischsprechende syrische oberschichtangehörige („ah, mykonos is sooo cheap now!“), die offenbar das ererbte geld ihrer familien durchbringen müssen. Dann schocken die autovermietungen, mit denen ich mich am abend noch beschäftigen muss (wir wollen noch einen meinen aufenthalt hier beschließenden abschluss-ausflug zu alis familie machen), denn sie sind nun alles andere als sooo cheap now geworden! Haben wir im oktober noch einen wagen für 1400 pfund gemietet, kostet er nun 3800! Es sei (neben der gewöhnlichen ca. 150%-igen preissteigerung) eben auch der sommer und die hohe nachfrage an wagen wird mir erklärt. Budged, sixt (oder wie ali sagt: sikist) und europcar – alle zu teuer. Wir nehmen nun doch die autovermietung in mezze, die 2800 am tag (aber incl. zwei fahrern, versicherung und kilometern unlimmited) kostet und um die sich ali – inscha’allah – morgen kümmern wird.

Nach über zwei wochen schaffe ich es wieder, zum sport zu gehen. Es ist alles beim alten, außer dass die preis wohl erhöht wurden, was mir aber entgeht da ich erst nach langem und intensivem studium den zettel an der wand entziffere und mühe zahlen darauf entdecke, die eine preissteigerung bedeuten könnten. Da man es vermutlich als hoffnungslosen fall eingeschätzt hat, hat man mich beim bezahlen nichtmal drauf angesprochen. Oder ich habe als altmitglied schon bestandsschutz – wer weiß? Da es inzwischen so heiß geworden ist, zerfließe ich! Als ob man einen 15-liter eimer wasser über mich geschüttet hätte – so nass verlasse ich das studio und schleppe mich gen heimat. Am Nachmittag treffe ich rafik. Wir trinken saft und essen türkische kuchen, die hier nun überall zu haben sind. Überhaupt wird das land mit türkischen produkten überschwemmt. Ich habe neulich schon kritische anmerkungen gehört, dass sich leute beschwerten, dass es ja nicht so sei, dass man hier in syrien keine kuchen habe, wieso man denn diese aus der türkei importieren müsse. Auch andere dinge (insbesondere kleidung) werden schon lange importiert. Die neue türkische außenpolitik: wirtschaftsimperialismus oder neo-osmanismus?

raketenartige fahrzeuge und sich auf motorhauben räkelnde frauen

Gehe mit michel auf die „drinking, dining and dancing“-Party zur vorstellung neuer coupee-modelle und anderer unnützer und zu großer wagen bei mercedes benz(!). eine kleine spontaneinladung, die ich schon aus neugierde nicht abschlagen kann. Schlimmstes volk! Das reichste und verkommenste, was damaskus zu bieten hat. Als wir (zu spät) kommen, fährt gerade ein wie eine missglückte rakete aussehendes gefährt zu pathetischer musik über einen roten teppich. Dann ein feuerwerk! Die türen öffnen (unpraktischer weise) nach oben. So ist ein dezentes und wenig aufsehen erregendes aussteigen aus diesem wagen gar nicht möglich. Aber vermutlch auch nicht vorgesehen, denn wenn man so viel geld für ein so hässliches auto ausgibt, muss man schon eine vollschacke haben und braucht den großen auftritt vermutlich um seine psychischen defizite zu kompensieren. Nicht ein normaler mensch! Der manager der syrischen mercedes-zweigstelle hält eine rede in bestem westerwelle-englisch. Offenbar sind selbst basale fremdsprachenkenntnisse keine voraussetzung, um bei mercedes manager einer internationalen zweigstelle zu werden.

In der halle, in der es die drinks gibt, räkeln sich drei (wie dolly buster aussehende) damen auf der motorhaube eines anderen weißen und viel zu groß geratenen wagens. Viele „gemachte“ gesichter bei den frauen und die „fratze des verzichts“ bei den herren. Nach der erbärmlichen rede geht es zum diner. Sehr lecker! Groß aufgetischt! Von allem nur das beste. Aber ich vermute, dass mercedes das bei den preisen für die wagen bereits miteinkalkuliert hat. Wir essen, da es so lecker ist, leider zu viel. Viel zu viel. Erstunlich die musik zum essen: härteste techno-klänge! Sehr laut, so dass man sich nur mit großer mühe unterhalten kann. Ich vermute, das bei der musikauswahl der gedanke „wir wollen nun aber mal gaaaanz modern sein“ im vordergrund gestanden hat. Ja aber beim essen soll man ja auch nicht so viel reden und mit vollem mund spricht man eh nicht! Während des gesamten procederes hühnern heerschaaren von fotografen und kameraleuten überall herum und filmen und fotografieren, was das zeig hält. Wenn auch nur ein bruchteil der gemachten aufnahmen veröffentlicht wird, muss in den nächsten tagen die gesamte medienöffentlichkeit des landes pausenlos über dieses event berichten.

Danach wird mit einer sängerin und einer kleinen band, die aufgepoppte remixe arabischer klassiker zum besten gibt, versucht, das publikum zum tanz (der teil „dancing“ aus „drinking, dining and dancing“) zu animieren. Immerhin erbarmen sich wenige paare und einige frauen etwa fünf minuten lang die hüften zu schwingen. Dann bläßt man zum großen aufbruch, denn das geld für die neuen modelle will ja auch verdient werden und vermutlich müssen fast alle morgen früh raus. Eine andere welt! Deutlicher noch als in deutschland treten hier die widersprüche hervor. Der reichtum zeigt, wo er nicht von einem sozialstaat in seine grenzen gewiesen wird, seine hässliche fratze.

Dazu hatte ich mal irgendwo etwas passendes gelesen, das ich jetzt hier nicht wiederfinde. Es ging in etwa so: der eine wird als kind von bettlern, der andere auf rosen gebettet geboren. Dass beide sich auf augenhöhe begegnen können, dafür muss der sozialstaat sorgen. Ich glaube vielleicht es war von heribert prantl, denn von dem finde ich folgendes: „Ein Sozialstaat ist ein Staat, der gesellschaftlichen Risiken, für die der einzelne nicht verantwortlich ist, nicht bei diesem ablädt. Er verteilt, weil es nicht immer Manna regnet, auch Belastungen. Aber dabei gilt, dass der, der schon belastet ist, nicht auch noch das Gros der Belastungen tragen kann. Ein Sozialstaat gibt nicht dem, der schon hat; er nimmt nicht dem, der ohnehin wenig hat. Er schafft es, dass die Menschen trotz Unterschieden in Rang, Talenten und Geldbeutel sich auf gleicher Augenhöhe begegnen können. Der Sozialstaat ist der große Ermöglicher. Er ist mehr als ein liberaler Rechtsstaat, er ist der Handausstrecker für die, die eine helfende Hand brauchen.“ (aus einem vortrag zur ökonomisierung der lebenswelt). Im prinzip ist er das ja auch in deutschland schon lange nicht mehr, aber hier fällt mir diese idee der gleichen augenhöhe immer ein, wenn ich bettler an den geschlossenen fenstern der luxuslimousinen stehen sehe. Das ist nun bei weitem nicht mehr augenhöhe...

reisen auf dem motorblock, heiße creme-caramel und fettfreie pommes

Wieder zurück! Die hinfahrt nach tadmur war ok. Zwar kein so aufwändiger service, wie bei haval nach el-hasakeh, aber immerhin wasser, ein schlimmer film und kein unfall. Am Nachmittag angekommen schlagen wir uns gleich in die ruinen. Es ist auch jetzt noch sehr heiß und ziemlich sandig. Am abend im restaurant bestelle ich zum spaß zum nachtisch eine creme caramel (es gibt keine karte und ich versuche es einfach mal). Die mitarbeiter versammeln sich unschlüssig um unseren tisch. Rafik erklärt, dass es sich um eine art kischkeh, wie es in damaskus gegessen wird handele, nur mit caramelgeschmack. Ja, das habe man. Ich wundere mich erst, dass man es gar nicht kennt, es dann aber angeblich habe und bin gespannt. Tatsächlich bekomme ich nach 20 minuten eine frisch gemachte und noch warme creme caramel, die sehr köstlich schmeckt. Ein französischer koch würde sich vermutlich vor ekel übergeben, da sie noch warm war, aber mir mundete sie ausgezeichnet. Danach im laden um die ecke ein kleiner junge, der fan von werder bremen ist. endlich mal nicht nur bayernmünchen! Ansonsten schlimmes wetter. Sandsturm und etwas regen. Wolken und nachts nicht wirklich eine abkühlung. Weiterhin über 30 grad.

Nach frühstück und baal-tempel (wieder gruppen lauter italienischer touristen), fahren wir nach damaskus zurück. Am busbahnhof scheint es erst so, als ob für uns keine plätze mehr frei sind, obschon wir tickets haben (ja, man wundert sich). Dann aber sind noch drei plätze auf der letzten bank frei, was mir erst wie ein segen vorkommt, sich aber schnell als hölle entpuppt. Der heiße motorblock dieses schrottreifen gefährts ist direkt unter unserem arsch. Die sitze sind kaputt und rutschen immer nach vorne, die fensterscheinbe, auf die die sonne erbarmungslos scheint, hat sicher 60 grad. Obschon meinen berechnungen zufolge (wir fahren am frühen Nachmittag gen westen) die sonne im süden, also links sein müsste, ist sie die ganze zeit rechts, also auf uns gerichtet. Auch auf solcherlei berechnungen scheint kein verlass mehr zu sein. Zudem rieselt beständig feiner sand und staub auf uns herab, der sich offenbar den weg durch die lüftung bahnt, durch die aber eben leider keinerlei luft kommt und wir werden heftigst durchgeschüttelt, da auch stoßdämpfer nach dreißig jahren wohl mal ausgetauscht werden müssten. Unnötig zu erwähnen, dass die klimaanlage – so es je eine gegeben haben sollte – nicht funktionierte. Bei schätzungsweise 50 grad im bus kommen wir nach drei stunden fahrt vollkommen tot in damaskus an. Ich brauche zwei tage, um mich von diesen drei stunden zu erholen. Wir gehen nur noch einen sandwitch im pages essen und treffen am abend eimad, einen alten bekannten im hijaz-cafe.

Gestern Mittag dann war ich mit Ian im schwimmbad in rabwe, wo es zwar voller als letzten sonnabend ist, aber immer noch sehr angenehm. Ich springe das erste mal ins wasser, was ich ja sonst nie tue, denn ich möchte das irgendwie lernen. Kann das ja nicht bisher. Zumindest kann ich schwimmen. Denn kurz darauf springt ein profilierungssüchtiger mittzwanziger in den 3,50 meter tiefen bereich, der eben leider nicht schwimmen kann. Wie dumm muss man sein! Er muss vorm ertrinken gerettet werden. Zum glück findet sich gleich jemand, der das retten beherrscht, denn der dafür sonst zuständige live-guard ist gerade verhindert. Er muss freunde begrüßen und ihnen zahlreiche küsschen auf alle körperteile drücken und kriegst so gar nicht mit, dass da gerade jemand ertrinkt. Nun, es ist ja noch mal gutgegangen.

Rafik ist ein wunderbarer koch. Vermutlich der beste, den es hier in diesen breiten gibt. Ali behauptet, er koche besser als seine mutter und wenn ein arabischer junge das sagt muss das schon was heißen. Aber ähnlich wie jean-claude kann er einfach nicht fettfrei kochen. Jean-claude ist der ehemalige koch des weißen hauses. Als die clintons damals die macht übernahmen und hillary das weiße haus unter ihre fuchtel nahm, gab es in einer deutschen zeitung einen artikel: hillary nimmt den koch vom herd. Die neue fettfreie küche, die fortan im weißen haus vorherrschen sollte, hatte den alten französischen koch angeblich überfordert: jean-claude kann nicht fettfrei kochen! Ähnlich geht es rafik. Allerdings ist auch seine einschätzung, was fett sei eine andere, als meine. Öl zählt er nicht zu den fetten und so geht er großzügig damit um. In pflanzenöl frittiertes ist also noch fettfrei. Erst danach beginnt fett. rafik scheint da nicht allein zu sein. Bestellt man in einem restaurant kartoffeln, bekommt man pommes frittes – geichsam die natürliche darreichungsform der kartoffel.

allevitische busse, frisches pizzabrot und blondiertes körperhaar

Das Nationalmuseum von damaskus ist ja immer einen besuch wert. Im foyer sind größere umbaumaßnahmen bereits angekündigt und da diese mit italienischer hilfe wohl schon begonnen haben, sind teile des museums leider gesperrt. Die besichtigung der herumstehenden und schlecht ausgeschilderten exponate dauert dennoch lange, da ja wirklich viel ausgestellt ist. aber wenn man nicht selbst zum beispiel als archologe weiß, um was für ein exponat es sich gerade handelt, bekommt man auch keinerlei hinweis, denn eine beschriftung oder weiterführende hinweise sind nur sehr sporadisch angebracht. Zum glück aber begegnet man nur wenigen menschen und so hat man zeit, die dinge auf sich wirken zu lassen. Danach haben wir im bocelli einen kaffee getrunken. Die haben jetzt einen windschutz (glasplatten am terrassengitter) und einen sonnenschutz (eine schlichte markise) angebracht und tolle ventilatoren aufgestellt, die kühlenden wasserdampf versprühen. Wahnsinn!

Ian und ich versuchen das schwimmbad der jugend nun mal am Nachmittag. Da alle bäder hier um vier nachmittags schon schließen, müssen wir den Nachmittag um zwei beginnen lassen. Und tatsächlich: weniger kinder. Dafür bodybuilder, die sich ihre hormongeschwängerten körper mit einer schäumenden lotion aus amoniak und sonstigen ungesunden inhaltsstoffen einschmieren, die sie „oxygene“ nennen. Ziel dieser prozedur ist es, blondiertes körperhaar zu bekommen. Unappetitlich und ungesund und im ergebnis nichtmal schön. Wie albern: schwarzes haupthaar zu blondiertem körperhaar! Das also war das geheimnis des blondierten brusthaares, welches mir schon vor wochen im sportstudio begegnet ist – ich hatte nicht halluziniert!

Dann haben wir tickets gekauft. Für einen kurz-trip nach tadmur (palmyra) morgen. Bei haval meinte man erst, es gäbe keine busse nach tadmur, dann, der bus fahre um drei, dann er fahre schon um halb zwölf und letzlich, es gebe keine freien plätze mehr. Das erste war nachweislich eine lüge. Wenn aber das letzte stimmt, ist der wahrheitsgehalt der anderen beiden informationen egal. Zwischen diesen infos lagen einige telefonate und viele scherzereien mit den angestellten. Auch bei civan war nix zu holen. So mussten wir wohl oder übel zu kadmus gehen. Die hatten noch plätze. Aber die setzen auf diesen linien in den osten immer schrottbusse ein. Wenn man nach latakia oder woanders ans wasser fahren will, ist kadmus eine gute wahl. Dorthin fahren die luxeriösesten busse. Da es sich aber, wie mir mein arabischlehrer erklärte, um eine allevitische firma handele, setze sie in den osten und in die kurdengebiete eben schrottbusse ein. Dorthin müsse man mit den kurdischen firmen reisen. Aber die waren ja eben leider schon ausgebucht.

Am abend aber raffen wir uns auf und machen noch einen kleinen ausflug auf den berg, vielmehr dorthin, wo noch häuser den berg hochwuchern. Das war nicht so geplant, hat sich aber so ergeben, denn wir sind einem missverständnis aufgesessen. Die neuen kleinen und offenbar illegal betriebenen mini-mini-busse von afif nach oben fahren nicht zum berg qassiun, sondern nur in den letzten winkel der den berg hochwuchernden bebauung (nba’a oder so genannt). Auch nicht schlecht und eine wirkliche abenteuerfahrt durch steile, enge gassen in mir bisher unbekannte gegenden. Dort angekommen spazieren wir etwas umher, werden von allen menschen sehr nett gegrüßt und willkommen geheißen und einer bringt uns sogar (nachdem er uns durch sein fenster angesprochen hatte und uns schon gesagt hatte, dass wir schön seien – wie nett, wo hört man das in deutschland mal von fremden menschen?), noch selbstgebackenes pizzabrot auf die kaum touristen gab. Die rückfahrt war nicht weniger abenteuerlich und ich muss sagen, dass ich als fahrer manchmal wohl nicht weiter gewusst hätte, wenn sich am steilen abhang mehrere wagen so unglücklich ineinander geschoben hatten, dass es weder vor noch zurück ging, wäre ich sicher einfach weinend ausgestiegen. Aber irgendwie sind wir dann doch wieder heil in afif gelandet. Ein toller ausflug!

monobeblockte schland-fans, giftkanonen und der syrische schwimmstil

Gestern Nachmittag gehen wir zum fußball. Ich beim fußball – hätte ich mir auch nicht denken können, zu welchen verzweiflungstaten mich so ein auslandsaufenthalt noch bringen würde. Deutschland gegen argentinien. Es gibt strenge eingangskontrollen. Alle personen werden abgetastet und es sind reichlich ordnungshüter zugegen, um die hereindrängenden massen mit langen gerten im zaum zu halten. Wer sich ungebührlich benimmt wird durch gestrenge ordner gleich wieder nach draußen, also in den bereich außerhalb der absperrung verbracht. Drinnen ist alles mit plastikstühlen dekoriert, auf denen das publikum artig platz nimmt. Da nach spielbeginn eingangsschluss ist, der hang der syrer zur unpünktlichkeit sich aber offenbar auch bei fußballfans nicht abschwächt, haben die ordnungshüter mit ihren langen gerten viel zu tun. Dabei wäre drinnen noch platz, es ist keinesfalls überfüllt. Aber prinzip ist prinzip und ordnung muss sein. Vielleicht deutsches management? Die anwesenden (im vorderen bereich haben die stühle sogar armlehnen – die luxusvariante des monoblocks – hier sitzen mehr familien und auch frauen; im hinteren bereich auf den einfacheren stühlen drängen sich vor allem junge männer) sind zu 70 prozent für alemania und nur zu etwa zu 30 prozent für argentinien. Winkelemente sind überwiegend in den farben der deutschen nationalflagge vorhanden. Entsprechend groß ist die freue, als nach dem spiel die deutschen einen glorreichen sieg davontragen. Ein freudentaumel ergießt sich den weg entlang zum busbahnhof durch damaszener straßen. Überall wo man erfährt, dass ich aus deutschland sei, werde ich nun mit noch überschwänglicherer freude begrüßt. Fehlt nur noch, dass man mir die füße küssen will, das würde ja aber auch bei vorankommen ziemlich hinderlich sein.

Sie fährt wieder (oder noch)! Die giftkanone. Drei mal habe ich in den letzten drei tagen die volle ladung abbekommen. Einmal am merje, wo das einfache volk weiterhin unbekümmert durch die giftwolke flanierte und man sich im cafe seinen tee schmecken lies (ich bin schnell aufs klo geflücktet, wo ich wegen des stark amoniakalischen odeurs jedoch auch nur durch langes luftanhalten überlebte). Einmal im schicken scha’alan, wo der im cafe sitzenden mittelschicht die gesundheitsbedenklichkeit offenbar bewusst war und schnell die glasfront vorgefahren wurde (auch hier bin ich sicherheitshalber schnell in die hinteren räumlichkeiten geflüchtet). Leider führte die zu spät geschlossene glasfront aber dazu, dass sich das gift besonders lange im raum hielt. In meiner lunge hatte ich danach so ein pfefferminzig-frisches gefühl. Heute morgen nun, als ich zum sport gehe, wieder direkt in die fresse! Es reicht jetzt für die nächste zeit erstmal. Mücken oder andere insekten besiedeln mich jetzt bestimmt nicht merh. Dabei macht diese kanone so ein lautes und zischendes geräusch, ich sollte im prinzip kurz vorher gewarnt sein.

Seit einigen schwimmbad-besuchen fallen mir die erstaunlichen schwimmstile der syrer auf. Eigentlich ist das schwimmen, wie wir es kennen, mit einigermaßen koordinierten und zweckdienlichen bewegungen zum fortkommen im wasser fast gänzlich unbekannt. Der syrer strampelt, mit allen gliedmaßen und hält sich so über wasser, wirbelt aber auch eine menge davon auf. Beim heutigen schwimmbadbesuch nun bin ich dahintergekommen, wodurch dieser eigentümliche stil entsteht. Er scheint eine folge des schwimmen-lernens zu sein. Das funktioniert nämlich so: die lernenden werden (meist noch in voller montur, also mit hose, unterhemt und t-shirt) ins wasser geworfen und sollen versuchen sich irgendwie über eine ecke des schwimmbades zu retten. Die strecke wird langesam verlängert, der eigentümliche, der panik vor dem ertrinken geschuldete schwimmstil bleibt. Vermutlich würde man bei uns ja zuerst mal die kleidung ablegen, denn diese zieht einen bekanntlich – wenn sie voll wasser ist – hinab. Da bei dieser form des schwimmens immer eine menge wasser in bewegung gerät, kann man sich leicht vorstellen, dass in dem bassin ein buntes treiben und planschen herrscht.

kein strom, badende shababs, missed-calls und eine win-win-situation

Gestern das dritte mal bei der ausländerbehörde um meinen aufenthalt verlängern zu lassen. Nachdem es beim letzen mal fast daran gescheitert wäre, dass der mietvertrag der wohnung in der ich beherbergt bin nicht auf meinen namen ausgestellt ist (was diesmal keinerlei problem bereitet hätte), ist nun ein neuer triftiger hinderungsgrund hinzugetreten: der vertrag lief nur bis ende juni. Zwar haben wir ihn schon um einen monat prolongiert, dies aber nicht schriftlich festgehalten. Wir wenden ohne lange zu überlegen den selben trick an, wie letztes mal: direkte bestechung. 500 lira im pass und schon bekomme ich statt der normalen zwei sogar drei monate aufenthalt (den ich gar nicht benötige, da ich ja irgendwann auch mal wieder nach deutschland zurück muss – sehr bald sogar!). Wohl eine art sonderangebot: drei für den preis von zwei monaten! Wenn man einmal begriffen hat, wie’s geht (und die hemmungen abgelegt hat dieses spiel mitzuspielen, denn am anfang kommt man sich ja schon etwas blöde vor, dem beamten einen pass mit einem geldschein drin zu überreichen), dann kann man sich mit einem solchen vorgehen prima arrangieren. Und neben dem wohl primären nachteil der fehlenden rechtssicherheit kann man aber so sehr simpel dinge kriegen, die man sonst eben nicht kriegte. Ich glaube viele ausländer in deutschland würden sich wünschen, so an eine aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Leider sind deutsche beamte aber unbestechlich und tun bekanntlich nur ihre pflcht. Und in gewisser hinsicht ist es ja der klassische fall einer win-win-situation: ich habe wenig ärger und eine aufenthaltsgenehmigung zu einem günstigen preis und der beamte hat ein kleines zusatzeinkommen ohne das er vermutlich seine familie nicht durchbringen könnte.

Am morgen mache ich erneut bekanntschaft mit problemen, die einem eine nicht vollkommen funktionstüchtige zivilisation bereitet: während ich mir die haare schneide (was ich ja immer selbst tue, damit ich mir die kratzigen haare gleich abduschen kann, obschon ich einen ausgesprochen gutaussehenden friseur zu meinem nachbarn habe) und so in etwa halb fertig bin, fällt der stom aus. Noch gerade gestern sinnierte ich vor mich hin, dass dieses jahr die stromausfälle ausgesprochen selten vorkommen und anders als letztes jahr, wo wir täglich mindestens zwei stunden keinen strom hatten, dieses jahr fast durchgehend die elektrizität fließt. Nun also gerade in diesem moment. Unpassend! Wirklich! Denn so kann ich unmöglich auf die straße gehen. Also mache ich erst andere dinge (den abwasch, das früstück – auch der zünder des gasherdes geht jetzt natürlich nicht) und warte auf den strom. Nach ungefähr eineinhalb stunden kommt er dann auch wieder und ich kann mein zuvor begonnenes werk vollenden. Wenn man einen tagesablauf hätte, in dem einzuhaltende termine auch nur eine gewisse rolle spielten, würde einem so was einen strich durch die rechnung machen. Ich habe ja zum glück als bonvivant nichts weiteres zu tun.

Um elf gehe ich mit ian ins schwimmbad der jugend „masbah al shabab“, in das man uns anstandslos einlässt. Außer uns sind allerdings überwiegend kinder dort. Aber es gibt ziemlich sauberes wasser, schattenplätze, einfache und funktionale umkleiden, duschen – comme il faut! Und ich habe mal wieder so richtiges urlaubsfeeling, denn auch wenn mein aufenthalt von außen sicher wie ein urlaub anmutet, für mich ist der aufenthalt in damaskus eher schon ein alltag und da tut wasser und sonne sehr gut! Und wasser hat man hier ja sonst wirklich nicht. Es ist ein klasse gefühl, sich im kühlen nass zu erfrischen! Dann, mit einem mäßigen sonnenbrand auf den schultern und einem sonnenstich im hirn versuche ich noch den arabischunterricht zu überdauern. Danach aber muss ich etwas schlummern – doch zuviel sonne?

Langsam merke ich, was ich schon immer unbewusst vermutete: das telefonierverhalten hier ist ein grundsätzlich anderes. Man ist sehr schnell dabei, seine nummern zu tauschen. Ich habe nach nur wenigen monaten hier so viele nummern ins handy eingespeichert, wie ich in deutschland nicht in mehreren jahren zusammen bekommen habe. nummerntausch allerorten, manchmal nur so oder weil man die nummer ja noch brauchen könnte oder um sich gegebenenfalls anrufen zu können, auch wenn man gar keinen fall wüsste, in dem man das tun sollte. Dann gibt es eine ausgeprägte kultur (oder unkultur) des missed-calls (der auch eben so genannt wird: missedcall), also des anrufens und zwei-drei mal klingeln lassens in der hoffnung, dass der andere einen (aus neugierde oder mitleid) zurückruft. Das spart dem einen telefonkosten, nervt aber auf die dauer schon, denn wenn man nicht zurückrufen möchte oder kann (aus welch widrigen gründen auch immer), wir solange gemissedcalled, bis man entnervt das telefon aus- oder zumindest leise stellen muss um seiner bisherigen betätigung weiter ungestört nachgehen zu können. Der dritte und mir zu den anderen trends im widerspruch stehende trend ist das unbeantwortet lassen von anrufen. Sehr oft sieht man, dass menschen wenn sie angerufen werden eben nicht rangehen oder (wie mein freund samer) erst nach dem dritten anruf (denn dann könnte es ja was wirklich wichtiges sein). Oftmals wird das klingelnde telefon ignoriert, obschon einen die entgegennahme des anrufes ja nichtmal etwas kosten würde, um daraufhin einen missed-call bei der einen gerade eben anrufenden person abzusetzen. Mir ist dies bisher eher ein rätsel geblieben. Nur eine idee habe ich gut nachvollziehen können: missed-calls, die mit missed-calls beantwortet werden einfach um zu zeigen, dass man an einander denkt – zumindest eine billige variante!

wüstensand, fliegender kaffee und aramäisch-sprechende christens

Es ist sehr warm und sehr stürmisch. In windeseile breitet sich in der ganzen wohnung und auf allen gegenständen dieser feine wüstensand aus. Man kann die fenster wegen der hitze aber kaum geschlossen halten, so muss man wohl oder übel täglich gegen den staub ankämpfen. Der wind tut seinen anteil dazu. Ich muss bei diesem sturm immer an das zitat aus dem almodovar-film denken, der in diesem windigen dorf spielt (volver?), in dem die hauptdarstellerin über ihre mutter sagt: „der wind hat sie verrückt gemacht“. Ich kann mir das gut vorstellen, dass wind verrückt machen kann, wenn ich das hier so erlebe. Allein schon, weil mir heute im boccelli, wo ich meinen vormittagskaffee genommen habe, der milchkaffee über tisch, tasche, macbook und kopfhörer, beine und arme (also vom winde gut verteilt) geflogen ist. Zum glück ist nicht mir das ungeschick passiert sondern dem garcon beim servieren. Die reinigung allerdings hat über eine halbe stunde in anspruch genommen und noch jetzt fnde ich kaffeespuren an orten, wo diese nicht hingehören. Das macbook allerdings scheint diese kaffee-attacke gut überlebt zu haben, denn sonst könnte ich diese zeilen jetzt nicht schreiben. Ob es die mengen an herumwehendem würstensand auf die dauer auch so gut überlebt, weiß ich nicht. Ich kann nur hoffen, dass sie das bei „designed in california“ mitbedacht haben, dass es an anderen orten heißer und sandiger sein kann. So heiß, dass der ventilator des macbooks in der tasche den ganzen tag lief, weil es sich schon durch die sonne so aufheizt, dass der aku zuhause angekommen komplett leer ist. irgendwie wohl ein belastungstest das leben hier – nicht nur für computer. Auch ich bin heute dizzie. Immerhin schaffe ich es nach dem treffen mit meinem tandempartner (heute waren die schimpfwörter unser thema – huhrensohn ist auch im arabischen eines der schlimmsten!) immerhin noch gerade in den park, wo ich erst rafik, dann ian treffe. Nach dem abendessen aber muss ich mich etwas hinlegen. Das klima? Das alter? Beides?

So verbringe ich einen großteil des tages mit rafik im park (das geht so gerade) und bei einem abendspaziergang in jeremania. Es ist schon erstaunlich, was sich hier für eine irakische infrastruktur gebildet hat. Irgendwo müssen die eine million iraker in damaskus ja sein: hier sind zumindest viele davon. Die schiiten leben ja eher in saida zeynab. In jeremania sind überwiegend die christen zuhause. Man hört neben arabisch auch aramäisch und assyrisch. Eine der beiden sprachen wurde angeblich von jesus gesprochen. Sehr modern rumlaufendes publikum. Mir fällt zum ersten mal auf, dass die balkone wirklich nur von den christen zum draußen sitzen genutzt werden, in den muslimischen teilen der stadt trocknet man höchstens seine wäsche dort; aber drauf sitzen? Wozu baut man dann riesige balkone an die häuser, als wäschetrockenraum? Naja, immerhin nehmen sie das licht für die etage darunter weg und spenden schatten für die darunter liegenden fenster. Was bei uns als nachteil wahrgenommen würde, ist hier von vorteil.

Dann besuche ich noch ein Internetcafe um etwas recherche zu betreiben. Neulich fiel bei einem besuch von ali der name hitler (glücklicherweise nicht als „hitler war toll“ sondern eher in frageform, wie das denn war/was das denn sei). Ich habe dann versucht mit händen und füßen etwas klarzumachen. Zum glück hatte ich noch den film vom nürnberger prozess auf meinem laptop, in dem es einige dokumentarische szenen aus den konzentrationslagern nach deren befreiung gibt. Ali hatte das alles noch nie gesehen. Er war schockiert und bisher ganz offensichtlich ahnungslos in dieser hinsicht. Zumindest dass hilter nicht „toll“ war, hat er glaube ich verstanden. Dennoch will ich einige weitere Informationen auf arabisch suchen. Die suche nach arabischsprachigen informationen über hitler und den holocaust aber ist eine harte sache. Erstens reichen meine arabischkenntnisse einfach noch nicht. Ich kann gerade in der google-filmsuche zurechtkommen, da ich da ja immer auch bilder sehe. Allerdings sind eben alle youtube-filme gesperrt, das schränkt die suchmöglichkeiten schon enorm ein. Zweitens kommen beim suchwort „holocaust“ ausschließich (!) flme zum sog. „gaza holocaust“ – na herzlichen glückwunsch! Bei „hitler“ kommen komödien oder – soweit ich das erkennen kann – verherrlichende filmsequenzen. Allein der russische arabischsprachige sender „russia today“ ist eine hilfe. Er hat – immer zu den jahrestagen (befreiung vom faschismus, befreiung bestimmter konzentrationslager, etc.) – nachrichtensequenzen mit historisch-dokumentarischem charakter. Fürs erste ist es das einzige, was ich finde, um es ali beim nächsten mal zu zeigen.

zwielichtige kinos, schmuddelige filme und männer wie ursula von der leyen

Freitag. Und während viele wohl lange schlafen oder den tag in der familie oder mit freunden im cafe oder park verbringen (denn die läden sind heute nun wirklich mal geschlossen und zum shoppen keine gelegenheit) und andere mittags in die moscheen gehen, gehe ich ins kino. Die kinos sind am Freitag Mittag schon erstaunlich voll. In damaskus gibt es zwei kinos, in die Mann eher nicht wegen der filme geht, sondern weil es dort dunkel ist und es dort andere männer gibt. Überhaupt gilt kino hier ja noch als äußerst anrüchiges vergnügen und nur wenige kinos genießen einen so makellosen ruf, dass sich dort auch familien oder frauen hinbegeben um dann wirklich filme zu sehen. Fast alle anderen kinos der innenstadt wären für ambitionierte cineasten eher eine enttäuschung. Was mich erstaunt ist, dass es italienische semi-pornos gibt. Das habe ich aus früheren jahren anders in erinnerung. Da gab es immer ägyptische komödien oder amerikanische action-film-verschnitte (auf die szenen reduziert, in denen möglichst viel explodiert oder sich besonders böse gehauen wurde). Meine theorie, dass Mann diese kinos nicht aufsucht, um die filme zu sehen, wird wegen der nun laufenden semi-pornos daher wohl eher eine theorie mittlerer reichweite sein. Noch erstaunlicher: der balcon (immer schon im hotspot des geschehens am rande des filmes) ist nun zweigeteilt. Ein schild weist wie ehedem auf den balcon, der andere aufgang ist mit „familienabteilung“ bezeichnet. Was dort aber um himmels willen nicht hochgehen sollte, ist eine familie. Oh nein! Das schild „familienabteilung“ deutet darauf hin, dass sich dort heterosexuelle pärchen (ungestört vom homosexuellen treiben diesseits der spanplattenabsperrung) vergnügen können. „schweinkram“ denke ich! Was ist nur aus syrien geworden? Wohin sind all die schönen traditionen? Immerhin: die bisquits und tee verkaufende tunte ist noch da und immer noch so charmant wie seinerzeit. so verbringe ich dort eine gute stunde, die meiste zeit im staunen über den film, der wirklich nicht schlecht ist. ein erschütternder film, der mit psychedelischer musik und wunderschönen bildern die traurige geschichte von leichten mädchen im unbarmherzigen strudel von party, prostitution und drogen erzählt. Ach die italiener!

Danach versuche ich erfolglos, eine karte für eines der wenigen anständigen kinos zu bekommen, in dem heute im rahmen eines der vielen internationalen filmfestivals dieser stadt angeblich ein deutscher film laufen soll. Aber es gibt keine tickets, da alles frei ist. man muss einfach ins kino gehen. Kein eintritt, gratis, umsonst! Ja, das ist ja fast sozialismus. So gehen wir also am abend noch mal ins kino – diemal mit gänzlich anderer intention und bei einem vollkommen anderen publikum. Der film startet auf die sekunde genau. Keine werbung, kein vorfilm und es ist auch nur ungefähr ein drittel des publikums zu spät, so dass man der handlung schon nach etwa zwanzig minuten ungestört folgen kann. Zu diesem filmfestival gibt es auch (wie ich jetzt feststellen muss) ein programm. Das liegt aber nur in dem kino aus, in dem die filme gezeigt werden. Leider ist das kino nur geöffnet, wenn die filme gezeigt werden, so dass es unmöglich ist, ein solches programm zu bekommen um sich im voraus zu informieren. Aber gochglanz-vierfarbdruck! Schade, dass das programm niemand kennt. Man hätte es ja z.b. an einschlägigen orten (cafes, buchläden, anderen kinos) auslegen können. Nun ist das festival fast vorbei und hunderte dieser schönen programme liegen sich hier platt.

Der heutige hamambesuch gestaltete sich zur hunde-haarmoden-schau. Die angestellten des hamams werden an ort und stelle von einem friseur frisiert. Und das, wo ich schon seit geraumer zeit sage: gehen sie nie in damakus zum frisör! Man schnippelt an allenmöglichen stellen herum und hinterher sehen sie so aus, dass sie unmöglich auf die straße gehen können. Und so passiert es. Als ich den nassbereich des hamams wieder verlasse und den friseur noch immer am selben kopf wie bei meinem eintritt ins dampfbad herumschnippeln und -fönen sehe und dann das erschütternde ergebnis betrachte, ereilt mich ein lachkrampf. Der angestellte sieht nun auf dem kopfe aus, wie ursula von der leyen (vor ihrem styling-relaunch). Der neuste schrei: langhaar-fönfrisuren für den herrn! Wer’s mag...

Böse blicke, zukünftige labore und verschwundene giftkanonen

Am morgen in aller herrgottsfrühe müssen wir aufstehen um zum flughafenbus zu fahren, denn thomas fährt heute leider wieder ab. Danach gehe ich schon um acht ins costa unter dem bocelli, denn alles andere ist um diese zeit in damaskus noch nicht geöffnet. Gleich benehme ich mich daneben. Erst setze ich mich hin, ohne etwas zu trinken zu holen, wer kann auch ahnen, dass das ein selfservice-laden ist? dann hole ich mir was, aber setze mich an die falschen tische (nicht vom costa, die dunkel sind, sondern von segafredo, die hell sind) und ernte gleich böse blicke des personals. Dann verschütte ich beim versuch, unter den wackeligen tisch eine serviette zu bugsieren den kaffee. Als mir neuer gebracht wird (vermutlich hatten sie schon überlegt, einen pfleger für mich abzustellen), schmeiße ich zu guter letzt dann auch noch das milchkännchen auf den boden, das mit einem lauten klirren dort zerschellt. Ich werde mich so schnell nicht mehr dort blicken lassen können.

Danach getreu dem motto der stadt damaskus „shop untill you drop“ ein rieseneinkaufsbummel. Ab und zu muss ja eben mal alles nachgekauft werden. Vor die größten probleme stellt mich die wahl des richtigen waschmittels. Nicht nur, dass die waschmaschine schon gnadenlos schlecht wäscht, so dass ich bei weißwäsche immer bleach zugeben muss, damit man das nach der wäsche noch als weißwäsche erkennt; auch die trockene hitze (und der damit verbundene schnelle trocknungsprozess) verbrennt die wäsche geradezu. Die frau von rafik gab mir nun den tipp, immer nachts die wäsche aufzuhängen, damit sie nicht so schnell trocken wird (sie ist dennoch mitte der nacht schon trocken aber eben vielleicht nicht nach einer sondern erst nach drei stunden). Zusammen mit den hier gnadenlos aggressiven waschmiteln sieht meine wäsche inzwischen arg ramponiert aus. Was reinheit, farbfrische und spannkraft des stoffes angeht genügt sie westeuropäischen standards schon lange nicht mehr. Um die melonenernte vom feld zu holen geht es noch gerade, aber ich befinde mich hier ja inmitten einer städtischen zivilisation ersten ranges und muss etwas auf mein auftreten achten. Nach langem suchen habe ich ein „aril“ genanntes mittel gefunden, das wohl eine billige fälschung von ariel sein soll und angeblich ständiger kontrolle eines „future technologies la boratories“ in paris – also eines zukünftigen labors, bzw. la bors! - unterliegt. Na dann herzlichen glückwunsch! Auf jeden fall bekam ich vom duft, der das halbe stadtviertel beduftet hat, gleich einen schlimmen niesanfall.

Am abend treffe ich dann noch rafik im park, wo es schlimm voll ist. der sommer treibt die leute des nachts auf die straßen und ich freue mich auf durchwachte nächte und verschlafene tage. Allerdings werden mir das erste mal die mücken bewusst. Bisher war ich davon ausgegangen, dass diese aufgrund der trockenheit hier nicht überleben. Mir waren auch in all den letzen jahren keine mücken begegnet. Allerdings gab es in den letzten jahren auch diese tollen lastwagen mit der giftkanone drauf. Die fuhren regelmäßig durch die straßen und versprühten (ein sicher für menschen total ungefährliches) insektengift. Da sie so ein dröhnendes zischen, was man schon von weither hörte, abgaben, war ich immer schon gewarnt und habe dann schnell einen laden oder einen hauseingang aufgesucht und gewartet, bis sich die gröbste giftwolke wieder verzogen hatte. Danach war damaskus immer absolut insektenfrei. Seit monaten aber nun sehe ich diese giftkanone nicht mehr. Und erstaunlicher nebeneffekt: es sind wieder vögel in der stadt! Die ernähen sich ja glaube ich von insekten und die hatten die letzten jahren hier nicht viel zu lachen (und zu essen) und waren dementsprechend seltene gäste. Vermutlich ist dies alles den bemühungen in sachen umweltschutz geschuldet und sicher in ökologischer hinsicht total begrüßenswert. Allerdings waren die mücken (denen offenbar kleinste wasservorräte im bewässerten park für ihre fortpflanzung reichen) wieder zugegen und haben mit den aufenthalt nicht gerade versüßt.

Dienstag, 22. Juni 2010

ordnungsgemäße fehlauskünfte und fremde vergnügungs-planeten

Das Hotel in latakia hatte zwar mehr komfort als die kellerzellen der zuvor besichtigten burgen (wenn auch nur unwesentlich), war aber ganz und gar nicht der burner. Latakia überhaupt hat ein problem mit hotels. Es gibt glaube ich keine guten und bezahlbaren. Die meisten menschen hier mieten diese „chalet“ genannten ferienwohnungen in der touristenzone im norden der stadt, was uns jedoch für die kurze zeit zu aufwändig erschien, da man nicht nur einen kontrakt schließen muss, sondern auch dinge wie bettwäsche und handtücher selbst mitzubringen hat und keinerlei frühstück erhält. So hatten wir ein „suite“ genanntes, unpraktisch geschnittenes zimmer, in das vom dach der wassertank tropfte und in dessen mikroskopisch kleinem bad (ohne duschgelegenheit) die klospülung nicht funktionierte. Dafür drang permanent zigarettenqualm von nebenan und der odeur der abluft des fischrestaurants von unterhalb ein. Wer so ein zimmer „suite“ nennt, dem ist entweder ein übersetzungsfehler unterlaufen (und er wollte es abstellkammer taufen) oder er hat schlicht einen knall. Immerhin war es direkt gegenüber der hafenanlagen gelegen und hatte einen schönen blick aufs wasser und die an der hafenpromenade flanierende homosexuellen-gemeinde der stadt. Dort gab es dann abends noch gelegenheit etwas arabisch zu praktizieren (die sprache meine ich! – das ist keine bisher unbekannte spielart wie französisch oder griechisch, nein!).

Der letzte tag unseres trips stand dann ganz im zeichen der Autofahrt. Das war zwar nicht so geplant, hat sich aber so ergeben. Eines unserer ziele, die qala marqab (ebenfalls eine kreuzritterburg – ja, eine perverse tour!) lag an einer kleinen straße, die angeblich weiter zu einem unserer nächsten ziele führen sollte, das aber nicht tat. Wir haben auf jeden fall den weg nicht gefunden und sind nach mehreren stunden fahrt im prinzip dort wieder herausgekommen, wo wir am morgen losgefahren sind. Das lag natürlich auch daran, dass einem ein syrer auf die frage nach dem weg nicht ordnungsgemäß mit „da habe ich keine ahnung“ antworten kann, sondern einen aus purer freundlichkeit in irgendeine richtung schickt. Der nächte den man fragt, schickt einen dann wieder zurück, der dritte in eine neue richtung und so weiter. Jede wegbeschreibung wird mit so genauen details ausgeschmückt, dass man den eindruck gewinnt, derjenige wisse wovon er spricht und kenne den weg. Aber weit gefehlt! Kurz bevor wir uns aus verzweiflung von einer der zahlreichen burgen in den tod stürzen wollten, finden wir dann doch noch ein gutes restaurant (in safita) und danach auch den weg zur autobahn. Auf einer autobahnraststätte an der wir unsere von den strapazen der fahrt ermüdeten leiber laben wollen, geraten wir mitten in den trubel eines lunaparks. Eine autobahnraststätte als vergnügungspark! Schiffsschaukel mit gesang und animation, autoscooter (wo man schon mal vorwegnehmen kann, wie rasant man gleich fahren wird) und tretboot-teich. Erstaunt und müde steht man im trubel und fragt sich, ob man sich eventuell im planeten geirrt hat.

maschinenpistolte verkehrspolizisten und erfolglose kreuzzügler

Unsere nächste station ist hama. Durch den schnellen und im vergleich zu damaskus deutlich aggressiveren verkehr der stadt. Die ampeln hier sind alle mit rückwärts zählenden sekundenanzeigen ausgestattet, die in die lichter integriert sind, so weiß man immer, dass man sich zu beeilen hat. Überhaupt scheint mir, dass man in damaskus am gelassensten fährt. Dort ist der verkehr zwar sehr unorganisiert und chaotisch aber nicht schnell, nicht hektisch und gar nicht aggressiv. An einem kreisel wird der verkehr von verkehrspolizisten geregelt, die statt ihres stocks (den verkehrspolizisten sozusagen als verlängerung ihrer arme und ihrer autorität immer haben) mit lässig umgehängten maschinengewehren den verkehr regeln. Ein eher gewöhnungsbedürftiger anblick und ich frage mich, ob die ursache im verkehr selbst liegt (eben der hang der hamaser – oder hamalesen? – zum aggressiven fahren) oder ob es politische gründe gibt. Die frage konnte nicht abschließend gekärt werden. Immerhin beruhigen auf der autobahn (oder eben dem, was hier als solches deklariert wird) alle 500 meter umbiegespuren, die mit „zurück nach damaskus“ und einem scharfen links-pfeil beschildert sind. Alle 500 meter! Als ob man gewarnt werden soll weiter zu fahren.

Dann folgt das ende der ausbaustrecke. Immerhin ist die autobahn schon im bau und nach wenigen kilometern kann man an einer stelle durch die aufgebrochene betonsperre auch irgendwie wieder auf diese fahren. Allerdings sind weder schilder, noch markierungen und schon gar keine zeichen, wer wo in welche richtung zu fahren hat angebracht und so ist noch nicht ganz klar, ob sich der rechtsverkehr auch hier durchsetzen wird. Zur zeit waren auf beiden seiten der autobahn fahrzeuge in beide richtungen unterwegs, wobei manche einem links, andere rechts entgegenkamen. Ebla selbst ist – nunja, wie soll man es sagen? – wieder eine dieser ausgrabungsstellen. Immerhin lag es wohl an einem alten handelsweg, war groß, bedeutend und all sowas. Trotzdem hätte ich gerne ne cola oder zumindes einen kaffee getrunken. Aber: fehlanzeige! Auch hier nur steine, sand und staub! Nach einer wohlverdienten pause und weiteren dreieinhalb stunden fahrt errechen wir die kreuzritterburg qala salahadin, die riesig ist und inmitten bewaldeter schluchten auf einem berge liegt. Eine vollkommen absurde gegend! Ich meine dass man schon bei der auswahl dieser orte hätte sehen können, dass die kreuzzüge keine erfolgsgeschichte werden. Mitten im nichts liegt dieser mühsam erbaute koloss aus riesigen steinen. Und die verließe ohne jeden komfort! Immerhin diente die burg (nachdem die kreuzritter die erfolglosigkeit ihres unterfangens eingesehen hatten und wieder abgezogen waren) noch weiteren bewohnern als stätte ihres wirkens. Erst den arabern beim kampf gegen die osmanen, dann den syrern beim kampf gegen die französische mandatsmacht. So hat sich der bau wohl inzwischen amortisiert.

staubige, alte steine, stasi-stadtbilderklärer und waschmittelmessens

Am morgen fahren wir zur autovermietung, wo wir – wie letztes mal – sehr unkompliziert unseren vorbestellten wagen erhalten. Dabei ist er diesmal nicht ganz so gut in schuss, was mir allerdings besser gefällt, da man im straßenverkehr hier ja gerne mal auf tuchfühlung geht. Manchmal steigen die menschen nichtmal aus, wenn es einen kleinen auffahrunfall gegeben hat um zu sehen, ob etwas kaputt ist, solange der motor noch arbeitet und alle räder dran sind, geht es weiter durch den munteren verkehr. Da kann ein wagen, der schon die ein oder andere schramme aufweist nur von vorteil sein. Unsere erste station ist qadna, eine alte stadt, die vor vielen tausend jahren wohl mal so was wie eine blüte erlebt haben muss, nun aber unter einem haufen sand etwas nord-östlich von homs begraben liegt und gerade ausgegraben wird. Einerseits ein erstaunlicher ort und beeindruckend, dass dort und wie dort menschen gelebt haben. Andererseits ist es so wie mit ausgrabungsorten immer: viel staub, sand, alte steine und da hier so wenig touristen unterwegs sind und es sich nicht zu lohnen scheint, nichtmal ein cafe, in dem man den sand aus der staubigen kehle spülen könnte.

Beeindruckend, wie gut überwacht alles ist. schon auf der straße werden wir von freundlichen, uniformierten herren ausgefragt, woher wir kommen, wer wir seien und wohin wir wollten. In qadna selbst dann sofort von einem motorradfahrenden geheimpolizisten, der sich schlecht als führer tarnt (nicht der führer, nein! Stadtbilderklärer meine ich) beschattet und ausgefragt. Die datensammelwut macht nichtmal vor der handynummer der mitarbeiterin des büros in dem wir unseren wagen gemietet haben halt. Unnötig zu erwähnen, dass zuvor noch in etwa hundert andere daten erhoben werden (incl. Nummernschild, mietwagenfirma, fabrikat und baureihe unseres wagens – eines nissan sunnys – unserer passnummer, handynummern, zimmernummern im hotel, hoteltelefonnummern, unserer handynummern und so weiter). Danach haben wir uns noch eine in der landschaft stehende araberburg angesehen (ja, nicht nur die kreuzritter haben hier burgen gebaut, aber man muss schon sagen, dass die kreuzritterburgen bei weitem beeindruckender sind) und sind nach hama weitergefahren. Hama ist bekannt wegen der wasserräder, welche wasser mit schaufelrädern auf ein höheres niveau heben. Damit haben die menschen hier schon vor urzeiten (als sich in europa alle gerade noch mit keulen die schädel plattgeschlagen haben) nicht nur ein höheres wasserniveau, sondern eben auch ein höheres zivilisatorisches niveau erreicht. Schöne bauten, brunnen und hamams zeugen davon.

Allerdings machen diese wasserräder einen schrecklichen lärm. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass sich drehende räder einen solchen verursachen, aber es hört sich an, als ob in nachbars garten permanent mit einer motorsäge gearbeitet würde. Und das tag und nacht. Was die menschen nicht alles ertragen! Allerdings eben nur dann, wenn gerade wasser in der stadt ist, was eben jetzt der fall ist. ich war schon mehrmals zuvor in der stadt und immer war dort, wo jetzt wasser ist und eben auch die sich drehenden räder sind, nur eine unerträglich stinkende und modernde kloake. Da war nix mit drehen, kein lärm aber dann eben auch keine luft, die man hätte atmen können. Hama (nicht nur wegen der wasserräder bekannt, sondern auch wegen der moslembrüder, die hier in den 80er-jahren stark waren und gegen die der vater des jetzigen präsidenten mit aller gewalt vorgegangen ist) ist eine wirklich schöne stadt. Zumal, wenn dort gerade das frühlingsfestival und eine blumenausstellung stattfinden. Überall fleuriert es, man singt, tanzt und spektakelt so vor sich hin. Bis spät in die nacht treten sängerinnen und sänger auf und führen zu partystimmung allerorten. Besonders beeindruckend fand ich einen markt, der sich anscheinend ganz dem thema waschmittel gewidmet hatte (wohl so eine art konsumentenmesse). An die einhundert marktstände, die alle nichts anderes als reinigungs- und waschmittel feilboten. Allerdings in den unterschiedlichesten varianten und verschiedenster fabrikate. Ja reinigungsmittel scheinen ein schier endloses thema zu sein, und geradezu eine obzession der syrer.

komplizierter käsetransport, altertümer und ungute autovermietungen

Als wir in neulich el-hasakeh waren, kam Rafik auf die idee, von dort käse mitzubringen. Der sei gut und lecker. Das hätte man einfach machen können. Dazu wäre man in einem laden gegangen, hätte 5 oder 7 kilo käse gekauft, den verpackt und mitgenommen. (zuvor hatte Rafik noch die beförderungsbedingungen auf der rückseite des fahrscheines studiert, denn dort stand erstaunlicherweise, dass weder waffen, noch sprengstoff oder drogen mitgenommen werden dürften, aber von käse war dort nichts zu lesen.) dann machte der hotel-rezeptionist das angebot, er könne den käse auch etwas billiger besorgen und ihn nach damaskus schicken (mit dem busunternehmen, die transportieren auch sachen – aber eben keine waffen und so’n zeug). Meine mehrfach und deutlich vorgebrachten bedenken, dass das beim kauf gesparte geld (in etwa 400 oder 500 lira) dann sicher für transport wieder drauf ginge und evtl. noch mal durchgerechnet werden müsse, ob sich dieses verfahren nun wirklich lohne, wurden in den wind geblasen.

Vorgestern nun also hatte der käse damaskus aber damit noch lange nicht sein ziel erreicht. Zuerst ging Rafik zur abholung in das innenstadt-büro der transportgesellschaft. Es wäre zu schön gewesen, den käse dort in empfang nehmen zu können. Dort aber teilte man ihm mit, er müsse nach harasta (200 lira taxifahrt – eine strecke) ins express-büro fahren, was er auch sogleich tat. Dort angekommen, stellte sich heraus, dass der transport so teuer war (500 lira), dass Rafik nicht genug geld dabei hatte, um den käse auszulösen und gleichzeitig den transport zu bezahlen. So führ er unverrichteter dinge wieder nach hause um geld zu holen und dann abermals nach harasta. Leider macht das express-büro aber um halb acht zu. So stand er vor verschlossenen türen und musste nun ein zweites mal unverrichteter dinge die heimreise antreten (inzwischen 800 lira taxikosten). Heute morgen nun also machte er sich ein weiteres mal auf den weg, nun mit ausreichend bargeld ausgestattet und zu den üblichen öffnungszeiten. Alles schien auf eine erfolgreiche mission hinzudeuten, aber dann entstand eine weitere unvorhergesehene komplikation: auf dem lieferschein war ein buchstabe seines nachnamens falsch. Statt eines t, war dort ein k geschrieben worden. Die mitarbeiterin des transportbüros wollte nicht gelten lassen, dass alle anderen daten (namen, adressen, telefonnummern) richtig waren und maged musste auf den leiter der abteilung (der gerade in einer wichtigen sitzung und daher nicht zu sprechen war) warten, um diesen oberverantwortlichen höchst persönlich davon zu überzeugen, dass die – inzwischen ja wertvoll gewordene – fracht wirklich für ihn bestimmt war. Nach zwei stunden wartezeit konnte er seinen käse dann endlich in empfang nehmen. Wenn ich böse sein wollte, dann könnte ich sagen: eine schöne lektion in arabischem denken! Rafik ist noch immer davon überzeugt, ein schnäppchen gemacht zu haben.

Nach dem frühstück gehen wir zu budged und reservieren ganz unkompliziert einen wagen ab morgen für drei tage. Ich ziehe eine solide autovermietung vor, denn Ali berichtet mir von dem desaster mit seiner autovermietung, bzw. mit dem gemieteten wagen. An ersten morgen war grundlos die batterie alle. So konnte der wagen nur mit mühe gestartet werden. Da seine eltern in der pampa wohnen, ist es auch ein hochkomplizierter vorgang einen wagen des nachbarn als starthilfe zu organisieren, denn erstens gibt es kaum nachbarn und zweitens haben die alle keine wagen. Dann ist – zum glück bei langsamem tempo – ein reifen geplatzt. Reifenwechsel war die zweite freude die der wagen bereitet hat. Zu guter letzt wurden sie von der polizei angehalten, da die nummernschilder nicht zu lesen waren (durch die sonne verblichen? Durch übermäßiges schrubben? Schlechte farbe? Was auch immer!) und sie daher eine strafe zahlen sollten. Da das ja aber der wagen der mietwagenfirma ist, hatte ali das gar nicht eingesehen, dass er dafür verantwortlich gemacht werden sollte. Die firma allerdings eben auch nicht (absurdistan!). es hat wohl viele nerven und einen tag besuche bei polizeistationen und im büro der mietwagenfirma gekostet das alles zu klären. Zudem erstaunten mich die konditionen: da es hier ja keine kreditkarten gibt, deren blanco-formular als sicherheit für die 500 dollar kaution herhalten könnte, wird als sicherheit ein blanco unterschriebener und mit fingerabdruck versehener zettel genommen. Auf diesen könnte ja aber alles (auch das vorhaben lebenslang eine rente zu zahlen, das geständnis einer straftat oder die beichte, die tochter des firmenbesitzers geschwängert zu haben und nun alimente zahlen zu wollen) geschrieben werden, was man dann schon unterschrieben hätte. Komisch! und drei scheckvordrucke über je 100.000 syrische lira, was zusammen fast 5000 euro ausmachen würde als zusätzloche sicherheit. Da ist doch dem missbrauch tür und tor geöffnet. So kann einen ein angemieteter wagen ruinieren!

Wir haben daher also eine solide vermietung gewählt. Unser verwegener plan ist, nach hama, homs, ebla und lattakia zu fahren. Dort vor allem altertümer anzusehen. Das sind diese alten von den römern oder anderen stehengelassenen steinhaufen, die hier überall rumstehen. Ein paar tage sind da aber auch genug, sonst kann man mich in eine anstalt einliefern.

4-eckige tassen, luftige cafes und touristengerechte umstrukturierungs

Lese nach dem arabischkurs (ich bin heute richtig gut) in der syria forward, dass die altstadt von damaskus nun schon für den verkehr (außer anwohner und lieferanten) gesperrt ist. man habe 70 elektro-taxis (!) und mehrere elektro-bahnen (!!!) eingerichtet, mit denen man sich bequem bewegen könne. Ich muss da dann wohl doch mal wieder hin. Wenn man hier lebt, geht man ja nicht so oft in die altstadt, nur wenn besucher aus deutschand zugegen sind, um ein touristenprogramm zu absolvieren. Deprimierend ist die begründung dieser ganzen umstrukturierung: man wolle den touristen mehr raum und mehr ruhe und möglichkeiten geben, die altstadt zu entdecken, sie solle überhaupt touristisch weiter erschlossen werden und man habe den plan, sie analog zu den innenstädten europäischer länder schick, ordentlich, glatt und sauber zu gestalten. Rafik meint ganz trocken, er fände das alles scheiße, die stadt solle so bleiben wie sie ist. und ich befürchte auch, dass diese entwicklung der stadt den letzten charme nehmen wird und die einzigartigkeit, mit der sie sich bis heute von anderen (auch arabischen städten) unterscheidet. Schade, dass dieser globale umstrukturierungsdruck ganz offenbar vor nichts haltmacht.

Gehe dann mit Rafik noch das neue handy kaufen und seine nummer wieder reaktivieren. Bei syriatel ist eine warteschlange, die einem ostdeutschen arbeitsamt alle ehre machen würde. Wir haben nummer 138, es leuchtet die 26. Daher gehen wir erst das handy kaufen, dann die dazugehörige nummer wieder aktivieren. Unklare angaben gibt es dazu, inwieweit syriatel in der lage ist, die telefonbucheinträge, die auf der sim-karte gespeichert waren, wieder zu rekonstruieren. Freunde hatten berichtet, dass es für ungefähr 4 euro extra, möglich sei, dies zu tun. Ich überlege kurz, was das hieße: syriatel hätte all meine nummern und vor allem die entsprechenden dazugehörigen namen (mehr noch: meine persönlichen bemerkungen, notizen und alle zusätzlichen manchmal mit dem namen abgelegten informationen). Zum glück behauptet die freundliche angestellte, dass dies leider nicht möglich sei. Ich bin mir nicht sicher, ob mich das wirklich beruhigen soll, denn freunde haben glaubhaft berichtet, sie hätten all ihre nummern nach einem telefonverlust ohne probleme von syriatel zurückbekommen.

Gehen dann im beit zaman einen kaffee trinken. Dort hat man die ursprünglich sehr stilvollen alten tassen gegen neue designerwahre ausgetauscht. Nicht alles neue ist besser als alles alte – hier irrte brecht! Die neuen tassen sind nämlich viereckig. Und eine viereckige tasse hat es an sich, dass es schwierig ist, aus ihr zu trinken, da einem neben dem mund links und rechts auf breiter bahn der kaffee aus der tasse läuft, wenn man sie an den mund führt und zum trinken neigt. Man wünscht sich eher eine schnabeltasse. Eine viereckige tasse ist nur etwas für breitmaulfrösche und es will sich mir nicht erschließen, warum ein designer so etwas überhaupt entwickelt und warum dann ein cafehausbesitzer kein probetrinken veranstaltet, bevor er sein cafe mit diesen tassen ausstattet.

Eine andere entwicklung im gastronomischen bereich betrifft das rauchverbot. Dieses als durchschlagenden erfolg zu bezeichnen verbietet der anstand. Nach einem oder zwei tagen an denen man wirklich einen unterschied wahrnehmen konnte, muss man nun nüchtern konstatieren, dass der alte zustand wieder herbeigeführt wurde. Alle rauchen überall. Das erstaunt, wo man doch denkt, in einer diktatur sagt der diktator, was sache ist und alle müssen es machen. Aber weit gefehlt! Das einzige, was sich geändert hat ist, dass in vielen cafes (casablanca, havanna und al kamal lagen heute auf unserem weg) die glausscheiben aus dem fenstern entfernt wurden. Nicht nur am tag sondern komplett und für immer aus den rahmen! Die läden mit teils beeindruckenden fensterfronten sind nun komplett entglast. Das führt zu frischer luft im inneren aber im winter eben auch zu kälte und dazu, dass ein solcher laden im prinzip ja nie schließen kann, da er nie zu verschließen ist. ob sich damit das strenge auge des gesetzes erweichen lässt, wage ich nicht zu sagen, denn das gesetz sprach ursprünglich nicht von frischer luft durch geöffnete fenster, sondern von rauchfreien cafes dort, wo ein dach drüber ist und das wurde (noch) nicht weggerissen.

demonstrationen gegens rauchen und pflaster mit sekundenkleber

Gestern vollauf beschäftigt mit internetcafe (in deutschland ist meine existenz offenbar der vergessenheit anheimgefallen – wenn man die antwort-quote auf meine emails als indiz nimmt), unterricht (vier stunden!) und anschließendem hamambesuch (zu voll und zu nervig). Als ich nach hause komme, ist zwar gekocht (mein zweites leibgericht: huhn mit kartoffeln und koriander) und die kaputte fensterscheibe ist auch repariert (sogar mit fensterkitt und für insgesamt nur vier euro – dafür würde bei uns ein glaser gerade mal einen blick auf die zerborstene fensterscheibe werfen) aber von rafik fehlt jede spur. Das ist merkwürdig, denn seine schuhe, sein oberteil und seine tüte sind noch da. Telefonisch ist er nicht zu erreichen. Spät erst kommt er nach hause. Vollkommen derangiert. Er habe sein telefon verloren und als er das hier bei mir bemerkte, sei er hals über kopf (eben in unterhemd und mit hausschuhen) auf die straße gestürmt und habe alle stationen des heutigen tages (mit ausnahme der mikrobusse die er benutzt hatte) wieder abgesucht, aber sein telefon war unauffindbar. Das ärgerlichste bei so was ist immer der verlust der nummern. Er bekommt innerhalb von 24 stunden von syriatel seine alte nummer wieder, aber sein telefonbuch ist verloren. Sein gerät kann man ersetzen (sogar ein besseres kaufen das auch musik spielt, wie er es gerne hätte) aber die nummern: man ist davon abhängig, dass die leute einen anrufen um sie wiederzukriegen.

Ich merke, dass meine malade schulter nicht wirklich besser wird. Das pflaster brennt zwar oberflächlich furchtbar, scheint aber in den betroffenen sehnen keinerlei wirkung zu entfalten. Dafür ist meine haut inzwischen rot und löst sich ab. Das pflaster ist zudem mit einem so starken klebstoff (vermutlich sekundenkleber) versehen, dass es sich sowieso nicht mehr rückstandsfrei von meinem geschundenen körper entfernen lässt. Gestern im hamam wurde ich von jedem auf das pflaster angesprochen. Man vermutete darunter eine neue tätowierung (!). wie gern hätte ich den mich begleitenden schmerz gegen eine solche eingetauscht und wie banal war es dann doch immer antworten zu müssen, dass es sich lediglich um ein schmerzstillendes (aber eben seinem namen keine ehre machendes) pflaster handelt. Ich habe es dann (nachdem ich von ca. 10 leuten darauf angesprochen wurde und vermeiden wollte, auch noch weitere 20 male diese ernüchternde antwort geben zu müssen) entfernt, bzw. versuche diesbezüglich unternommen, die eben als mäßig missglückt gelten müssen. Ich muss mir aus deutschland ein anständiges abc-pflaster mitbringen lassen.

Dann treffe ich mich mit meinem tandempartner. Wir übersetzen diese schönen transparente, die überall hängen und sehr akkurat handgemalte parolen zu bieten haben. Vermutlich sitzen da ganze kollektive von werktätigen wochenlang und malen (anstatt sich ihrer arbeit zu widmen) transparente, auf denen sie ihre unverbrüchliche treue mit dem präsidenten (oder wem auch immer) bekunden.

Eines dieser transparente ruft zu einer demonstration gegen das rauchen auf. Das ist ein geschickter schachzug, denn das nun seit einigen wochen geltende absolute rauchverbot hat nicht nur freunde (um es mal vorsichtig auszudrücken). Das verbot wurde anscheinend nicht von einer entsprechenden kampagne flankiert, die über gesundheitliche schäden des rauchens aufklärt. Die meisten raucher (und rauchen tun wie gesagt fast alle) wissen vermutlich gar nicht, dass das rauchen gesundheitsschädlich sein kann. Demensprechend verständnislos stehen sie dem verbot gegenüber. mein taxifahrer gestern zum beispiel meinte, der stau im abendverkehr sei nun wegen des rauchverbots viel schlimmer geworden. Überhaupt sei das ganze leben wegen des rauchverbots nun nicht mehr lebenswert. Und tatsächlich lassen sich erste subversive bestrebungen gegen das verbot erkennen. Während in den ersten tagen die aschenbecher weggeräumt waren und die cafes leer blieben, stehen heute zum beispiel im cafe havanna wieder aschenbecher auf den tischen und die anwesenden gäste rauchen wie zuvor. Eine demonstration, bei der die werktätigen massen (zumindest alle beamten und behördenmitarbeiter) ihre unterstützung dem neuen rauchfreien regierungskurs gegenüber beteuern, kommt da gerade zur rechten zeit. Ich finde die idee einer demonstration gegens rauchen so phantastisch, dass ich überlege noch gleich weitere demonstrationen vorzuschlagen. Warum nicht eine demonstration gegen fußpilz?

florale polizei-motorräder und temporale absichtserklärungen

Wettertechnisch ist es zwar inzwischen sehr heiß (38 grad), aber so stürmisch, dass mein fenster im salon dem wind nicht hat standhalten können. Es ist aufgesprungen und mit einer solchen wucht gegen den fensterrahmen geprallt, dass die scheibe zersprungen ist und sich in tausenden glassplittern im raume verteilt hat. nun muss ich mich also um einen glaser kümmern und bis dato in einem gut gelüfteten wohnzimmer ausharren. Zum glück hatte sich meine vormittägliche putzwut nur auf küche, flur und schlafgemach konzentriert, so dass ich den wohnraum morgen reinigen kann und nun wohl auch muss. Apropos muss: das syrische kennt (in der umgangssprache) anscheinend die guten modalverben (können, müssen, sollen, dürfen, wollen) kaum, bzw nur eingeschränkt, wie ich heute beim unterricht feststellen musste. Müssen und sollen sind eins. Wollen und mögen auch.

Andere sprachliche besonderheiten ergeben sich eher aus der blumigkeit der rede, denn aus dem mangel an wörtern. Das in einem fort geäußerte „i miss you“, das, wenn man es ernst nehmen würde ja recht bedeutungsschwer ist, sollte man nicht ernst nehmen. „Mischtalak“ – ich vermisse dich, wird hier bei allen gelegenheiten von sich gegeben. Spätestens, als ein entfernter bekannter meinem arabischlehrer, den er nur einmal zuvor in meiner wohnung gesehen hatte, zufällig wieder begegnete und ihm dabei „ich vermisse dich“ sagte, hatte ich begriffen, dass es sich um eine nette art des „hallo“-sagens handeln muss. Ebenso wie die frage „brauchst du etwas?“ – „biddak schi?“ wenn man auseinandergeht. Würde man dann noch äußern wollen, was man alles so brauche, käme man ja gar nicht weg. Aber bis ich mich an so was gewöhne, dauert es immer etwas. Man fühlt sich ja wirklich gemeint, bzw. angesprochen und ahnt erst gar nicht, dass es sich gleichsam nur um standardisierte sequenzen einer kulturell bedingten rede handelt.

Im syria forward magazin wird nicht nur über die neue hotline gegen häusliche gewalt berichtet (immerhin wird das thema hier jetzt offenbar angegangen), sondern auch über die planung, die damaszener altstadt zu einer fußgängerzone zu machen. Ja, wahrhaft revolutionäre entwicklungen! Treffe mich dann mit Ian im park. Er ist – anders als die meisten syrer – ja immer auf die minute pünktlich. Rafik hingegen, der sein erscheinen für vier uhr projektiert hatte, meldet sich gegen acht. Zeitangaben und termine sind – wie ich bei roes auch schon mal gelesen habe – hier eher absichtserklärungen denn maß. Wenn man sagt, man sei in fünf minuten da, heißt das nur, man wäre gerne in fünf minuten da, ungeachtet dessen, dass man sich noch ca. eine dreiviertelstunde wegstrecke entfernt befindet. immerhin gehe ich mit ihm dann noch einen tee trinken und dann suchen wir spät am abend noch eine die nacht-apotheke in fahami auf, um für meine immer noch schmerzende schulter pflaster zu kaufen, das eine hitzewirkung entfalten soll. Während ich dies hier schreibe, habe ich gerade eine wie feuer glühende schulter. Die schmerzen sind aber eher stärker als schwächer. Nun, inscha’allah wird die nachtruhe es richten. Der apothekenbesuch war allerdings sein weniges geld wert. Es wurden vor ort kleinere operationen und injektionen vorgenommen. In einem fort wurden kindern und erwachsenen dinge gespritzt, wozu man bei uns sicher einen arzt aufsuchen müsste. Praktisch!

Schön war heute auch der blumenschmuck auf zahlreichen polizei-motorrädern. Auf ihnen war (neben einer syrischen fahne) jeweils ein großes blumengesteck angebracht, so dass sie mehr wie blumenständer als wie fahrzeuge aussahen. Angeblich war der grund, dass heute der jahrestag der inauguration des präsidenten in sein amt war – oder etwas anderes wichtiges. Ein schöner anlass! Angela merkel sollte sich überlegen, den jahrestag ihrer machtergreifung ebenfalls gebührend feiern zu lassen!

Dienstag, 1. Juni 2010

dreipunktbuchstaben, tuntenfilme und reden über günstlingswirtschaft

Nach dem frühstück im hotel treten wir unsere rückfahrt an. Nach dem kauf des tickets müssen wir uns am busbahnhof bei der geheimpolizei abmelden (jeder ausländer muss das tun, es dient angeblich dem schutze der im land reisenden touristen, normalerweise reicht aber die meldung bei einer polizeidienststelle am bahnhof oder busbahnhof). Hier müssen wir zu zwei unterschiedlichen polizeidienststellen, deren augenfälligstes unterscheidungsmerkmal es ist, dass die einen uniformen tragen und die anderen in zivil gekleidet sind. Vornehmstes möbelstück in den büros beider ordnungshüter ist jeweils ein durchgelegenes bett. Ob dies nun den langen dienstzeiten oder der insbesondere polizeibeamte schnell überkommenden müdigkeit (oder beidem) geschuldet ist, vermag ich nicht zu sagen. ich komme auch gar nicht dazu, mir darüber gedanken zu machen, denn der in zivil gekleidete herr, der meinen pass nun schon seite für seite mehrmals durchgeblättert hat, dabei aber bisher weder meine nationalität, noch meinen namen hat feststellen können, bombardiert mich mit stakatoartig vorgetragenen fragen. Wie ich heiße, woher ich komme, wo ich geschlafen habe, wohin ich wolle, was mein beruf sei, woher ich komme, wo ich genächtigt habe, wohin ich nun reise und wo ich dort sei, was meine tätigkeit und was mein name sei und so weiter (die fragen glichen sich und alle aspekte dieses wenig ergiebigen sujets wurden mindestens viermal gestellt). Ich schien ihm ein hochverdächtiges subjekt zu sein! Nachdem ich ihm mein visum und den einreisestempel (beides hatte er immer noch nicht im pass ausfindig machen können) gezeigt hatte, lies er mich widerwillig passieren.

Danach hob rafik zu einer ausschweifenden rede über korruption und günstlingswirtschaft an, die damit begann, festzustellen, dass es sich bei diesem geheimpolizisten um eine für seinen beruf ungeeignete person handele, da er nicht einmal in der lage sei, einen pass richtigrum zu halten. Noch dazu seien alle seine fragen obsolet, denn wir hatten gleiches schon im hotel angeben müssen und auch beim kauf des tickets schon hinterlegt. Solche menschen aber kämen auf ihre posten, weil sie jemanden aus ihrem dorf in der partei an entscheidender stelle oder in behörden hätten, oder weil sie sich die posten erkauften. So kämen eben nicht die besten, sondern die korruptesten und dümmsten in die entscheidensten stellen und andere (wie sein sohn, der sein studium in archäologie mit dem besten ergebnis des ganzen jahrgangs absolviert hatte) säßen ohne job da. Ja, die leistungsgesellschaft hat sich hier nicht durchgesetzt. Es handelt sich vermutlich um eine arabo-aristokratische semirepublikanische oligarchie oder so was.

Dann fielen mir kurz vor der abreise noch die vielen dreipunktbuchstaben auf. Das kurdische (das in der türkei im prinzip mit lateinischen, hier aber mit arabischen buchstaben geschrieben wird) kennt ja auch gegenüber dem türkischen buchstaben, die als besondere kurdische buchstaben gelten (das x und das w zum beispiel). Hier nun gibt es das ف (f) mit drei punkten oben, das dann das w sein soll (zum beispiel für den namen hawal) und das ج (jim) ebenfalls mit drei punkten (nun aber unten), das dann einem dschim-laut entspricht, den man durch das arabische alphabet nicht darstellen kann, den das kurdische aber braucht (im namen jivan zum beispiel). Ich kannte aus tunesien ja schon das ق (qaf) mit drei punkten oben – für ein g, welches es sonst nicht gibt. Ja so kann man mit punkten oben und unten viele neue buchstaben erschaffen, ols ob das arabische nicht schon genug hätte, anstatt sich zum beispiel um den jugenschutz zu bemühen. Mit dem liegt es nämlich im argen. Im bus wurden (obschon es zahlreiche kinder gab) härteste action- und brutalo-thriller gezeigt. So viel mord und totschlag brutalster art, dass ich mich angewiedert abgewendet habe. Die kleinen kinder aber wie unter schock und paralysiert glotzten die ganze zeit auf die monitore. Vielleicht ist auch das das geheimnis der artigen kinder: die stehen alle unter schock.

Im bus wurde noch ein weiterer (diesmal ägyptischer) film gezeigt, was auch nix gutes verspricht. Es handelte sich um einen dieser hier sehr beliebten tunten-komödien. Mühsam als frauen zurechtgemachte männliche schauspieler geben eine scharade, bei der mit abgeschmacktesten rollenklischees bis zum erbrechen versucht wird, komische situationen auszuschlachten (hach! Und immer wieder lustisch!). Aber dem publikum hier gefällt es. Schon gestern abend im hotelfoyer wurde mit großer begeisterung einer dieser filme gesehen. Man kann sich den homosexuellen hier eben nur als verkappte tunte vorstellen. Und gleichzeitig stehen so viele männer hier auf tunten, dass einem schwindelig wird. Vermutlich weil sie mit ihnen gleichgeschlechtliche sexualität ausleben können, ohne angst haben zu müssen, dass sie von ihrer als männlich empfundenen penetrierer-rolle abweichen müssten. Die rollenverteilung scheint (zumindest nach außen) klar. Gleichzeitig berichten viele tunten, dass sie, wenn die tür erstmal ins schloss gefallen ist, die herren der schöpfung auf dem bauch wiederfänden. Natürlich! Sonst könnten sie’s ja auch mit ihren frauen treiben. Aber das ist eben nicht, was sie (in der spezifischen situation) eigentlich suchen. Überhaupt – aber das steht auf einem anderen blatt – scheint sexualität hier angenehm wenig mit identität verknüpft zu sein. Ein mann kann auch mal mit einem mann (solange er aktiv bleibt, oder sich „nur“ einen blasen lässt), ohne sich die frage stellen zu müssen, ob er evtl. schwul sein könnte. Es ist angenehm, dass man hier anscheinend mit männern sex haben kann, ohne zu glauben, man müsse sich nun auch einen entsprechenden gay-lifestyle zulegen.

selbstbewusste kurdinnen und eine stadt ganz ohne toiletten

Ein freund rafiks warnt uns noch vor den menschen in el-hasakeh. Sie seien schlecht und durchtrieben, von liederlichen beweggründen geleitet und habsüchtig. Er müsse es schließlch wissen: seine frau sei aus dieser stadt. Dennoch verläuft unser besuch ohne größere komplikationen. Ahmad, den wir in seinem dorf, ca. eine microbusstunde von el-hasakeh entfernt besuchen, hat am busbahnhof der nächstgelegenen stadt el-darbassiyah einen freund mit wagen organisiert, der uns ins heimatliche dorf (eine ansammlung staubiger lehmhütten ohne wasseranschluss (der wasserwagen kommt alle paar tage und dann füllen die bewohner allemöglichen gefäße mit wasser wieder auf) und nur unregelmäßiger stromversorgung (während unseres besuches fließt er jedenfalls nicht). Seine eltern sind zu trauerfeierlichkeiten ausgeflogen, so trinken wir zusammen mit seinem cousin einen tee und plaudern. Die landschaft um die staubigen behausungen herum allerdings ist äußerst fruchtbar und grün. Es handelt sich hier um den arabischen halbmond, die gegend der welt, in der die menschen vor ca. 11000 jahren sesshaft geworden sind, also uralten kulturboden (in syrien al-jasira – die insel – genannt, da er zwischen euphrat und tigris quasi auf einer von zwei flüssen umschlossenen insel liegt). Die grabungsstätte des tell halaf, über das agatha christie so anschauliche berichtet, liegt nur wenige kilometer entfernt.

Dass die gegend nicht ganz arm ist, erkannt man auch an den gut ausgebauten straßen. Noch um deir-elzor herum wurden sie immer schmaler und schlechter. Hier sind sie manchmal wieder autobahnartig ausgebaut. Vielleicht fließen ja auch schon kurdisch-irakische ölmilliarden hierher. Wer weiß? Die kurdinnen jedenfalls, lassen sich den schneid nicht abkaufen, wie man so sagt. Sie treten ausgesprochen selbstbewusst auf und man kann sich kaum vorstellen, dass sie sich von ihren männern das bieten lassen würden, was sich manche araberin gefallen lassen muss (dass der mann nie zuhause ist, weil er sich lieber mit seinen freunden im teehaus herumtreibt ist dabei sicher noch einer der angenehmeren aspekte). Ich überlege kurz, ob das was damit zu tun haben kann, dass die kurdischen gebiete diejenigen sind, in denen ackerbau und viehzucht entstanden sind. Vielleicht hat diese wirtschaftsform die gleichberechtigung befördert, weil sie (wenngleich mit klarer arbeitsteilung) den frauen einen entscheidenden prozess in der wertschöpfungskette zugedacht hat. Es ist ja zumindest auch augenscheinlich, dass in den kurdischen organisationen, wie zum beispiel der pkk, frauen eine entscheidende rolle spielen und als gelichberechtigte kampfgefährtinnen anerkannt sind. Die durch das leben in der wüste geprägten nomadischen kulturen der araber sind was geschlechterspezifische arbeitsteilung angeht vielleicht ganz anders strukturiert (ich weiß aber nicht wie). Meine kulturantropologischen, bzw. ethnologischen überlegungen gestalten sich aber, ob der bedingungen unter denen ich sie anstelle, schweirig. Ich finde mich nämlich in einen microbus gefärcht auf dem rückweg nach el-hasakeh. Wo in damaskus in einem solchen bus 13 passagiere platz finden und schon so manchmal gedrängt sitzen müssen, haben sich hier 24 zahlende fahrgäste in den bus gestopft. Ich sitze also halb auf einem kleinen ca. dreizehnjährigen jungen, während rafik es sich auf mir bequem gemacht hat.

Dennoch finden meine umherschweifenden gedanken ein weiteres sujet: brave kinder im microbus. Gerade wo hier so viele zusammengefercht sind, fallen sie mir wieder auf. In deutschland wäre eine ansammlung von so vielen kindern der reinste terror! Erste zweifel über meine loblieder, brave kinder betreffend, aber mischen sich in meine gedanken. Kann es sein, dass eine moderne gesellschaft, die noch dazu so wenige kinder hat und die diese wenigen möglichst gut ausbilden will, ihnen damit also von klein auf an bildungsanreize verschaffen will, eben wegen der auf diese kinder wirkenden erziehungseinflüsse aber auch wegen der auf sie wirkenden geselschaftlichen einflüsse, so brave kinder nie hervorbringen kann? Eben weil diese braven und stillen kinder vielleicht auch so brav und still sind, weil sie eben keine anreize bekommen, weil ihnen eben keine fragen kommen, bzw. diese nicht beantwortet werden? Sie mögen brav und still sein, aber sie wären dann eben am ende ihres bildungs- bzw. sozialisationsprozesses auch nicht in der lage, in einer modernen, diversifizierten gesellschaft erfüllt zu leben. Eben weil die anforderungen an menschen bei uns andere sind (kreativität, flexibilität, und all der schmonz). Und weil eine sozialisation darauf gerichtet ist, die erwünschten resultate hervorzubringen. Um einen job bei der staatssicherheit zu machen, wo man am maiskolbenstand sitzt und abends dem informanten bericht erstattet, reicht das brav sein und ruhig dasitzen doch allemal.

Zurück in el-hasakeh fällt mir auf: El-hasakeh scheint eine stadt, ganz ohne toiletten zu sein. Dass sich in einer stadt mit inzwischen über hundertausend einwohnern keine öffentlichen toiletten befinden, mag man noch verzeihlich finden. Allerdings haben wir nicht ein restaurant, nicht ein cafe oder teehaus mit toilette gefunden. Die nachvollziehbare, doch für europäische ohren erstaunliche erklärung dafür war, dass die stadtverwaltung bei toiletten (offenbar anders als bei küchen!) auf eine ordnungsgemäße abluft achten würde. Diese zu installieren sei aber doch recht aufwändig, so dass man lieber ganz auf toiletten verzichte. Dem gast, der mal dringend muss, hilft diese erklärung allerdings nur in ansätzen weiter. Mir wurde glücklicherweise (mit der begründug, weil ich ausländer sei – positive diskriminierung?) zwei mal eintritt in die hinter den küchen, bzw. wirtschaftsräumen liegenden personaltoiletten gewährt. Die einblicke, die ich dabei gewinnen durfte, waren allerdings mehr als erschütternd. Vielleicht sollte die stadtverwaltung mal ein auge auf die hygienischen zutände in den küchen werfen, bevor sie sich um toilettenabluft kümmert.

chinesisches design, herumstehende taxis und rumkugeln ohne rum

Pünktlich um halb zehn fahren wir mit dem amal-bus chinesischer bauart in gemütlichen sitzen ab richtung el-hassakeh. Das innendesign des busses bereitet mir kopfschmerzen. Selten ein so missglücktes und verschrobenes design sehen müssen. Im bus läuft als film der mitschnitt eines regierungskritischen (!) politischen kabarets. Angenehmer kontrast zu den sonst laufenden unterirdischen ägyptischen klamaukfilmen oder den grässlichen amerikanischen schmonzetten, die gewöhnlich bei busreisen hier gezeigt werden und einem die laune verderben. Das logo des filmes (senders?) zeigt ein xp (den kurdischen buchstaben x!) in den farben kurdistans. Fast schon zu viel des oppositionellen. Allerdings kann man sich nicht auf den film konzentrieren, da man die ganze zeit damit befasst ist, sich den klimatischen schwankungen gemäß angemessen zu kleiden. Die temperaturen im innenraum des busses (ich vermute, dass sie außen recht stabil waren) schwankten zwischen 15 und 32 grad celsius. Das war für eine angemessene garderobe eine echte herausforderung.

Auf einer raststätte, werde ich von einem jugendlichen toilettenjungen gefragt: „Ajnabil m’alim?“, was so viel heißt, wie „bist du ausländer, meister?“. Die kombination aus diesen beiden worten ist schon seltsam, wenngleich mir das wort ajnabil hier häufiger und ganz offenbar nicht in abwertender weise, sondern häufig einfach als frage von kindern entgegengebracht wird. Bei der gleichen pause begegnet und ein junger mann, den ich schon aus dem hamam in damaskus kenne und der nun auf dem weg ist, seine familie zu besuchen. Wir plaudern etwas, tauschen nummern und so. Das hotel, welches wir problemlos finden ist zentral gelegen, angenehm, sauber und nicht zu teuer. Das publikum ist mäßig langweilig, was ja aber auch eine ruhige nacht ohne party verspricht. Ahmad, der uns hier eigentlich empfangen wollte, ist verhindert, da es einen spontanen trauerfall in seiner familie gegeben hat. Er wird und inscha’allah morgen die aufwartung machen.

El-hassakeh ist eine moderne stadt. Viele armenier, christen (angeblich neben den obligatorischen sekten diverser katholischer und orthodoxer gruppierungen sogar protestanten!) und viel modernes volk. Da es viele christen gibt, gibt es hier auch ein büro der christlichen großsyrischen partei, die mir im libanon schon ob ihres an ein hakenkreuz gemahnenden logos aufgefallen ist. hier war sie ja so lange verboten, bis sie von entscheidenden inhalten abgerückt ist (anerkennung der grenzen zum beispiel und aufgabe der idee eines groß-syrischen reiches). Sie kann wohl hier nun nicht mehr wirklich als fascho-partei gelten, wengleich das logo zumindest mich als deutschen arg daran erinnert. Es wäre auch fragwürdig, wenn ein ehedem sozialistisches land eine solche partei zulassen würde. Aber die partei scheint wohl eher konfessionell orientiert zu sein. Christen sind offenbar ihre bevorzugten parteigänger. Ansonsten fallen die vielen herumstehenden taxis auf. Es scheint ein überangebot an personenbeförderungsmitteln zu geben. Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass es zeiten gibt, wo alle taxis im einsatz sind. Als unser bus ankam, standen dort in etwa dreißig taxis, von denen lediglich zwei gebraucht wurden. Achtundzwanzig taxis standen danach immer noch dort, wer weiß wie lange? Im prinzip sieht man auch nur leere taxis herumfahren. Es kann ja sein, dass es immer noch erfolgversprechender ist, in einem taxi auf einen job zu warten, als an einer straßenecke herumzulungern. Aber es ist eben doch auch ungleich teurer, denn das motorisierte gefährt muss nicht nur angeschafft, sondern auch gewartet und betankt werden. So ganz allein für den chauffeur kann sich das unterfangen doch nicht lohnen.

Am abend erstehe ich noch eine art rumkugel ohne rum. Sie heißt, wie bei uns schoko-küsse nicht mehr heißen dürfen – sogar schlimmer: ras el abed. Abed ist dabei ein name: abdul: sklave. Sklave und „neger“ sind ganz offenbar im arabischen ein und das selbe wort! Der ras el abed ist ein negerkopf, oder eben ein sklavenkopf. Zu meinem erstaunen erfahre ich, dass es sklaverei in saudi-arabien (wohl als letztem arabischen land) noch bis zu einem gesetz des königs bis ca. 1960 (!) gegeben haben muss. Da müsste ich mich – sobald ich im rahmen zivilisatorischer strukturen wieder an einen internetanschluss komme – noch mal genauer informieren.

bestechungsgeld, streitschlichter und ein feldversuch zur co2-belastung

Der besuch bei der ausländerbehörde gestaltete sich gestern anders, als letztes mal (www.freitag.de/community/blogs/isam-almatlub/wie-ich-zu-einer-aufenthaltsberechtigung-kam). Im wesentlichen müssen wir die gleichen stationen besuchen, wie vor monaten schon mal (die für die erteilung meines aufenthaltes zuständige stelle, das büro im erdgeschoss, das foto-büro, wieder die besagte stelle, dann den chef der brigade, die staatssicherheit, den computer und so weiter). Allerdings gibt es bei unserem zweiten besuch der zuständigen stelle eine komplikation. Der diensthabende beamte (dunkelblaue schulterklappe, aber keine sterne auf selbiger) meint, der mietvertrag müsse auf meinen namen lauten (was uns ca. 500 euro höhere steuern kosten würde, da rafik 3%, ich aber 21% auf die monatsmiete zahlen müsste) oder ich müsse übermorgen ausreisen. Beides ist wenig erfreulich. Nach einigem überlegen und ratlos dastehen, versuchen wir eine lösung à la syrienne: wir legen einen 500er in meinen pass (ca. 8 euro) und geben den pass zur nochmaligen prüfung (diesmal dem kollegen des diensthabenden beamten, der unser gesuch zuvor abgelehnt hatte, ebenfalls mit dunkelblauer schulterklappe allerdings mit drei sternen!). Erstaunlicherweise klappt es nun. Und das schneller als beim letzten besuch, wo wir nach zwei stunden noch mal kommen mussten. Diesmal kriegen wir den pass gleich wieder mit. Ich werde in zukunft immer die sterne auf den schulterklappen betrachten und mich dann zu demjenigen durchschlagen, der die meisten davon hat.

Danach schlimm die schulter beim sport verknackst. Kann mich nur noch unter schmerzen bewegen. Ja, sport ist mord! Habe mir nun eine syrische wundercreme besorgt, die wie ihr name schon sagt, wunder bewirken soll. Ansonsten tipps von allen seiten: tigerbalsam, heiße bäder, diese oder jene creme aus dem iran oder jordanien. Nun denn, ich lasse es auf mich zukommen. Zur not werde ich eben halbinvalide. Desweiteren ist der tag durch die arbeit bestimmt. Vier stunden deutschunterricht! Aber gelehrige schüler, noch dazu höflich – wo hat man das in deutschland schon? Allerdings trinken sie zu wenig – resp. Nix! In vier stunden unterricht. Und das bei über 30 grad. Spätestens in der letzten stunde sind sie „out of coverige-area“ wie der syrische mobilfunk ständig.

Heute ist es bewölkt und etwas drückend. Bis mittags noch erträglich. Sitze im park und genieße das leben. Beobachte, wie zwei streithähne, die aufeinander losgehen wollen, von anderen zurückgehalten werden. Streit wird hier fast immer schnell deeskaliert. Alle anwesenden greifen beherzt ein und schlichten, halten zurück oder ziehen die streithähne auseinander. Es gibt wenig gaffer. Ich weiß nicht ob aus angst, in eine auseinandersetzung verwickelt zu werden und dann womöglich mit verantwortlich gemacht zu werden, oder aus desinteresse. Vielleicht ist es aber auch einfach die angenehme begleiterscheinung einer gesellschaft, in der man sich für den anderen verantwortlich fühlt. Das ist ja wirklich ein unterschied. In deutschland fühlen wir uns (höchstens und wenn unsere sozialisation erfolgreich verläuft) für das verantwortlich, was wir selbst tun. Was andere (seien es familienmitglieder, nachbarn, angehörige der sippe oder kollegen) machen, geht nicht auf unser konto. Ich glaube manchmal, dass es hier anders ist. handfest wird es ja damit, dass die frau, schwester, tochter die trägerin der famlienehre ist. damit ist ja schon ein sozusagen fremdverantwortliches element eingeführt. Ich glaube aber auch, dass es noch weiter geht, dass zum beispiel nachbarn (stichwort sozialkontrolle) darauf achten, dass „ihre“ gegend anständig bleibt, dass deine freunde ein gutes, bzw. schlechtes licht auf dich werfen, dass es wichtig ist, mit wem du dich umgibst, bzw. abgibst. Ob es dazu genauere forschungen gibt? Was hier deutlich wird ist, dass es eine modernisierung, eine zunehmende individualisierung und freiheitsrechte einzelner nicht geben wird, ohne dass die tradition zurückgedrängt wird, ohne dass die gesellschaft dann auch weiter auseinanderfällt. Die sehnsucht nach freiheiten, die hier viele berechtigterweise haben, werden sie erkaufen müssen durch den wegfall der sozialen bezugssysteme, die hier im moment (noch) halt geben. Die freiheit, mit wem auch immer zu machen was immer ich will, gibt es nicht umsonst.

Auch nicht umsonst (nämlich um dem preis meiner gesundheit) gab es heute auch den großen feldversuch: wie lange können menschen ohne sauerstoff und bei einer 100-fachen co2-belastung überleben? Die wolken und die leichte schwüle, die sich am tag noch aushalten ließen, haben im laufe des nachmttags dazu geführt, dass alle abgase, die hier sonst durch einen kräftigen wind verweht werden, in der stadt gehalten haben. Vom merje aus konnte man das four-seasons-hotel (höchstens 500 meter weit entfernt) nur noch schemenhaft erkennen, so schlecht war die luft. Ich habe noch jetzt, spät nachts, während ich dies schreibe einen schlimmen kopfschmerz und fühle mich unpässlich. Rafik und Ian haben den ganzen tag in einem schläfrigen dämmerzustand zugebracht, unfähig einer sinnvollen betätigung nachzugehen. Ein luftkurort ist damaskus ja nie, aber heute habe ich den co2-gehalt eines ganzen jahres eingeatmet. Ich hoffe, die wolken sind morgen wieder verschwunden!

Nach meinem arabischunterricht (bei dem ich immer nach einer brandquelle – innerhalb und außerhalb meiner wohnung gesucht habe, durch die ich mir die schlimme luft erklären wollte, bis ich gemerkt habe, dass die ganze stadt so stinkt) haben rafik und ich die tickets für el hasakeh gekauft. Liegestühle im bus! Allerdings mit 10 euro pro person sündhaft teuer! Für eine achtstündige fahrt aber halte ich das sonst im bus kaum aus. Morgen geht es dann also auf in den kurdischen nord-osten des landes! Danach gibt es dann wieder einen kleinen reisebericht...