Freitag, 30. April 2021

Teure Birnen, Teelichtplaudereien und subjektives Sicherheitsempfinden

Nachdem ich mich ausführlich meiner morgendlichen Lektüre hingegeben hatte, habe ich einen ausführlichen Spaziergang durch die sonnige doch kühle Stadt unternommen. Danach habe ich einige Einkäufe erledigt und mich dann tatsächlich doch das erste Mal über die Preise gewundert. Ein Kilo Birnen 200 syrische Lira – das sind 3 € und damit genauso teuer, wie in Deutschland! Bei einem Einkommen von ungefähr einem Zehntel des deutschen Einkommens. Das wäre, als würde in Berlin ein Kilo Birnen 30 € kosten. Auch das Öl im Supermarkt war mit 2,50 € für einen Liter billiges Sonnenblumenöl meines Erachtens teurer, als in Deutschland. Birnen muss man nicht essen, aber dass auch Öl oder Zucker inzwischen hier so teuer sind, dass man sie sich kaum leisten kann, ist schon erstaunlich. Bei meiner luxuriösen Lebensweise hier gebe ich gut und gerne an 3 Tagen das Geld aus, dass eine arme Familie hier in einem Monat ausgeben kann und es macht nicht einmal Mühe. Danach bin ich ins Internetcafé und habe mir ein paar beunruhigende Neuigkeiten aus Syrien auf den Laptop geladen, die ich später am Abend lesen werde. Tatsächlich ist in der Stadt heute eine komische Atmosphäre. Die Lederjackendichte ist größer als je zuvor und offenbar scheint irgendwo wieder eine Demonstration für den Präsidenten stattzufinden, stattgefunden zu haben, oder geplant zu sein. Mit meinen Einkäufen schwer bepackt nachhause kommend, berichtet Rafik mir vonScharfschützen die auf den Dächern am Bab Msalla positioniert seien und er vermutet irgendeine Bombendrohung. Da auch die Stadtverwaltung ein anschlagsrelevantes Ziel ist, dass im Laufe der letzten Tage mit Metallbarrieren umstellt wurde, beschließe ich, da ich nicht möchte, dass wir die Bombe direkt unter meinem Arsch explodiert, auf dem Weg zu Maria einen kleinen Umweg durch kleinere Straßen zu nehmen. Als ich bei ihr ankomme, wird gerade der Strom abgestellt und wir verbringen zwei Stunden bei einem Teelicht plaudernd und ohne jeden Strom. Maria und ihr Mann werden im März wieder nach Kanada gehen, um dort die Geburt ihrer Tochter „abzuwickeln“, wo bei man das bei einer Geburt ja nicht sagen darf, sondern lieber „beizuwohnen“ sagt, oder? Wir unterhalten uns über dies und das, viel über die politische Situation und das Leben in Damaskus. Außer den häufigen Stromausfällen hier, hat sich im Laufe der letzten Monate in Damaskus ja kaum etwas verändert. Mit den Stromausfällen kann man leben, auch wenn es mühsam ist, dass man ausgerechnet in einer Situation, in der man zum Beispiel gerne Nachrichten sehen möchte, den Fernseher ja ohne Strom nicht gebrauchen kann. Auch die Kaffeemaschine und selbst die Elektrozündung des Gasherdes laufen ohne Strom nicht – erstaunlich! Bei der schlechten Isolierung der Häuser wird es auch nach zwei Stunden ohne Heizung etwas kühler. Außerdem Strom gibt es allerdings in den letzten Tagen eine weitere Veränderung in der Stadt. Um das Bürgermeisteramt und andere strategisch wichtige Gebäude wurden im Abstand von 1 m 50 Rohre, also Metallsperren in den Boden eingelassen. Wir werden uns schnell einig, dass diese wohl kaum Autobombenanschläge verhindern würden, aber offenbar als Signal gelesen werden müssen, dass die Regierung etwas tut. Entweder sollen sie das subjektive Sicherheitsempfinden erhöhen, oder die Unsicherheit. Vielleicht sind Sie aber auch nur Bestandteil des syrischen Investitionsprogramms, das unter anderem auch zur Renovierung des Zipkie-Parks geführt hat. Überhaupt scheint die Ökonomie hier erstaunlich stabil ebenso viele neue Läden eröffnen, wie welche schließen. Die neu eröffneten Läden sind allerdings fast ausschließlich Restaurants, Imbisse oder Saftbuden. Die schließenden Läden häufig Klamottenläden, derer es hier aber eher schon viel zu viele gab. Wir stimmen in dem Erstaunen darüber überein, wie stabil doch die syrische Wirtschaft trotz der Sanktionen weiter funktioniert. Eben nur die Stromausfälle… Der Rest ist Stimmung. Auch bedingt dadurch, welche Nachrichten man gerade selber hört, wie man zu ihnen steht, was man durch welche Kanäle auch immer gehört oder vermutet hat. Zum Beispiel Rafik, der heute die Scharfschützen sah, irgendwie merkte, es ist etwas nicht in Ordnung, aber natürlich niemanden fragen konnte was denn los sei. Diese Unsicherheit, diese Möglichkeit, dass etwas passieren könnte, ist das, was vielen hier das Leben schwerer macht. 2011

Süßer Tee, späte Busse & eine wirtschaftspolitische Kamikazeaktion

Freitags ist eh alles zu. Immerhin haben wir noch ein paar Datteln gekauft (köstliche, die statt eines Kernes eine Erdnuss eingesetzt bekommen haben), dann versucht ein Frühstück zu bekommen, was uns nicht geglückt ist, da es nur Foul (ein für mich vollkommen indiskutables Gericht aus Saubohnen mit Knoblauch) gab. So sind wir dann zum Busbahnhof, in der Hoffnung dort ein Frühstück zu bekommen, und unser Bus sollte ja auch schon um 11 Uhr fahren. Dort angekommen teilt man und mit, dass (obwohl wir gestern mehrfach gefragt hatten, ob es auch am Freitag wirklich so sei, nochmals erinnerten, dass Freitag ist, etc.) am Freitag, der ja nun heute vollkommen überraschend sei, der Bus selbstredend nicht um 11, sondern erst um 14 Uhr fahre. Die Aussicht, vier Stunden an einem öden Wüstenfleck zu warten bessert meine ungefrühstückte Laune kaum auf. Aber zurück ins Dorf kommen wir gar nicht mehr, da es keine Taxis mehr gibt die dort vorrätig warten (auch eine Folge der fehlenden Touristen) und auch im Dorf sowieso alles zu ist und demnächst das Mittagsgebet losgeht. Also bekommen wir ein sagenhaft fettes Omlette und so süßen Tee, dass wir durch Fett- und Zuckerschock betäubt, die nächsten vier Stunden dahindämmern und auf den Bus warten, der dann aber tatsächlich kommt (gelobt sei der Herr!) und uns nach Damaskus bringt. Auf dem Rückweg müssen wir noch zwei Mal bei Militärsperren anhalten. Unsere ausländischen Pässe werden kurz inspiziert, ein Blick auf die Liste der Reisenden geworfen. Aber an allen Checkpoints ist die Stimmung eher relaxt, die Soldaten spielen Karten oder rauchen Wasserpfeife und langweilen sich in ihren provisorisch am Wegesrand aufgestellten Zelten, die vor der Sonne schützen sollen. Kampfbereitschaft sieht anders aus. Auch das ein Zeichen der Entspannung. Dass man immerhin selbst an einem Freitag über Land reisen kann, will ja schon was heißen hier. In Damaskus angekommen kocht Rafik und ich gehe ins Kino. Am Abend kommt Michel vorbei, wir essen, gehen dann ins Cafe und dann in den Park, wo wieder zahlreiche Militärtransporte die Straße entlangrollen. Michel erzählt von den neuesten wirtschaftspolitischen Kamikazeaktionen der Regierung. Erst wurden zum Schutz der Devisenreserven alle Importe verboten, auf die mehr als 5% Steuern erhoben werden. Darunter fallen alle Luxusgüter, also auch Autos oder Technik, die nicht in Syrien produziert wird. Die durchaus nachvollziehbare Begründung: es gebe genügend Wagen auf syrischen Straßen – ist sehr richtig. Alle lebenswichtigen Güter sind eh steuerlich begünstigt und Lebensmittel müssen wohl kaum (mit Ausnahme des Zuckers aus Kuba) importiert werden. Allerdings haben dann insbesondere die großen Autoimportfirmen interveniert, denn deren Geschäft wäre ja von einem auf den anderen Tag qua Ordre Mufti dahin. Da all diese großen Firmen ausländische Konten mit Devisenreserven haben, wurde sich nun dahingehend geeinigt, dass weiter importiert werden kann, wenn die Firmen sich die für die Importe nötigen Devisen selbst besorgen (bisher hat der Staat das gemacht). So laufen erstens die Geschäfte weiter und zweitens werden die Devisen der oftmals sehr reichen Kaufleute genutzt, nicht die Reserven des Staates. Im Prinzip eine schlaue Regelung. Innerhalb einer Woche ein einmaliges hin und her. Wirtschaftspolitische Kontinuität und Verlässlichkeit, die ein Klima für Investitionen schafft, sieht vermutlich aber anders aus. 2011

Leere Hotels, freundliche Bewohner und aufmerksame Milizionäre

Anrufe in Palmyra im Hotel um eine Übernachtungsmöglichkeit bei unserem avisierten Kurztrip in die Wüste zu sichern. Schon das zweite Etablissement hatte geöffnet. die Preise dort haben sich mehr als halbiert, allerdings hat man den Frühstücksdienst eingestellt, von dem man eh behaupten musste, dass er nicht wirklich ein Dienst am Reisenden war, sondern eher ein Ärgernis. Wir tätigen eine unverbindliche Reservierung, damit wir uns vor Ort davon überzeugen können, dass nicht z.B. neben dem Frühstück auch an der Reinigung der Räumlichkeiten gespart wurde. Rafik kommt gegen Mittag zu mir, dann treffen wir Ian und fahren zum Busbahnhof. Die erstaunliche Sicherheitskontrolle, bei der Taschen auf ein Band gelegt und durchleuchtet, Menschen durch eine Schleuse gehen müssen, die in Permanenz piept, was aber beides niemanden interessiert, ist immer noch die alte. Bis auf, dass wir einen der diensthabenden Polizeibeamten schon aus dem Revier am Marje kennen und Rafik sofort mit dem anwesenden Personal zu shakern beginnt. Sehr zum Leidwesen des Busunternehmenskoberers (oder wie soll man die Menschen nennen, die potenzielle Reisende zu einem entsprechenden Busunternehmen locken?), der ungeduldig wartet, da unser Bus angeblich in zwei Minuten abfahrtbereit sein soll. Tatsächlich sitzen wir, nach einem obligatorischen Besuch bei der Sicherheitspolizei, bei der unsere Reise annonciert werden muss, im Bus. Diesmal nicht schreckliche ägyptische Komödien, sondern Actionfilme unterirdischster Machart mit grauenhaften Folterszenen, die bei uns nicht im Spätprogramm gezeigt werden dürften. Mitreisende Kinder starren gebannt auf die Bildschirme. Jugendschutz ist ein hier vollkommen unbekanntes Wort. Ich versuche mich auf meine Lektüre zu konzentrieren, was aber auch schwierig ist, da der Bus erstens einen kaputten Stoßdämpfer zu haben scheint, was zu schlimmem Rütteln führt und die Heizung ebenfalls nicht wirklich funktioniert. So dämmere ich Tadmur entgegen. In Palmyra (Tadmur) ist alles tot. Und tot meint tot. Es haben von den schätzungsweise 30 bis 40 Hotels unterschiedlichster Kategorie gerade mal zwei geöffnet. Da fällt die Wahl nicht schwer. Und obschon wir in Ermangelung von Alternativen ja im Prinzip in einem der beiden Hotels schlafen müssen, geht der sich vor dem Hotel langweilende Rezeptionist mit dem Preis so weit runter, dass wir alle drei für fast ein Drittel des Preises schlafen, den zuvor noch ein einzelner Gast zahlen musste. Haben wir noch im Oktober 2010 noch 2600 Lira für ein Einzelzimmer gezahlt, zahlen wir heute noch 330! Da kann man das ganze Ausmaß der Katastrophe des Tourismus in Syrien erst ermessen. 1000 Lira – rund 15 Euro für drei Einzelzimmer mit Bad! Dabei muss warmes Wasser erst für uns angeheizt, der Strom erst wieder für uns angestellt werden. Seit Monaten keine Touristen. Alle Menschen schauen uns mit ungläubigen Augen an, winken freundlich und begrüßen uns herzlich. Schon auf unserer ersten Tour durchs Dorf, in dem 80% aller Läden geschlossen haben (auch die Restaurants, die Souvenirshops sowieso) werden wir so oft zum Tee eingeladen, bekommen so viele Datteln verschiedenster Art in unsere Münder gestopft, dass wir ein Restaurant sowieso nicht brauchen werden. Tatsächlich finden wir dann doch noch ein kleines volkstümliches Restaurant, dass uns ein Essen mit einem halben gegrillten Huhn und Salat auftischt, welches, obschon unter bedenklichen hygienischen Standards zustande gekommen, ganz köstlich ist und mir bis heute keine Beschwerden bereitete. In Ermangelung einer geeigneten abendlichen Aktivität schleichen wir noch etwas durchs verlassene Tadmur (natürlich auch die Ruinen), stellen aber schnell fest, dass wir immer durch einen unauffälligen Wagen observiert werden, der Angaben der Einheimischen zur Folge von der sogenannten Milizia ist. Touristen hier scheinen verdächtig zu sein und wenn es nur zwei davon gibt, dann kann man diese natürlich auch sehr leicht lückenlos überwachen. Immerhin ruft der Geheimdienst nicht (wie damals in Trablus) bei uns an und fragt uns, ob alles ok sei und was wir denn gegessen haben. Es ist ja alles nur zu unserer Sicherheit. So wohl behütet schlafen wir recht früh ein. 2011

Widersprüchliche Mission, schummrige Dunkelheit und paffende Raucher

Da im Pages nach der Renovierung kaum noch wirklich gemütliche Plätze zu haben sind, der Nichtraucherbereich überfüllt ist, gehe ich mit meinem Laptop gleich weiter ins nahe gelegene Internetcafé. Die Nachrichten, die man über Syrien und die Mission der Arabischen Liga liest, könnten widersprüchlicher nicht sein. Einerseits wird die von der Opposition geforderte Mission nun von dieser selbst desavouiert, sie habe angeblich das Leid nicht sehen wollen. Andererseits stellt die Mission selber fest, es sei zwar an manchen Orten etwas unordentlich (sic!), man habe aber desweiteren im „Hotspot der Aufstände“ keine weiteren Unregelmäßigkeiten feststellen können. Die absurdeste Behauptung ist, dass die Gefangenen jetzt vor dem Besuch der Arabischen Liga an andere Orte verlegt worden seien. Angeblich seien 600 Gefangene im Militär-Gefängnisse verlegt worden, zu denen die Arabische Liga keinen Zugang hat, zuvor war jedoch schon von 15.000 Gefangenen die Rede die nun offenbar nicht mehr auffindbar sind. Die Arabische Liga selbst stellt fest, dass die syrische Regierung ausgesprochen kooperativ agiert, die amerikanische Regierung droht, wenn Syrien nicht endlich kooperiere, würden weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Sobald die Arabische Liga, diese Marionette des Westens tut, was Frankreich und die USA von ihr verlangen, schreien eben diese Auftraggeber: Nicht genug! Was für ein geschmackloses Schmierentheater! Um 16:00 Uhr treffe ich Michel am Bab Touma. Wir gehen im nahe gelegenen Beit Zaman einen Kaffee trinken und plaudern ein wenig über die allgemeine Lage. Im Fernsehen laufende Katastrophenmeldungen aus dem Land. Eine Gaspipeline wurde bei Rastan in die Luft gesprengt, was die Energiekrise sicher noch beflügeln wird. An der Universität hat ein wild gewordener Anhänger der angeblichen Oppositionsbewegung um sich geschossen und mehrere Leute verletzt und einen Studenten getötet. Wenn all diese Meldungen neben einem auf dem Flachbildschirm laufen, nur unterbrochen von den regelmäßigen Klängen der syrischen Nationalhymne, ist ein beschwingtes Gespräch über dies und das und wie man sich die Haare macht kaum möglich. Immerhin klärt Michel mich über das Mysterium meines deutschen Mobiltelefons auf, indem er mir berichtet, dass Deutschland die Telefonverträge mit den syrischen Telefongesellschaften gekündigt habe, weshalb es ganz normal sei, dass ich hier keinen Netzempfang mehr habe. Nach einer knappen Stunde (wir sind noch immer die einzigen Gäste) gehen wir in der Dämmerung durch die Grade Straße. Wieder fällt der Strom aus und ich muss sagen, dass dies die schönsten und stimmungsvollsten Momente sind, wenn hier und dort romantisch der Kerzenschein aus einem Laden hervor dringt, im Großen und Ganzen der Stadtteil jedoch in schummriger Dunkelheit lieg. Im Café „Rose von Damaskus“, das Rafik fälschlicherweise beharrlich mit „Ali Pascha Café“ tituliert (obschon das Ali Pascha Café eben das Café direkt daneben ist), setzen wir uns ganz nach hinten an den heißen Ofen, auf dem die Getränke (Tee, Kräutertee und Kaffee – was braucht es für ein erfolgreiches Café mehr?) zubereitet werden. Wieder einmal fällt mir auf, dass der Smoking Ban, den die Regierung vor ungefähr zwei Jahren verhängt hat, eine wirkliche success story ist. Ich sehe niemanden, der nicht ununterbrochen vor sich hin pafft. Ich gebe Rafik Recht, der konstatiert, dass die Regierung zur Zeit nicht das Standing habe, um das Rauchverbot konsequent durchzusetzen. Bei all den Problemen im Land, würde das vermutlich noch mehr Unmut erzeugen und mir sind noch die Worte des Taxifahrers von damals im Ohr, der kurz nach dem Rauchverbot allen ernstes behauptete, die Staus seien jetzt länger und der Himmel wolkenverhangener, die Früchte jetzt saurer und die Mädchen weniger hübsch nur wegen des Rauchverbotes! Und selbst Ali behauptete damals in einer Diskussion, bis zu 10 Zigaretten am Tag seien gesundheitsförderlich. Man möchte bei einem derartigen Stand der Gesundheitsaufklärung nicht noch ein zusätzliches Schlachtfeld eröffnen. 2011

Leere iPhones, volle Supermärkte und knödelige Kabelenden

„’Ach aber ach’ dachte der kleine Igel. Kann ich hier einfach so vor der Heizsonne sitzen, während unmittelbar hinter der Heizsonne das totale Chaos herrscht?“ An diese kleine Zeichnung in dem wunderbaren Buch „die Drei“ muss ich heute Morgen denken, als ich so beim Frühstück einfach so vor der Heizsonne sitze. Wenn man das tut, ist es wunderbar warm aber ich dachte ursprünglich wirklich, dass meine Wohnung etwas besser isoliert sei, als sie es ist. Im Sommer bei der Hitze und selbst im Oktober fallen einem eben doch die breiten Spalten in den modernen Fenstern nicht auf. Und neben den Widrigkeiten der Beheizung, die ja fast schon ein Klassiker eines jeden Winteraufenthaltes in Damaskus sind, habe ich mich nun auch noch mit dem Ladezustand meines deutschen iPhones zu befassen. Die ursprüngliche Information, iPhones seien hier jetzt verboten, konnte ich bisher nicht bestätigen. Man sieht diese Dinger weiterhin überall. Allerdings sperrt sich das syrische Syriatel-Netz gegen ein Einloggen meines Telefons und zeigt beharrlich „kein Netz“. Das ist schade, denn Syriatel ist das einzige Netz, in dem SMS aus Deutschland zugestellt werden (würden). Bei (dem angeblich privaten, in Wirklichkeit auch der Präsidentenfamilie gehörenden Anbieter) MTN komme ich zwar ins Netz, habe jedoch eine andere merkwürdige Erscheinung: selbst im Stand-by ist mein Akku nach 3 Stunden vollkommen entladen! Ich habe schon alle Ortungs-, Netzwerk- und sonstigen Dienste deaktiviert und die Einstellungen so gesetzt, dass die Batterielaufzeit möglichst lange halten müsste – complèttement ohne Erfolg! Ich habe dafür zwei Erklärungen. Entweder hat der Akku meines Telefons mit Eintritt ins syrische Staatsgebiet seinen Geist aufgegeben, oder die Telefonnetze wissen sehr genau, welche Telefone sich bei ihnen einloggen und im Hintergrund laufen irgendwelche batterieenergiebenötigenden Prozesse. Beide Erklärungen sind nicht beruhigend, denn die eine läuft darauf hinaus, dass der Akku des iPhones eine Halbwertszeit von wenigen Wochen hat, die andere darauf, dass mir wohlmöglich einen Trojaner des syrischen Geheimdienstes in mein Telefon gespeist worden ist. Ich habe es daher erst einmal ausgestellt und bin nur noch unter der syrischen Nummer zu erreichen. Es ist inzwischen später Nachmittag, ich mache noch ein paar Einkäufe im Supermarkt in Scha'alan. Ich habe gerade das Haus verlassen, da wird der Strom abgestellt. Es dämmert bereits und die dunkle Stadt entfaltet eine ganz wundersame Atmosphäre. Die einzige Veränderung die ich auf meinem Weg wahrnehme, sind die mit Maschinengewehren ausgerüsteten martialisch uniformierten Polizisten vor dem Scham Hotel. Später erkläre ich mit Sachverhalt damit, dass die Vertreter der Arabischen Liga zurzeit in Damaskus weilen und vermutlich in eben genau diesem Hotel untergebracht worden sind. Zu meinem Erstaunen gibt es im Supermarkt immer noch alles, selbst die leckeren Danette Puddings sind wieder zu haben! Eine große Enttäuschung ist der Zipkie Park. Dort hatte man bis auf die großen Bäume und Palmen alles platt gewalzt und ist hoffentlich im Begriff einen neuen Park zu gestalten. Für die nächste Zeit allerdings wird der Park kein Ort sein, an dem man sich länger aufhalten möchte. Die Funktion des Heizens meines Etablissements übernehmen drei kleine vor sich hin glühende Spiralen, die in die Steckdose gesteckt werden und bei denen man immer regelmäßig aufpassen muss, dass entweder die Kabel oder die Stecker oder die Steckdosen nicht zu heiß werden und anfangen zu schmelzen. Umso erstaunter bin ich, wenn ich jeher, dass diese eh schon gefährlichen Gerätschaften ohne jeden Stecker in die Steckdose gesteckt werden. Sprich: die Kabelenden werden blank einfach so jedes für sich in die Löcher der Steckdose gefriemelt. Da Rafik mir schon von mehreren Wohnungsbränden durch eben diese Heizgerätschaften berichtete, sah ich es als eine meiner wichtigsten Aufgaben, diese zumindest mit angemessenen Stecker zu versorgen um sie auf elegante Art und Weise in die Steckdose zu stecken. Mein Versuch eben diese zu erwerben gelangt auf Anhieb und da ich der Aufgabe realistisch in die Augen blickte nach stand ich auch gleich einen Phasenprüfer. Eben dieser verbog sich allerdings sofort beim Versuch die erste Schraube im Stecker zu lösen. Mit viel Gewurschtelt habe ich es dann geschafft, die beiden knödeligen Kabelenden in die viel zu dünnen Öffnungen im Stecker zu friemeln. Rafik, der ganz begeistert von meinen diesbezüglichen handwerklichen Fähigkeiten war, berichtete mir auch sogleich von einem Wohnungsbrand im Hause gegenüber, der vor wohl zwei Tagen durch einen sich in Brand setzenden Generator entstanden ist. Das Knattern der Generatoren ist übrigens ausgesprochen selten und nicht wie noch vor ein paar Jahren im Sommer bei Stromausfällen fast allgegenwärtig. Hier zeigt sich, dass es nicht nur Ausfälle des elektrischen Stroms gibt sondern auch die Versorgung mit Diesel und Benzin ein Problem darstellt. Allerdings haben die meisten Kerzen oder kleine chinesische Akkuleuchter aufgestellt die einen manchmal romantischen Charme versprühen. Und überhaupt ist zu viel Licht ja auch manchmal nicht gut. Rafik kocht in der Küche Kebab Hindi. Es duftet schon ganz köstlich und gleich kommt wohl wieder Ali zum Abendessen. 2011

Jubeldemos und viel Spaß durch eine kleine Regelübertretung

Rafik und ich wandern heute durch die von Touristenhorden verlassenen Teile der Altstadt. Das Ausmaß der Krise wird einem in dem Teil von Damaskus, in dem ich mich meist aufhalte gar nicht so klar, denn dort sind eh kaum Europäer. Aber zum Beispiel im christlichen Viertel, wo sich sonst Horden von Italienern, Franzosen, Amerikanern oder anderen Touristen durchschieben, merkt man sehr deutlich, dass sich da was verändert hat. Die Straßen sind, bis auf wenige Einheimische menschenleer. Wir trinken einen Kaffee im Beit Zaman, und man kommt sich schon fast wie ein Eindringling in ein im Dornröschenschlaf liegenden Ort vor, der mit seinen vor sich hin dämmernden Garcons, die gelangweilt auf dem Kassencomputer Karten spielen und dem noch ausgestellten Kaffeevollautomaten erst wachgerüttelt werden muss. Huch! Gäste! Wo kommen die denn her? Das hatten wir ja schon lange nicht mehr, wollen die verstörten Augen des dahinschlummernden Personals sagen. Aber immerhin, es gibt noch Kaffee. Auf dem Weg durch den Rest der Stadt fällt aber vor allem die vollkommene Abwesenheit der Polizei auf (bis auf die den Verkehr „regelnden“ Polizisten). Und das merkt man zuförderst durch den Wildwuchs beim Straßenhandel und dadurch, dass offenbar die letzten Tabus gefallen sind. Man sieht Menschen auf der Straße Alkohol konsumieren! Das ist hier verboten, aber da die Polizei eben im Moment nichts macht, tun es die Leute. Und: es werden Pornos auf der Straße verkauft! Mir stockte der Atem. Am helllichten Tage, in einer belebten Einkaufsstraße: Pornos! Daran kann man das Ausmaß der derzeitigen Krise gut erkennen. Es muss schlimm um Syrien stehen. Dann gehen wir die Demo angucken. Aus allen Richtungen strömen sie mit Syrienfahnen herbei. Das wäre mal ne Geschäftsidee hier: Syrienfahnen. Ich glaube, das ist hier der einzige Geschäftszweig, der noch läuft. Ich würde ja sogar diversifizieren und auch russische und chinesische Fahnen anbieten, die man hier zurzeit auch gern sieht. Ich weiß nicht, wie viele es sind, aber es sind viele. Sicher mehr als eine Million, denn es scheint, als sei die ganze Stadt auf den Beinen. Dann, so ab 20 Uhr gibt es Feuerwerke in Permanenz. Ich habe erst gedacht: oh, ein Feuerwerk, und als nach 15 Minuten das Nächste begann, dachte ich: holla, noch eins. Bis zum achten habe ich noch mitgezählt aber jetzt, um Mitternacht wird weiterhin Pyrotechnisches in Permanenz dargeboten. Es scheint grade so, als wollte man dem bösen Geist des Aufruhrs in dieser Hinsicht Herr werden. Seit 22 Uhr nun fahren die Menschen hupend und Fahnen schwenkend durch die Gegend. Die Schlachtrufe sind weithin zu hören: „Abu Hafez“ (Vater von Hafez) ist einer, der mir neu scheint. Tatsächlich heißt der Sohn Baschars – wie sein Vater – Hafez. Aber in der Nennung dieses Namens schwingt natürlich mehr mit. Hafez immerhin hat es `82 hingekriegt, gell? Daneben wird alles, was die nationalistische Musikkiste zu bieten hat laut aus dem Auto gespielt. „Dumdumdumdum Suria dumdumdumdum“ und so weiter. Naja, das meiste kann ich inzwischen mitsummen. Auch, wenn es natürlich eine durch die Regierung organisierte Demo ist, es sind weit mehr, als zu allen Oppositionsdemos kommen würden. Und bei weitem nicht alle sind hierhin zwangsverpflichtet. Sicher aber ist eins: In den Medien im Westen wird man über diese Demo nichts zu hören bekommen. Am Abend erste Mal mit Ali (der sich wieder von besagtem Freund mit der Autovermietung, die eben auf außergewöhnlich beschädigte Vehiküle spezialisiert zu sein scheint, einen Wagen geliehen hatte) zum Berg Qassiun gefahren. Der Wagen hatte den Vorteil, dass er gleichsam durch seine Akustik schon eine Warnung gab, die Alis waghalsige Art zu fahren ankündigte. Das Gefährt hörte sich an, wie eine betagte zweimotorige Propellermaschine beim Startvorgang. Nur, dass dem Getöse kaum eine entsprechende Beschleunigung folgen wollte. So quälten wir uns mit viel Lärm den Berg hoch und dort waren wir nicht allein. Man behauptet nicht zuviel, wenn man sagt, das tout Damas sich dort oben ein Stelldichein gab. Horden von nach Musik aus dem eigenen Wagen tanzenden Kurden, im Wagen feiernde Hochzeitsgesellschaften, die fröhlich trillerten, Jugendliche und Ältere, die gemütlich beisammen saßen und rauchten oder tranken (denn es gab – ich hatte schon erwähnt, dass auch die letzten Tabus in dieser Stadt erodieren – Alkohol zu kaufen) oder wild tanzten (da müssen auch andere Drogen als Alkohol im Spiel gewesen sein). Und durch all die Massen, die von illegalen Cafes bewirtet wurden (kein Felsvorsprung kann zu klein sein, um auf ihm einen Klapptisch und eine Neonröhre anzubringen und dies ein Cafe zu nennen) quälten sich die Wagen derjenigen, die es vorziehen, im eigenen Fahrzeug zu bleiben und dort zu „feiern“ (was hier, wie im Süden ja überhaupt, eine Vorliebe Vieler zu sein scheint). Wir haben ein bisschen gesessen und auf die Stadt heruntergesehen, die sich von hier aus ja wundervoll überblicken lässt. Sie ist eben so groß, bzw. der Berg Qassiun ist eben so hoch, dass die Stadt von hier aus erst am Horizont zu enden scheint und man hat immer den Eindruck von Häusermeer. Dann sind wir weiter, die Einbahnstraße um den Berg herum gefahren, bis Ali auf die wahnsinnige Idee kam (die Abwesenheit jeglicher Ordnungsmacht lässt die Menschen eben auch auf sonderliche Ideen kommen), die Straße entgegen den anderen Fahrzeugen zurück zu fahren. Das Problem, welches sich dabei eben nur stellt: die Straße ist definitiv nicht zwei Spuren breit, von stark schwankender Breite, an beiden Seiten durch unregelmäßig hohe Betonsperren begrenzt und sie ist voll von Menschen und allem, was da rollt. In Deutschland wäre man spätestens nach den ersten zehn Metern von ordnungsliebenden Bürgern aus dem Wagen gezerrt und gelyncht worden. Nicht so in Syrien! Alle haben lachend und scherzend versucht Platz zu machen, um unser (zugegeben langsames) Vorankommen zu ermöglichen. An mehreren Stellen dachte ich schon, wir würden jetzt die ganze Nacht in dieser Position zubringen müssen, denn es taten sich über lange Zeiten keine Lücken auf, in die Ali mit dem Wagen „vorstoßen“ hätte können. Auch nochmals zu wenden wäre ein vollkommen untaugliches Instrument gewesen, der misslichen Lage zu entkommen, da vollkommen hoffnungslos. Aber meist klappte es dann irgendwie, mit dem ein oder anderen abgefahrenen Außenspiegel und der ein oder anderen zusätzlichen Schramme doch voranzukommen. Mehr als ein Mal war es allerdings nötig, dass Passanten regelnd in das Verkehrsgeschehen (denn von Verkehrsfluss kann nicht die Rede sein) eingriffen, um allzu verknotet erscheinende Zusammenballungen von Fahrzeugen zu entflechten, aber die Stimmung blieb die ganze Zeit fröhlich und ausgelassen, man sang und klatschte weiter den Takt der viel zu laut aus jedem der ineinander verkeilten Wagen schallenden Musik. Die Kompliziertheit des Vorankommens wurde nicht dadurch gemindert, dass Ali sich in einer besonders verworrenen Situation entschlossen hatte, auf Linksverkehr umzusteigen. Leider war er eben der Einzige der es tat und so war es nicht nur nötig uns auf einer viel zu engen Straße (auf der wir uns wie gesagt in die falsche Richtung bewegten) Platz zu machen, sondern dies immer auch noch nach links. Wir haben für die Strecke, die man zu Fuß gut in fünf Minuten zurücklegen würde fast eine dreiviertel Stunde benötigt, aber es hat (wohl allen Beteiligten) viel Spaß gemacht. Ja, echter Spaß und gute Laune können so günstig, lediglich durch ein paar harmlose Regelübertretungen zu haben sein. 2011

Sandige Orte, habsüchtige Frauen und phosphorisierendes Eis

Der Wind von gestern hat sich in einen veritablen Sandsturm gewandelt. Ich halte in guter Erinnerung Fenster und Türen geschlossen, soweit man bei diesen Fenstern und Türen von geschlossen reden kann, bei fußballgroßen Löchern oder teils fehlenden Scheiben. Solange ich am Vormittag zuhause bleibe und lese ist alles klar. Aber als ich am Nachmittag eine Landpartie vage, um Khalet zu besuchen, der Richtung Dara’a in Sehnaya wohnt, wird mir recht schnell klar, dass das ein Unterfangen ist, bei dem ich einsandungstechnisch an meine Grenzen gerate. Schon während der Hinfahrt bin ich allein durch den permanent ins Fenster wehenden Dreck complettement eingestaubt. Aber bei fast 40 Grad schließt man das Fenster auch nicht so einfach ungestraft. Nach einer kurzen Runde durchs Dorf, in dem es fast keine asphaltierte Straße gibt, wird mir der Vorzug solcherlei Straßenbelages, insbesondere bei starkem Wind recht schnell deutlich. Man kann vor Staub und Sand die Hand vor Augen kaum erkennen, wenn man sich denn traut, die Augen offen zu halten. Ich lasse mich eher wie ein Blinder mit zugekniffenen Augen durch die Gegend geleiten. Ich war noch nie so staubig und dreckig! Sogar an den Wimpern haben sich leine Sandperlen aufgereiht! In einen sandig-grauen Film gehüllt steige ich zuhause unter die Dusche und siehe da: auf dem Boden dieser bildet sich eine kleine Sandlandschaft nach, deren Sandbestand sich allein aus meinen Haaren und von meiner Haut speist. Erstaunlich! Rafik erlebt unterdessen der Kühlschrankreparatur-Arie letzten Akt: die Kühlschrankreparaturbezahl-Arie! Nachdem der Vermieter nach einigen Hin und Her ja sagte, dass wir das reparieren lassen sollen, er es bezahlen werde, hieß es nun heute von seiner Frau, die uns das Geld aushändigen sollte, dass das zu teuer sei und wir die Hälfte selbst zahlen sollten (wieder mit der Argumentation, der Kühlschrank habe ja funktioniert, als wir die Wohnung übernommen hatten). Das Problem: das Prinzip! Es handelt sich nicht um eine große Summe, aber ich sehe nicht ein, in einer Wohnung, für die ich eine recht erhebliche Miete entrichte, auch noch für die Reparatur notwendiger Küchengerätschaften aufzukommen. Rafik und ich hatten uns also schon darauf geeinigt, dass wir mit einer Beschwerde beim Tourismusministerium drohen würden, denn dieses hat ja ob der Krise im Tourismus im Moment gar nicht allzu viel zu tun und ihm wird das Wohlergehen eines der letzten Touristen in diesem Lande bestimmt am Herzen liegen. Ein Anruf beim Vermieter klärt die Sache aber auf, denn er beginnt uns sogleich von seiner geldgierigen Frau zu klagen, die alles an sich raffe und stellt uns in Aussicht, selbstredend auch die zweite Tranche der Kosten zu übernehmen, wenn doch bloß seine habsüchtige Frau ihn lasse, aber das werde er schon hinbekommen. Nun, wir warten auf seine Rückkehr in die syrische Kapitale, denn zur Zeit hält er sich für Trauerfeierlichkeiten an der Küste auf. Wir telefonieren mit Hamoudi aus Hama - dem Hotspot des Geschehens. Er würde gern nach Damaskus kommen, aber er traut sich nicht. Der Weg ist manchmal zu gefährlich. Nicht wegen der Soldaten! Tatsächlich wegen bewaffneter „Banditen“ (ob man es nun glaubt oder nicht!). Reisebusse fahren wohl zur Zeit nur noch mit Militäreskorte, und dennoch passiert ab und zu mal was. Er bleibt also in Hama und sagt uns auf Nachfragen, dass es tatsächlich nicht die Soldaten seien, die dort Probleme bereiten, sondern andere Elemente, die auch nicht aus den Sicherheitskräften kämen. Die blöden berichte über in alle Richtungen schießende Soldaten, vor denen sich die Bevölkerung in Sicherheit habe bringen müssen seien wirklich übertrieben gewesen. Rafiks Verwandte in Homs haben ihm Ähnliches von dort berichtet. Oh man! Verwirrend! Wie durch ein Wunder sind wieder Erdbeeren in dem kleinen Obstladen bei mir um die Ecke aufgetaucht, der sonst durch ein eher bodenständiges Angebot bestickt. Ob es sich um eine Laune der Natur, ein Trick des israelischen Geheimdienstes oder eine neue Errungenschaft der niederländischen Lebensmittelindustrie handelt, kann ich nicht sagen. Geschmacklich bewegen sie sich – wie ich später feststellen dufte – im mittleren Segment. Da ich vorhatte, sie mit Eis zu mir zu nehmen, habe ich welches erstanden, das mich dann zuhause doch überrascht hat: die Geschmacksrichtung „Erdbeer“ (Es gab kein reines Vanilleeis) bestickt vor allem durch ihr phosphorisierend leuchtendes Pink! Insbesondere im Kontrast zu den „natürlichen“ Erdbeeren mit ihrem satten, dunklen Rot fällt auf, dass es sich nur schwerlich um die Farbe von Erdbeeren handeln kann, sondern wohl eher um das, was sich der Syrer unter der Farbe von Erdbeeren vorstellt (oder was die Lebensmittelchemiker der Firma Ülker über diese Vorstellung vermuten). Überhaupt haben die Lebensmittel hier oftmals andere Farben, als bei uns. Sei es durch das Weglassen oder Hinzufügen von färbenden Zusatzstoffen. Milch ist bei uns ja meistens weiß. Ich glaube fast, das sie so auch aus der Kuh kommt. Hier aber hat sie die Farbe, die bei uns Vanillemilch hätte, ein mildes gelb! Dafür ist der Käse, der bei uns ja eher gelb ist, hier oftmals etwas gräulich – was ich unappetitlich finde. Über die Farbe der Bonbons (alle phosphorisierenden und abscheulich-künstlichen Farben der chemischen Industrie) ganz zu schweigen! Und selbst Saft muss hier bunt sein! Am Abend ruft Michel an, er sei auf dem Weg zum Menschiye, daher gehe auch ich später noch mal dahin und schnacke lange mit ihm. Gegen zwei Uhr nachts wird die Szenerie bedrohlich. Erstens treibt sich nur noch Halbwelt um diese Zeit in dieser Gegend rum, zweitens sehe ich das erste Mal das, was die internationalen Medien immer als „thugs“ beschreiben. Männer in zivil mit Holzknüppeln. (In Wahrheit sehe ich nur einen – aber das reicht ja schon.) Mir wird sofort klar, dass eine der zentralen Forderungen an einen demokratischen Rechts-Staat sein muss, dass diejenigen, die das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen, Uniformen zu tragen haben. Bei diesen Banden weiß man eben gerade nicht (und das wird sicher bewusst eingesetzt), wer es denn ist. Der Staat kann immer sagen: wir sind es gar nicht, es sind bewaffnete Banden! „Bewaffnete“ Un-Uniformierte lassen eben gleich eine diffuse Bedrohung entstehen, die Menschen einschüchtert. 2011

Unbekannte Lieblinge am Telefon und Nordkorea im TV

Rafik bekommt einen Anruf. „Ah, wie geht es dir?“ – „Was gibt es Neues?“ – „Liebling meines Herzens!“ – „Du meine Seele!“ – „Ich vermisse dich!“ – bis hierhin denkt man, es handle sich zumindest um einen guten Bekannten, wenn nicht gar um eine heiß flammende Liebe. Für den Start eines Telefongespräches kommt es einem Europäer zwar ziemlich schwülstig und langatmig vor (denn bei uns würde man sagen: „Zur Sache Schätzchen!“), zumal auf der Gegenseite ja noch mindestens ebenso viele Nettigkeiten geäußert wurden, aber ok. Nun aber die Ernüchterung: „Mit wem spreche ich denn da?“ – „Wer? - Ah, und Wie heißt du?“. Rafik spricht mit einem ihm bis dahin Unbekannten, der die Nummer von einem Freund hat, der gehört hatte, dass Rafik Maler ist und der nun etwas zu malen hat. All’ die zuvor geäußerten Freundlichkeiten galten einem Unbekannten! Man stelle sich geschäftliche Telefonate bei uns in der Art vor! Die syrische Wirtschaft kann ja zu nichts kommen, schon allein wegen des aufwändigen Telekommunikationsverhaltens zu Anbahnung von Geschäftskontakten. Handelseinig wurde man sich übrigens bis dato nicht. Während ich im Internetcafe die Heimat beruhige, dass die angeblich in Damaskus stattgefunden habenden Schießereien (von denen ich natürlich auch nur aus dem Fernsehen erfahre) mich nicht tangiert hatten, wartet Rafik wieder einmal auf einen Handwerker, der diesmal nun den antiken Kühlschrank reparieren soll. Abends gegen halb zehn kommt er. Immerhin machen Handwerker hier nicht um 16 Uhr Feierabend. Allerdings kann er nicht viel ausrichten. Er kommt morgen wieder. Zumindest war zwischenzeitig jemand da, der unsere Fernsehanlage auf Vordermann gebracht hat. Bis dato konnten wir ja nur fünf Programme sehen (Nordkorea -!-, einen philippinischen Kochsender und drei arabischsprachige Sender, auf denen den ganzen Tag der Koran rezitiert wird). So wird man wenigstens nicht fernsehsüchtig. Da wir nicht mal die regierungsamtlichen Verlautbarungssender der Arabischen Republik Syrien empfangen konnten, handelte es sich mit Sicherheit nicht um Zensur, sondern eher um eine Attacke bewaffneter salafistischer Banden auf unsere Sattelitenschüssel. Für nur 500 Lira (8 Euro) haben wir nun also den vollen Empfang aller 888 Sattelitenschrottprogramme incl. BBC World und DW-Schnarch. Ich habe immerhin 15 Minuten benötigt um festzustellen, dass ich außer Nordkorea eigentlich keinen weiteren Sender benötige. Auf unsrem Weg nach Qabun habe ich aus dem Taxi heraus sehr viele Parolen gesehen, die übermalt waren. Bis auf das Allah-u-Akbar – Gott ist größer – waren die Schriftzüge unkenntlich gemacht, übersprüht oder übermalt. Suse meint, es komme auch inzwischen bei denjenigen, die das System vage unterstützten wegen der permanenten Jubelparaden zu ersten Abwehrreaktionen. In der Tat hat die Regierung in Damaskus jeden Tag zu einer Jubelparade eingeladen und alle (ja, alle!) Plakatwände der Stadt mit Syrien-Werbung zugepflastert. Man wünscht sich so sehnlich mal eine ganz normale Persil-Werbung! Andererseits werden die Treffen der Regierung mit Oppositionellen hier (anders als im Westen) mit großem Erstaunen wahrgenommen. Rafik, Michel, auch der Mann von Suse meinten, so etwas habe es noch nie gegeben. Es seien viele namhafte Oppositionelle dagewesen (Michael Kilo, die Kurden, die Kommunisten, gemäßigte Islamisten, etc.), es seien Dinge geäußert worden, wegen derer man noch vor Kurzem verfolgt worden wäre (Forderungen nach einem Ende der Alleinherrschaft der Baath-Partei, die Morde der Sicherheitsorgane an friedlichen Demonstranten, etc.) und eshabe insgesamt eine sehr offene Berichterstattung darüber gegeben. Man kann sch nicht erklären, warum der Westen berichtet habe, es seien keine Oppositionellen gekommen, denn die einzigen, die nicht da waren (was vorher klar war), waren die konservativen Islamisten. Obwohl sogar Vertreter der gemäßigten Muslimbrüder da waren (!). Warum der Westen nun auf einmal auf den islamistischsten Teil der Auslandsopposition, auf die konservativsten Kräfte innerhalb der Muslimbruderschaft setzt, bleibt vielen hier schleierhaft. Vielleicht soll an eine gute alte Tradition angeknüpft werden, Extremisten – siehe Taliban in Afghanistan – gegen andere Regime zu unterstützen? Am Tag darauf kommt selbstredend mit deutlicher Verspätung der wie ein IT-Lauch aussehende Kühlschrankreparaturfachmann. Er stellt gleich fachmännisch fest, dass der Kühlschrank wohl kaputt sei. Angeblich der Motor. Nun wenn’s denn sein soll. Es gibt einen malaysischen für ca. 35.- Euro, einen chinesischen für 28.- und einen ägyptischen unbekannten Preises. Nach langem Hin und Her (an dem ich mich aufgrund meiner mangelnden Sprachkenntnisse nur marginal beteiligen kann, ist die Diskussion an einem Punkt, der mein Einschreiten notwendig macht: Um die Kosten zu drücken, sollten wir uns doch umschauen, ob wir auf dem Diebesmarkt an der Straße der Revolution nicht einen kompletten, gebrauchten Kühlschrank erstehen, den wir dann gegen dieses Exemplar austauschen könnten. Da ich weiß, das ein solches Unterfangen uns nicht nur den letzten Nerv, sondern mindestens drei weitere Tage kosten würde, wobei die Kosten dann unvorhergesehener weise (Transport, wasauchimmer, undsoweiter Gebühren) an anderer Stelle explodieren und ich die Kosten von ca 30.- Euro nun auch wieder nicht so hoch finde, zumal uns der Vermieter diese ja wird erstatten müssen, insistiere ich auf einer sofortigen Reparatur. Nun, sofort heißt, dass der Fachmann erstmal abreist, um einen Motor zu erstehen, was drei Stunden in Anspruch nimmt, so dass er erst wieder gegen halb zehn abends bei uns auftaucht (diese Arbeitszeiten halten auch keiner Arbeitszeitverordnung stand!). Erstmal müssen dann Gasflaschen und diverses Gerät in die Wohnung geschafft werden, dann beginnt der Herr sein Werk. Er schweißt und lötet, schraubt und schneidet was das Zeug hält. Stundenlang! Gegen Mitternacht fehlt noch ein Teil. Er geht wieder, um es zu besorgen, was jetzt wundersamer Weise ganz schnell geht. Dann müssen nur noch diverse Röhrchen miteinander verbunden werden, Schläuche luftleer gepumpt, alles aneinander gesteckt und mit Gas gefüllt werden. Ich hatte mir nicht in meinen schlimmsten Vorstellungen ausgemalt, wie kompliziert es sein würde, diesen alten Kühlschrank wieder zum Laufen zu kriegen. Vermutlich wäre der Kauf eines gebrauchten anderen Gerätes doch leichter gewesen. Gegen ein Uhr nachts wird er dann ausprobiert, mit der Ansage, dass, wenn alles gut gegangen sei, es nun nur noch eine halbe Stunde dauern würde. Eine syrische halbe Stunde! Um halb drei nachts stellen wir fest, dass Brecht („Alles Neue ist besser als alles Alte“) irrte. Der neue Motor ist lauter als der alte. Aber er kühlt wenigstens wieder. Immerhin! 2011

Schrottreife Fahrzeuge, antiquierte Öfen und die politische Lage

Nach dem Frühstück fahren wir mit einem Wagen, den Ali auf irgend eine Art und Weise ergattert hatte (ich glaube ein Bekannter von ihm hat eine Wagenvermietung, die sich augenscheinlich auf schrottreife Fahrzeuge spezialisiert hat, und Ali hat es übernommen, mit diesem Wagen zu einer Werkstatt zu fahren, die aber erst ab 19 Uhr geöffnet ist, so dass wir vorher noch zusammen den Wagen nutzen können) zum „Schwimmbad der Jugend“. Es ist voll und obwohl normalerweise Freitag der offizielle Tuntentag ist (wie der „gay-event-calendar“ der Stadt Damaskus ausweist), haben sich auch heute viele gleichgeschlechtlich Veranlagte (tragischer und weniger tragischer Natur) im Bad eingefunden. Obwohl wir im Schatten sitzen, habe ich hinterher leider einen Sonnenbrand, allerdings keinen schlimmen. Die Qualität des Wassers malheureusement, lässt zu wünschen übrig. Es ist trüb’ und mit zahlreichen Schwebepartikelchen versehen, deren Herkunft man sich nicht näher ausmalen möchte. So gehen wir beide nur zwei Mal und recht kurz hinein, als es sich ob der großen Hitze gar nicht mehr vermeiden lässt, duschen uns hinterher gleich ab und beten zu Gott, dass unsere Haut widerstandsfähig genug sein werde, die Keim-Attacken abzuwehren. Das andere Schwimmbad (in Rabwe) ist eindeutig mein Favorit! Ich bin bei Michel zum Mittagessen. Köstlich! Er hat ein Ofengericht zubereitet, in einem Ofen, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Er sieht aus, wie eine platte, ausgebaute und auf dem Boden stehende Wäscheschleudertrommel, die an einem altertümlichen Kabel an der Steckdose hängt. Da dieser Ofen trotz seines antiqierten Aussehens schon aus einer Zeit stammt, zu der es elektrischen Strom gab, arbeitet er mit eben diesem. Um so ärgerlicher, wenn während der Garzeit von einer Stunde der Strom zwei Mal ausfällt, sich die Garzeit so um mehr als das Doppelte verlängert. Immerhin bekommen wir irgendwann das köstliche Mahl auf den Tisch. Er wohnt in einer ganz reizenden, ruhigen und sehr europäisch eingerichteten Wohnung am Bab Touma. Nach dem Essen hören wir noch ein paar Platten (unter anderem die neue von Fayrouz: „Eh fi amal“ – „Ja, es gibt Hoffnung“, die ich mir gleich danach kaufe, da sie so wunderbar ist. Sie ist erst letztes Jahr erschienen und Fayrouz ist da schon 72 Jahre alt, hat aber immer noch eine göttliche Stimme). Rafik versucht unterdessen die Reparatur der Klimaanlage – fünfter Teil – zu beaufsichtigen. Diesmal mit immerhin mäßigem Erfolg, was mich froh stimmt, da ich nun die berechtigte Aussicht habe, bei unter 40 Grad schlafen zu können. Wir sollen sie, da es sich um ein so altersschwaches Gerät handelt, aber immer nur höchstens zwei Stunden laufen lassen, dann wieder ausstellen. Ja, so kriegt man die Wohnung vielleicht wenigstens zeitweise auf unter 40 Grad. Was schön wäre, denn der Kühlschrank hat seinen Geist aufgegeben. Lebensmittel haben hier aber bei über 40 Grad ohne Kühlung eine erschreckend kurze Halbwertzeit. Das Eis konnte ich selbstredend sofort entsorgen, aber auch der Joghurt, die Milch, selbst das Obst werden von der Hitze nicht besser. Da der Hauswirt meint, er habe uns ja einen heilen Kühlschrank übergeben, beharrt er darauf, dass wir unsum die Reparatur zu kümmern hätten. Und da sage noch einmal Einer, dass Deutschland eine Servicewüste sei! Er hat natürlich recht, das antike Stück (geschätztes Alter: 40 Jahre) war uns heil - wenngleich eben schon recht altersschwach - übergeben worden. Aber was ein dummer Zufall auch! Es kühlt nun eben nicht mehr. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, glaube aber, dass Rafik morgen sicher einen Fachmann (noch dazu Inscha’allah einen gutaussehenden) finden wird, der sich der Sache für ein wenig Geld annimmt. Am Abend treffe ich einen Bekannten aus der Gegend meiner alten Wohnung und wir gehen in ein von einem vormals in Wien lebenden Syrer geführtes Cafe. Erstaunlicherweise wird recht offen über Politik gesprochen (allerdings auch mit stark österreichischem Akzent). Die Verachtung gilt vor allem den Verwandten des Präsidenten, allen voran dem Cousin, an denen hier niemand ein gutes Haar lässt, aber die Einschätzung ist auch hier, dass sich die Regierung halten wird und dass das besser sei als alle drohenden Alternativen (islamistische Regierung, Chaos und Bürgerkrieg). Fuad spricht sehr gut Deutsch und wir können eine komplette Unterhaltung (sogar über politische Themen!) auf Deutsch führen. Ich hatte mich mit ihm getroffen, da er sich auf seinem Facebook-Profil, im Gegensatz zu allen anderen meiner syrischen Bekannten, dezidierter politischer Stellungnahmen enthält, ich ihn aber noch als sehr politischen Menschen in Erinnerung hatte, der sehr genau wusste, dass er nach Deutschland wollte, nicht nur, weil man dort gut studieren, sondern auch seine Meinung äußern kann. So dachte ich, ich könnte vielleicht eine recht „neutrale“ Einschätzung der Lage bekommen. Seine Freunde teilen sich in zwei Gruppen. Die einen, die permanent regierungstreue Statements abgeben und die anderen, die den Aufruhr unterstützen. Erstaunlicherweise hat das laut Fuad bisher nicht zur Belastung der Freundschaften geführt. Gute Freunde können sehr wohl glühende Verfechter des Aufruhrs, als auch felsenfeste Unterstützer des Regimes sein, ohne dass ihre persönliche Freundschaft darunter leidet. Welche Seite man unterstützt hänge davon ab, ob die Familie Geld habe, also von den bisherigen Verhältnissen profitiere, und woher jemand käme. Wenn jemand aus einer Gegend wie Jableh oder Hama komme, sei es wahrscheinlicher, dass er die Proteste unterstütze, allein schon in Solidarität mit seiner Heimatstadt. Dass es in einigen Gegenden der Umgegend von Damaskus zu Protesten komme, in anderen nicht, hänge auch von den jeweiligen Moscheen ab. Wo die Sheiks eher regierungskritische Freitagspredigten hielten, sei die Chance auf anschließende Proteste größer (Qabun, Bab El-Sriji). Insgesamt verlaufe die Grenze aber entlang den Bildungs- und Einkommensgrenzen. Je ärmer und ungebildeter die Bevölkerung sei, desto eher zum Protest bereit. Nur Midan sei eigentlich ein recht bürgerliches Viertel, aber eben so konservativ bis islamistisch, dass es schon von daher in Opposition zur Regierung stehe. Wie es weitergeht, weiß wohl so genau niemand. Die europäische Einschätzung von einem kommenden Bürgerkrieg teilt hier aber niemand. Am häufigsten hört man, dass es lange dauern werde, dass die Regierung die Aufstände aber niederschlagen werde und nicht ernsthaft gefährdet sei. Ob es dann wirklich zu den angekündigten Reformen kommt, daran glauben dann schon weniger, als an die Niederschlagung der Unruhen. Die ökonomischen Probleme werden von Fuad nicht als so gravierend angesehen, denn Syrien verfüge über ausreichende Mengen Öl und habe mit China, Russland und dem Iran potente Partner. Man könne sehr gut auf Amerika und die Europäer verzichten. Die großen Aufträge gehen dann an chinesische oder russische Firmen, die die syrische Regierung vorbehaltlos unterstützen. Es sei zwar zur Zeit schwierig aber eine ökonomisch brenzlige Situation sei das noch nicht, eher eine Phase der Umorientierung. 2011

„the fastest killing ever“ und Fahnenschwenken als social event

Ich musste, um des Ameisenbefalls meiner Behausung Herr zu werden doch zu härteren Mitteln greifen. Jetzt habe ich den Salat und die Wohnung stinkt wie eine ausgeräucherte Kakerlakenhöhle. Das herkömmliche Ameisenpulver führte nur dazu, dass die Ameisenhauptwanderwege um einige Zentimeter verlegt wurden. Mein superschlauer deutscher Haushaltstipp: Backpulver, von dem ich nicht mal weiß, ob er in Deutschland eine Wirkung zu entfalten in der Lage wäre, hat hier ganz und gar nicht geholfen – au contraire! Die Ameisen scheinen Backpulver hier zu lieben und alle ihre Freunde dazu einzuladen und denken nicht im Traum daran, zu sterben. Also musste es „the fastest killing ever“ aus dem Supermarkt sein. Ein schöner Slogan! Und tatsächlich: deutliche Reduktion der Ameisenpopulation allerdings um den Preis, dass die Wohnung nun nur noch mit offenen Fenstern zu betreten ist, was bei den 36 Grad den Effekt der Klimaanlage konterkarieren würde. Aber diese hat nun eh schon nach zwei Tagen wieder den Geist aufgegeben. Vermute, dass die Ersatzteilbeschaffung für das antike sowjetische Liebhaberstück sich wieder langwierig gestalten wird... Am Nachmittag das erste Mal im Kino gewesen. Alles wie gehabt: ägyptische Komödien und amerikanische Action-Film-Verschnitte. Dass es zwischen den Filmen keine Pause mehr gab, laste ich mal der Unaufmerksamkeit des Filmvorführers an und schließe also nicht auf eine Direktive des Präsidenten zur Verhinderung spontaner Proteste in Kinopausen. Allerdings ist das Büffet, welches von einer entzückenden jungen Tunte betrieben wurde, nicht mehr vorhanden. Der Chipsständer steht noch verwaist in der Ecke und auf Nachfrage werden auch noch kühle Getränke ausgegeben. Aber die Verkäuferin ist, wie mir auf Nachfrage mitgeteilt wurde, nun in der Türkei und versucht sich dort ein Leben aufzubauen, fern ihrer Familie (aus der syrischen Provinz), die sie hier wegen ihrer Homosexualität verfolgte. Ich hoffe, dass sie Glück hat. Am Abend bin ich bei Suse meiner alten Freundin. Auf dem Weg ist wegen der zahlreichen Händler auf der Straße kein Durchkommen. Jeder Quadratmeter Fußweg wird mit Waren zugestellt. Die Polizei, die vormals solche Straßenhändler vertrieb, hat gerade offenbar an anderer Stelle genug zu tun und lässt sie gewähren, auch um nicht einen weiteren Unruheherd zu schaffen und weil, wie Rafik mir erklärt, wegen der allgemein schlechten Wirtschaftslage die Regierung den Leuten eh keine andere Arbeit anbieten könnte. Ja, die Regierung muss sich hier eben um alles kümmern! Auch um Dinge, für die Gemeinhin die Wirtschaft zuständig wäre. Dass die Wirtschaftslage schlecht ist, stelle ich auch an einem anderen Ort fest: das Maged-Hotel ist wegen Mangel Gästen komplett geschlossen. Suse berichtet von der Schließung des Goethe-Instituts. Sie ist noch immer empört. Von einem auf den anderen Tag wurde alles abgebrochen. Es sei eine richtige Weltuntergangsstimmung gewesen. Einige Studenten hätten geweint und seien verzweifelt gewesen, die meisten Lehrer ratlos, warum jetzt und warum ohne jede Ankündigung. Von einem auf den anderen Tag hat dann die Leitung das Land verlassen. Nur zwei der Lehrerinnen sind auch abgereist. Eine, die seit 32 Jahren hier war, hatte 1982 Hama miterlebt. Die andere wohnte außerhalb von Damaskus und kriegte Panik, als sie Panzer in der Straße gesehen hat. Alle anderen Lehrer sind geblieben. Man hätte die Kurse, die in zwei Wochen beendet gewesen wären, ohne Probleme zu Ende bringen können. Unverständnis, dass ein Institut solcher Art in einem derartigen Land offenbar keinerlei Krisenplan hatte. Die Leitung wirkte vollkommen kopflos. Bis auf die Zettel „Bis auf Weiteres geschlossen“ wurde Nichts veranlasst. Es gab keine Erklärung, keine Rückzahlung der Gebühren, keine Beendigung der Kurse, keine Examen und vor allem zu dem Zeitpunkt keinen Grund. Das ist es, was Suse am meisten aufregt. Sie hat, wie viele ihrer Kollegen die Kurse bei sich zuhause privat noch zu ende geführt. Bei unseren kleinen politischen Diskursen stellen wir fest, dass die enormen Manifestationen für den Präsidenten natürlich zum Teil organisiert, aber eben auch von vielen freiwillig besucht werden. Dabei ist das offenbar eher so eine Art Event. Ich hatte gestern schon das Gefühl, dass diese "Party" genannten "Demos" was von Fußballereignissen haben. Eine unbeschwerte Freizeitbeschäftigung. 80% derjenigen, die dort hingehen, mithupen und Fahnen schwenken würden das sicher auch für alles andere machen. Einige gehen eben hin, weil es ein social event ist. Aber es ist doch noch etwas mehr und dieses Mehr ist der politische Aspekt daran, denn diejenigen, die dort hingehen sind nicht vor allem an diesem Regime interessiert, sondern ihr vorrangigstes Begehr ist Ruhe und Frieden. Sie wollen vermeiden, dass Syrien in einen Bürgerkrieg abdriftet, die Möglichkeit, die Michel, Rafik und andere erstmal verneinen, wobei sie sich aber schnell eines Schlechteren belehrt sehen könnten, wenn man die Lage mit dem Irak oder dem Libanon vergleicht, was eben durchaus doch möglich ist. Da dieses Regime eben Frieden und Ruhe bietet, sind sie bereit es zu tolerieren, auch wenn sie desweiteren nicht zu seinen Profiteuren gehören. Aber es sind noch andere wichtige Dinge geschehen. Zum Beispiel ist – wie sollte es anders sein – die erneute Klimaanlagenreparatur erfolglos geblieben. Als der Fachmann, von dem ich bis heute nicht überzeugt bin, da ja schon die letzte Reparatur nurmehr zufällig fruchtete (und ich natürlich nicht im Traum geglaubt hatte, dass diese Klimaanlage länger als drei Tage funktionieren würde) mit dreistündiger Verspätung endlich erschien, waren wir bei nunmehr 45 Grad unterm Dach bereits im wahrsten Sinne des Wortes weichgekocht. Zum Glück stellte sich recht zügig heraus, dass er nicht viel würde ausrichten können. So hat er sein erneutes Kommen für morgen Nachmittag annonciert. Sollten neuerliche Bemühungen seinerseits ähnlich fruchtlos verlaufen wie heute, werde ich mit Nachdruck einen Ventilator fordern! Bei inzwischen 40 Grad Außentemperatur abends sind bei mir unterm Dach in der Wohnung sicher noch über 45°. Da ist ein besonderes Kühlmanagement erforderlich, denn wieder ist alles, was man anfasst deutlich wärmer als man selbst, was ein komisches Gefühl ist (auch das Bett, das einem Heizbette gleicht). Ich bewundere meinen Laptop, an dem ich mir gerade die Finger fast verbrenne, dass er immer noch läuft. Ich sprühe mich mit gekühltem Wasser aus dem Sprühzerstäuber ein, das kühlt gut. Und ich gieße Wasser auf den Balkon, in der Hoffnung von der Verdunstungskühlung zu profitieren. Zu guter Letzt gehe ich geduscht und unabgetrocknet ins Bett – man will nichts unversucht lassen, die Nacht zu überleben ohne den Hitzetod zu sterben. Nach Suse sehe ich noch Rafik im Park. Wir trinken Tee am Marje, danach zu Ian in den Menschiyye-Park, wo die Hölle los ist! Tunten aus allen Teilen des Landes haben sich nun hier versammelt. Eine größere Dichte an homosexuellen Menschen unter freiem Himmel habe ich außerhalb eines Gay-Prides selten gesehen. 2011

Süßer Nescafe und eine unübersichtliche politische Lage

Ich treffe mich mit Ian im Park. Nescafe und die politische Lage. Erstes zu süß und letzteres unübersichtlich. Ja na klar, sie ist Thema – wie sollte es anders sein? Aber eben doch noch viel differenzierter, als ich es mir in Deutschland mit meinem kleinen Euro-Hirn schon ausgemalt hatte. Ich habe ja nun bisher vor allem mit Rafik und Michel (einem palästinensischen Suniten und einem syrischen Christen) darüber gesprochen. Beide kennen Europa, Deutschland, Demokratie und unsere Lebensweise gut. Beide sind weder fanatisch in die eine (Religiöse Fanatiker) noch in die andere (Baathisten) Richtung. Und beiden gestehe ich eine gute Auffassungsgabe, ein scharfes Gespür für politische Trends und ein entsprechendes Hintergrundwissen zu. Das ist wichtig zu betonen, denn beide äußern Dinge, die man in Europa gern mit „Verschwörungstheorie“, „Spinnkram“ oder anderem ähnlich Gelagertem abtun würde. Für die Masse der in Deutschland Nachrichten Sehenden stellt sich die Lage doch wie Folgt dar: unterdrückte Bürger gehen gegen ein zutiefst korruptes Regime auf die Straße, fordern Demokratie und Freiheit und werden von den Schergen des Regimes erschossen oder festgenommen und gefoltert. Diese durch die Muslimbrüder („Syrian Revolution“) propagierte und über Al-Jazeera kritiklos in alle deutschen Medien übernommene Sichtweise drängt sich einem auf, wenn man einfach nur mal ein paar Tage Nachrichten in Deutschland sieht. Was nun allerdings Rafik und Michel äußern klingt viel differenzierter, allerdings auch viel komplizierter. Und das geht so: Erstens: es gibt Demonstrationen für mehr Freiheit. Diese sind verstärkt in den Gegenden (Daraa, Hama, Homs), in denen die Muslimbrüder eine komfortable Basis haben und es drängt sich der Verdacht auf, dass das, was dort mit „Freiheit“ gemeint ist, vor allem Freiheit von anderen Religionen als einem falsch verstandenen, fanatischen, sunnitischen Islam sein soll. Parolen, die dort gerufen werden: „Aleviten töten und Christen in den Libanon“. Das heißt nicht, dass die Massen das wollen, sondern nur, dass viele Menschen dort von einigen wenigen instrumentalisiert worden sind und werden. Das hat mit Demokratiebewegung so wenig zu tun, wie die Bewegung gegen den Paragraphen 218 mit dem Papst. Zweitens: Es gibt Gegenden, wo offenbar tatsächlich bewaffnete Banden ihr Unwesen getrieben haben und treiben (Jsr Al-Schugur, im Norden an der türkischen Grenze, in der Provinz Idlib), auch wenn diese immer weiter in den Norden abgedrängt werden. In diesen Gegenden fanden vor den Unruhen keinerlei Demonstrationen statt, die das Regime hätte niederschlagen können. Es ist in diese Städte einmarschiert, nicht um eine wie auch immer geartete Demokratiebewegung zu unterdrücken, die es dort eben gar nicht gab, sondern offenbar wirklich um bewaffnete Banden zu bekämpfen. Nun fragt sich der Syrienkenner: ein Land, in dem der Geheimdienst weiß, ob ich heute Abend ein Käsebrot oder ein Wurstbrot gegessen habe, soll davon nichts mitkriegen, dass bewaffnete Banden ihr Unwesen treiben? Das wird zum Einen mit Korruption innerhalb der Geheimdienste erklärt, die offenbar gegen Geld ein Auge zugedrückt haben, zum Anderen spielt da die Türkei eine ungute Rolle. Aus der Türkei sind anscheinend größere Mengen Waffen an die Muslimbrüder in Syrien geliefert worden. Gleichzeitig wurden die ersten Flüchtlingslager jenseits der Grenze Wochen vor dem Ausbruch der Unruhen eingerichtet (und eine Einladung an die Syrer mehrfach ausgesprochen, doch bitte zu flüchten). Die Türkei wusste also recht zeitig, dass es dort, in der grenznahen Region zu Unruhen kommen würde, hat was die kommenden Flüchtlinge angeht, vorgebaut und die Unruhen selbst mit hervorgerufen. Dieses Vorgehen kennen wir von Rumsfeld, der ja wusste, dass Saddam Hussein Chemiewaffen hatte, da er sie ihm zuvor selbst verkauf hatte – ganz so neu ist so ein Vorgehen in der internationalen Politik also nicht. Dass die Türkei dann zeitgleich den Muslimbrüdern einen „Oppositionskongress“ in der Türkei bereitet, wo diese sich als syrischer Widerstand präsentieren können, ist ein ähnlicher Freundschaftsdienst, als würde Syrien einen Kongress der PKK auf syrischem Gebiet organisieren. Wer solche Freunde hat... Drittens: Es gibt Demonstrationen für Demokratie und Freiheit (überall und immer mal wieder), bei der vom Geheimdienst Menschen festgenommen oder erschossen werden. Viertens: Viele der mit großer Entrüstungdem Regime in die Schuhe geschobenen Gräueltaten (nicht alle!) sind inszeniert. Die Landstraße bei Daraa mit den blutverschmierten Leichen ist wohl ein gut gemachtes Video mit viel Theaterblut (was inzwischen angeblich belegt ist). Die friedlichen Gläubigen in Daraa hatten ihre Moschee voller Waffen und haben nicht „Olivenzweige“, sondern Gewehre zur Begrüßung der Soldaten geschwenkt. Die beiden jugendlichen Folteropfer in Daraa (deren Schicksal jeden zivilisierten Menschen erschaudern lies) sind (lt. Michel von jordanischen Ärzten mehrfach bestätigt) nicht von staatlichen Stellen, sondern nach ihrem Tod von Verbrechern so hergerichtet worden, damit sie zu Propagandazwecken gegen das Regime ausgenutzt werden können (man weiß nicht, was geschmackloser ist). Rafik und Michel zählen eine ganze Reihe von offensichtlichen Lügen und Fehlinformationen auf, die uns aber zuerst als Nachrichten aufgetischt worden sind, wohingegen wir vom kleinlauten Dementi kaum etwas erfahren haben. Fünftens: In Damaskus und Aleppo, aber zunehmend auch in anderen Städten und selbst an Orten, die zuvor im Fokus der Unruhen standen, gibt es riesige Demonstrationen für die nationale Einheit, für den Präsidenten und für Reformen. Obwohl es im Westen nicht so aussieht, steht die Mehrheit der Syrer vermutlich noch hinter dem Präsidenten (wenngleich seine Entourage sich desavouiert zu haben scheint). Mehrere Hunderttausende, in Damaskus auch mal ne Million – das können nicht alles bezahlte Jubelsyrer sein. Natürlich sind viele Staatsangestellte dorthin verpflichtet, es gibt aber immer noch genügend Menschen, die auch freiwillig dorthin gehen. Vermutlich hat das mit zwei Entwicklungen zu tun: Erstens der Hoffnung, dass es jetzt wirklich zu echten Reformen kommen möge, zweitens der Angst, dass das Land in einem Bürgerkrieg versinkt und jahrelanges Chaos herrscht. Sechstens: Eine wirkliche Gefahr ist die wirtschaftliche Situation. Da zur Zeit alles Brach liegt, werden immer mehr Menschen arbeitslos, kommen immer weniger Menschen in den Genuss, von der bisherigen wirtschaftlichen Öffnung zu profitieren. Wenn die Händler und die Mittelschichten, die noch von ihrem Ersparten leben können, ihre Unterstützung für das Regime fallen lassen (Ian meint gegen Weihnachten wäre es dann soweit), dann kann es für die momentane Regierung gefährlich werden. Bisher sind allen Unkenrufen zum Trotz und gegen jede donnerstägliche Beschwörung in Aleppo (dem Wirtschaftszentrum des Landes) eben Freitags keine großen Demonstrationen gewesen. Die Demonstrationen in Damaskus halten sich (auch wenn skandalgierig von tausenden Demonstranten berichtet wird) eben bisher sehr im Rahmen einiger Duzender Gläubiger nach dem Freitagsgebet und verlaufen sich immer recht schnell. Nun soweit zu meinem ersten, kleinen tagespolitischen Exkurs, der sich – wie gesagt – vor allem auf die Quellen meiner Gesprächspartner der ersten Tage hier berufen kann. Und mitten in dieser brisanten und verzwickten politischen Situation, laufe ich heute durch die Stadt und Damaskus erscheint mir wie ehedem. Als ich das heute feststelle, die Scha’alan-Straße entlang gehe, wie so viele hunderte Male zuvor auch, nichts sehe, außer eben den wahnsinnig netten Menschen überall, läuft mir ob dieser Wahrnehmung fast ein Schauer über den Rücken so verderbt war mein Bild von Syrien aus den deutschen Nachrichten schon. 2011

Volle Straßen, erfolglose Reparaturen & eine Dienstleistungsoffensive

Im Flugzeug bin ich der einzige Europäer. Allerdings wird meine zuvor geäußerte Vermutung nicht wahr, dass wir halbleer nach Damaskus fliegen. Bis auf wenige Plätze ist das ungarische Fluggerät älteren Baujahrs voll besetzt. Offenbar alles Syrer, die in die Heimat fliegen. Vermutlich ist es meine Einbildung, dass ich mehr besorgte Mienen sehe als sonst, dass die Stimmung etwas gedrückter ist, als gewöhnlich. Obschon der Syrer an sich ja – wenngleich ein extrem freundlicher Mensch – nicht dafür bekannt ist, eine Stimmungskanone zu sein. Vielleicht nehme ich die arabische Schwermütigkeit in der momentanen Situation auch nur mit geschärften Sensoren wahr. Die Ankunft wie immer, allerdings bin ich der einzige, der sich bei „Forreign Passports“ anstellen muss. So geht es wenigstens schön schnell. Auch auf die sonst obligate Sicherheits- und Gepäckkontrolle bei der Einreise verzichtet man diesmal (vermutlich, damit man die Waffen ungestörter schmuggeln kann). Auf der Autobahn weder die angekündigten Kontrollen des Militärs, noch andere Wagen. Da erstaunt es, dass ausgerechnet heute – wo auf der ganzen Fahrt vom Flughafen in die Stadt vielleicht 12 Wagen gesichtet werden, zwei Unfälle passieren, einer davon sogar mit mehreren Wagen. Vielleicht sind sie doch irgendwie wuschig, oder fahren ob der augenscheinlich freien Fahrt (für unfreie Bürger) rasanter als gewöhnlich. Bei meinem ersten Rundgang durch die Stadt stelle ich erstaunliche Veränderungen fest. Vom Sa’at Arnous über die Salhiyye bis zum Merje, die Sharia Al-Thaura entlang und am Souk Hamidiyye bis zum Bab El-Jabi bildet Damaskus nun einen einzigen, geschlossenen Straßenmarkt. Jeder Quadratcentimeter des Trottoirs ist mit Waren aller Art (vorwiegend chinesischer Herkunft) voll gelegt. Selbst, wenn man am Merje einen Mikrobus nehmen will, muss man über ausgebreitete Handytaschen und Damenoberteile steigen, um seinen Bus zu erreichen. Die Polizei macht nichts, da sie nicht noch mehr Unmut hervorrufen möchte und so scheint diesbezüglich gerade alles erlaubt. Jeder kleinste Grünstreifen ist zu einem Cafe umfunktioniert, mit Plastikstühlen, Teeküche und lauter Musik läd es zum Verweilen ein. Allerdings hat man nicht das Gefühl, dass die Geschäfte gut laufen. Weder kaufen viele Leute ein, noch sitzen Menschen in den ihnen dargebotenen Cafes. Die Läden, die nun noch Miete zahlen müssen sind zudem eindeutig im Nachteil. So sieht wohl eine Volkswirtschaft kurz vor ihrem Kollaps aus. Läden leer, Preise dennoch hoch und höher, insbesondere was die Grundnahrungsmittel angeht, die ganz offenbar zu einem Gutteil importiert werden müssen. Wenn es einen syrischen Konsumklimaindex gibt, hat dieser vermutlich den Gefrierpunkt erreicht. Selbst die Taxis sind oft leer. Baustellen verwaist und in dem Zustand, in dem ich sie schon im März gesehen hatte. Der Präsident muss sich dringend etwas überlegen! Immerhin sehe ich noch eine dieser wunderbaren inszenierten Jubeldemos. Diesmal eine Kleine vor dem Souk Hamidiyye. Es gibt ja auch größere, wie heute angeblich in Hama mit dieser 2,3 Kilometer langen syrischen Fahne. Drei Fernsehkameras, die in jubelnde Menschengruppen (denn von Massen kann man bei dieser Manifestation nicht sprechen, es sind wohl an die dreihundert Parteigänger anwesend) halten und permanentes Fahnenschwenken. Die meisten Passanten gehen ungerührt vorüber, soweit man sich bei den Massen an Waren, die die Gehwege blockieren überhaupt in der Lage sieht zu gehen. Ian berichtet mir bei einem Kaffee im Scha’alan-Park von seinen Geldautomaten-Erfahrungen. Es scheint diesbezüglich nämlich eine Dienstleistungsoffensive eingesetzt zu haben, die darin besteht, dass man sich von hilfsbereiten Menschen bei der Abhebung helfen lassen kann, indem man ihnen die Karte aushändigt und die Geheimzahl mitteilt. Diese heben dann den gewünschten Betrag ab, händigen einem Karte und Geld aus und man geht (ein kleines Trinkgeld gebend?) von dannen. Eine Idee, die dem überall Missbrauch und Betrug witternden Europäer einen Schauer über den Rücken Jagd, die aber hier ganz offenbar keine Gedanken an eventuelle Gefahren aufkommen lässt. Da man sich ja auch das Parkticket am Automaten von jemandem ziehen lässt (der den Automaten ganz wunderbar mit seiner Arbeitskraft ergänzt), liegt es nahe, das auch bei anderen automatengestützten Dienstleistungen zu tun. Da die von Rafik angemietete Wohnung mit Balkon in der Endetage, ob derer mir ein wunderbarer Blick über das Zentrum der syrischen Kapitale in Aussicht gestellt wurde, wegen eines kurzfristig eingetretenen Wasserschadens offenbar unbewohnbar geworden ist, muss ich die erste Nacht im ersten Stock (bzw. der Deckenhöhe nach zu urteilen der Zwischenetage) logieren. Wasserschaden hin, Wasserschaden her, nach dieser Nacht in einer dunklen Gruft bestehe ich darauf, in den fünften Stock zu ziehen, auch wenn ich von nassen Teppichen und Matratzen umgeben sein sollte. Und: so schlimm ist es bei Weitem nicht! Da bei 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von annähernd 0% eh alles trocknet, bevor man es aufwischen kann, ist von dem Wasserschaden nur noch die defekte Klimaanlage zu sehen. Diese allerdings wird mit ungeahntem Diletantismus den ganzen Tag über repariert. Also selbstredend ohne Erfolg, aber mit heißem Bemüh`n. Erst wartet ein Klimaanlagenfachreparateur auf den anderen, der das begehrte Ersatzteil holen soll (welches nie ankommt, was aber nichts macht, da der anfangs Wartende auch nach Stunden unbemerkt verschwindet und ein weiterer Fachmann erscheint). Dann ist die Gasflasche, mit der etwas hätte geschweißt werden sollen erstaunlicherweise leer (was auffällt, nachdem sie mit großem Bohei auf das Dach gehievt worden ist). Die Beschaffung einer neuen Gasflasche dauert abermals Stunden, als sie endlich herbeigeschafft wird, stellt man fest, das ein wichtiges Ersatzteil fehlt, dann ist die Parkzeit des Monteurs abgelaufen (die Parkplätze werden in Damaskus jetzt von einer mafiaartigen – sicher im weitesten Sinne der Präsidentenfamilie gehörenden – Organisation mit sündhaft teuren Parkgebühren belegt und da die Strafen für die Überziehung der Parkzeit so astronomisch sind, müssen alle wichtigen Arbeiten stehen und liegen bleiben, um dieses Schicksal abzuwenden. Aber das ist eine andere Geschichte). Er verschwindet und tauscht erst viel später – in Begleitung eines weiteren Fachmanns auf. Ja, bei uns ist heute Tag der offenen Tür! Beide schrauben und drehen, schweißen und klopfen was das Zeug hält – alles hoffnungslos. Das sicher bereits 30 Jahre alte Gerät macht zwar ab und zu „brumm“ aber ein kühles Lüftchen will ihm nicht entweichen. Ob der fortgeschrittenen Stunde werden die Arbeiten auf den nächsten Tag avisiert – man ist gespannt.

aufregende flugreisen, schwierige bakschischverteilung und regenseen

damaszener depeche 3 Die hinreise glich einer odyssee. Nachdem es zwei tage nicht geschneit hatte, begann es just in dem moment, wo ich zum flughafen fuhr, wieder zu schneien. Bei meiner ankunft am „airport“ wurde dieser geschlossen, aber kurz darauf wieder freigegeben, nur um – just als wir alle im flugzeug saßen – wieder gesperrt zu werden. Die zwei stunden wartezeit in der maschine wurde uns mit allerlei getränken versüßt (man schenkte sogar alkohol aus, offenbar in der absicht die anwesenden gäste betrunken und für ihre missliche lage weniger empfänglich zu machen). Parallel dazu reifte in mir die einsicht, dass, wenn in prag nicht noch unvorhersehbare dinge geschehen, mein anschlussflug wohl dahin sein dürfte. So kam es. Die airline bot einen damaskusflug in zwei tagen an. Pas possible! Allerdings konnte ich erreichen, dass ich mit der nächsten möglichkeit weiterbefördert werden durfte. Am nächsten morgen nach athen, von dort mit syrianair weiter nach aleppo und damaskus (wobei mir der zwischenstopp in aleppo zu dem zeitpunkt noch gar nicht bewusst war). Ich wurde mit den anderen unglücklichen kreaturen, die auch ihre anschlussflüge verpasst hatten ins flughafenrestaurant befördert, um mit fettem frittiertem huhn und mehlig-gekochten kartoffeln gefügig gemacht zu werden und dann in ein wunderbar comfortables holiday-inn hotel verbracht, wo ich die kurze nacht verbrachte. Der zweite flug nach athen klappte planmäßig. Allerdings wurde mir bei meiner ankunft klar, dass ich nicht nur sechs, sondern nunmehr acht stunden zu warten hatte, denn der flug nach damaskus sollte sich nicht unerheblich verspäten. Die wartezeit versuchte ich mich mit kaffe von macdonalds zu betäuben und zu lesen, was meine büchervorräte hergaben. Aber spätestens nach vier stunden dauernder weihnachtsliederberieselung und ständigem klimaanlagenluftbedampfe ist man so madig, dass man mich ohne gegenwehr in jedes x-beliebige fluggerät hätte setzen können, wenn denn nur eines gekommen wäre. Der flug nach damaskus schien auch was die abwicklung angeht ganz in den händen der syrer zu liegen. Und was sind schon zwei, drei oder auch vier stunden verspätung im angesicht von 10000 jahren siedungsgeschichte? Am „gate“ waren nur noch syrer, die ansagen waren nur noch auf arabisch und die direktion unserer reise wurde in gottes hand gelegt, denn es sei – so wurde nebenbei bemerkt – noch gar nicht klar, wohin man nun fliegen werde. Die verspätung wurde nämlich durch ein unwetter (regen) in aleppo verursacht, die es dem betagten und vermutlich mit veralterter bordtechnik ausgestatteten fluggerät unmöglich gemacht hatte, diese stadt anzufliegen, woraufhin wieder richtung damaskus beigedreht werden musste. Sollte es nun also die gelegenheit geben, nach aleppo zu fliegen, werde man dies inscha’allah tun, wenn nicht, fliege man gleich en direct in die syrische kapitale. Mein glück wollte es, dass dies ebenso geschah! An bord war es ganz entzückend. Die mittelalten und für europäische airlines zu beleibten stewards hatten allesamt die mitreisenden babys auf dem arm, und legten diese weder zum schließen der gepäckfächer noch für die (ausgesprochen kurzen) sicherheitshinweise ab. Da sie aber eh nur kurz einarmig die notausgänge zeigten, fiel das nicht weiter ins gewicht. Der hinweis, mobiltelefone auszuschalten kam nach dem abflug in 1000 metern höhe, denn da waren im cockpit aufgrund der interferenzen wohl die bordinstrumente ausgefallen und hektik machte sich breit. Alle sollten doch bitte sofort ihre handys ausschalten. Das taten dann einige. An den zahlreichen im landeanflug auf damaskus ankommenden mitteilungen, die zu einem dauergepiepse führten aber konnte man erkennen, dass weitaus nicht alle der dringlich vorgetragenen bitte des kapitäns nachgekommen waren. Wozu auch bordelektronik, wenn der herrgott persönlich mitreist? Das essen war lecker und die landung sanft, die angenehme abwesenheit jeglicher monitore verhinderte zum glück auch darbietungen amerikanischer actionfilme oder indischer operettenvideos. Rafik und Ali haben mich am flughafen abgeholt, wir sind in die entzückende, kleine wohnung am Merje gefahren und wenn ich nicht schon kopfschmerzen gehabt hätte, so wären sie mir beim anblick der sitzmöbel gekommen. Ein traum in grau-braun-beige, mit kunstlederapplikationen, schmucken verchromten stäbchen und antik-optik-holz. Verziert mit diamantenen glitzerknöpfen und vollkommen ungeeignet, um auf ihnen zu sitzen. Ansonsten tres confortable! Auf dem weg ins hamam fahren mit großem bohei 20 limousinen höchsten staatsbesuchs an mir vorbei. Begleitet von heerscharen polizeimotorrädern, die so wuschig fahren, dass sie sich fast ständig gegenseitig aus der spur katapultieren. Eine form von hartnäckiger unorganisiertheit, die mir dann auch im hamam begegnet. Die sieben unterbeschäftigten angestellten des etablissements haben in den mehreren hunderten jahren, die es dieses badehaus nun gibt (und dass es al-jadid, „das neue“ heißt, deutet lediglich darauf hin, dass es nach demjenigen gebaut wurde, das stolze 800 jahre alt unweit des „neuen“ liegt), haben also nun in all den jahrhunderten kein valides verfahren der bakschischverteilung gefunden. Das begehrte und forsch eingeforderte trinkgeld wird bei jedem zahlenden gast aufs neue mit lautem streit und gröbster auseinandersetzung verhandelt und verteilt, wobei jeder zu kurz zu kommen scheint, wenn man dem geschrei nach urteilt. In der nun schon seit jahren zusammenarbeitenden mannschaft verschließt ein jeder sein bakschisch in einem eigenen kästchen, um es vor diebstahl seiner kollegen (!) zu bewahren. Weniger vertrauen und weniger organisiertheit sind kaum möglich. Erstaunt und (wenn man nicht daran gewöhnt ist) enerviert, da um die eigene ruhe gebracht, beäugt man das geschehen, das sich einem immer wieder aufs neue im vorraum des badehauses bietet. Heute regen. In sekundenschnelle bilden sich auf den straßen seen, die zu umgehen eine herausforderung darstellt. die abwesenheit jeglicher siele und die unebenheit der fahrbahn führen dazu, dass sich die schlammigen seen, wenn man nicht aus versehen eh schon in sie getreten ist, im hohen bogen von den vorbeifahrenden wagen über das am straßenrand stehende publikum ergossen werden. Schon an der zweiten kreuzung bereue ich, am morgen frisch eingekleidet das haus verlassen zu haben. Zudem potenziert sich bei schlechtem weter hier der verkehr. Warum auch immer. so haben die verkehrslenkenden staatsbeamten alle hände voll zu tun. Dabei sind sie nur in den seltensten fällen herren der lage. Im prinzip bahnt sich der verkehr selbst seinen weg und die auf die straße vordrängenden fußgängermassen lassen sich durch die staatsgewalt kaum am betreten der fahrbahnen hindern. Der einsicht in die eigene wirkungslosigkeit geschuldet, bedeuten sie pfeifend den fahrzeugen stehen zu bleiben, wenn diese sich aufgrund der die fahrbahn stürmenden massen eh schon keinen zentimeter nach vorne bewegen können. Der pfiff ist hier nicht auslöser, sondern folge des sich auch ohne jeglichen eingriff von außen vollziehenden verkehrs. Verkehrslenkung sieht anders aus. Aber vermutlich würde sich dann in damaskus gar nichts mehr bewegen.

gastronomiekritik in der wüste und ein taxi nach damaskus

Wir sind nun in tadmur (welches die touristen unter dem historischen namen Palmyra kennen). Gerade herrscht ein sandsturm, vor dem wir uns so eben gerade noch nach hause retten konnten. Gleichzeitig regen und gewitter. Da kann man nur auf dem hotelzimmer ausharren und dann essen gehen. Zuvor haben wir noch einen nachmittags-kaffe auf der terrasse des zenobia genommen und sind im beginnenden sandsturm etwas durch die ruinen gewandelt. Die hinfahrt war wie immer, am busbahnhof großes bohei. Die inzwischen eingeführte sicherheitskontrolle, bei der alle taschen auf ein band zum durchleuchten gelegt werden müssen, dem aber niemand beachtung schenkt und die permanent piepende schleuse, durch die man dann gehen muss, sollen wohl das subjektive sicherheitsgefühl verstärken. rein objektiv gesehen könnte eine solche sicherheitskontrolle gegen wasauchimmer nichts ausrichten, denn nicht nur, dass man waffen aller art mit in den busbahnhof geschmuggelt kriegt (gleich darauf sehe ich einen mann mit revolver im hosenbund), da das piepen ja rein gar keine folgen zeitigt, könnte man es sich strenggenommen sparen. Dann, nach kontrolle der pässe und der tickets, dem kauf von wasser und dem verstauen des gepäcks kann es losgehen. Denkt man zumindest. Da hat man die rechnung aber ohne die abschließende ausfahrtkontrolle gemacht. Bus für bus muss die „sicherheit“ nun noch die listen abgleichen, pässe kontrollieren und die destinationen diskutieren. Da aber alle bussunternehmen die ersten sein wollen (wie kinder), fahren alle zur selben zeit ab. Bei den ca. 250 busunternehmen, die an diesem bahnhof ein büro haben, denkt man ja, sie könnten auch unterschiedliche abfahrtszeiten anbieten, aber oh nein! Weit gefehlt. Alle wollen die ersten sein, alle fahren zur gleichen zeit ab und somit stehen alle stundenlangin der schlange vor der ausfahrt um von der „sicherheit“ die abfahrerlaubnis zu bekommen. Allein in der zeit, in der wir dort standen, legt man in deutschland die strecke hamburg – bremen zurück. Wir sind da immerhin schon 150 meter – oder 20 buslängen vorangekommen. Im bus gleich wieder die obligatorische ägyptische komödie. Wenn man die ersten minuten eines solchen filmes gesehen hat, gegen den „dick und doof“ subtiler und geistreicher humor ist, kann man ermessen, wie schlimm es um das geistige und intelektuelle leben der arabischen welt bestellt sein muss. Abgründe tun sich auf bei dem gedanken, dass eben diese filme die eigentliche kulturleistung der gegenwärtigen arabischen welt sind, denn von einer messbaren anzahl veröffentlichter bücher kann man ja bei weitem auch nicht reden. Der busbegleiter hat wieder alle hände voll zu tun. Erfrischungstücher, bonbons, becher, dann wasser, kekse, kaffe oder tee, wasser, und wieder bonbons. Eine nicht enden wollende serviceoffensive, von der sich die deutsche bahn mal eine scheibe abschneiden könnte. In tadmur angekommen, die rückfahrttickets gekauft, zum hotel gefahren, eine kurze dusche und gleich los. Bis eben der sandsturm uns überrascht, der mich jetzt hier zum schreiben zwingt. Am tag darauf suchen wir einen geldautomaten in tadmur. Der ort ist der wohl touristischste in ganz syrien. Die hoteldichte ist nirgends höher. jeder, der syrien besucht, kommt irgendwann hier vorbei, sei es auch nur für eine nacht, denn länger kann man es in diesem verschnarchten und staubigen ort kaum aushalten. Es müsste also strenggenommen an geldautomaten nur so wimmeln, zumal die hotels alle (bis auf die luxusvarianten, aber in denen herrschen eh andere gesetze) keine kreditkarten akzeptieren (!). nun, langer rede – kurzer sinn. Es gibt in diesem ort keinen, ja gar keinen geldautomaten. Nach langer suche wäre der chef eines hotels bereit und auf die kreditkarte einen bargeldbetrag auszuzahlen, verlangt aber 20% kommission. Das schamlose ausnutzen einer notsituation. Nein, soweit sind wir noch nicht gesunken! Wir tauschen unsere letzten bargeldbestände, ökonomisieren unsere ausgaben und kratzen all unser geld zusammen um die hotelrechnung in bar zu begleichen. Hier wäre aus touristischer sicht nachbesserungsbedarf, denn sicher wäre der ein oder andere tourist bereit, etwas geld in diesem kargen und staubigen landstrich zu lassen, wenn ihm nur die möglichkeit dazu gegeben würde. Ebenfalls nachbesserungsbedarf besteht in gastronomischer hinsicht. Da es nur zwei restaurants am ort gibt, ist die konkurrenz nicht groß. Dennoch ziehen es die meisten touristen vor, in tadmur nicht zu speisen, was eindeutig an der mäßigen qualität der dargereichten speisen liegt. Die restaurants haben – anstatt auf eine qualitätsoffensive zu setzen – daher schlechtaussehende und nervige koberer angestellt, welche die touristen belästigen. (der erste tipp diesbezüglich würde in die richtig gehen, das aussehen und die herangehensweise der schlepper zu ameliorieren – aber davon wollen wir erst gar nicht anfangen zu sprechen). Wir essen also wohl oder übel in einem der beiden zur wahl stehenden restaurants (es gäbe noch eine schawarma-bude und einen hänchenimbiss, von dem wir lieber schweigen wollen). Das essen ist erschütternd. Die bilder, mit denen dieses auf den karten angepriesen wird, haben noch etwas von dem, was die gerichte eigentlich ausmachen würde (gewürze, frische zutaten, variationen und so). das dann auf dem teller servierte ist geschmackloser in wasser gekochter reis und fades, gekochtes huhn. Da wir von rafiks küche der letzten tage so verwöhnt sind, können wir uns das kaum bieten lassen und da tritt auch schon der scharfe und unbarmherzige restaurantkritiker rafik auf die bühne, zitiert den garcon heran und erklärt ihm in deutlichen und unmissverständlichen worten, dass es so ja schon mal gar nicht gehe, dass die dargebotenen speisen bestenfalls genügten, um damit tiere zu füttern oder touristen das geld aus der tasche zu ziehen und erklärt ihm genauestens, wie man die gerichte hätte eigentlich kochen müssen. Überraschung! Als wir spät nachts am bereits geschlossenen restaurant vorbeikommen, werden wir gebeten, den neuen, nach rafiks anregungen zubereiteten reis zu probieren, der tatsächlich deutlich besser ist. wir essen etwas und freuen uns, dass die kritik auf fruchtbaren boden gefallen ist. das liebe ich hier: man reagiert offen und flexibel auf kritik, verändert wirklich etwas und gibt sich immer mühe, dass es einem hier gefällt. mein vorschlag, rafik solle einen gutdotierten beratervertrag aushandeln, bei dem er einmal im monat in tadmur vorbei kommt, die speisen testet, verbesserungsvorschläge macht und die schulung des personals übernimmt,wird aber – zu meinem großen bedauern – nicht weiter verfolgt. Unnötig zu erwähnen, dass auch was den gastronomischen teil unseres hotels angeht nachbesserungsbedarf bestünde. Zum beispiel könnten die fensterscheiben des mit „vue panoramique“ angepriesenen dachrestaurants durch schlichte reinigungsarbeiten in einen zustand versetzt werden, in dem man überhaupt einen blick nach draußen zu werfen in der lage wäre. Oder es könnte ab und zu mal das wohl schon seit tagen den gästen angebotene steinharte brot durch frisches, essbares ersetzt werden. Die niedlichen und charmant lächelnden kellner sind zwar ganz entzückend, aber satt werden tut man von ihnen auch nicht. Man redet sich damit raus, dass es in tadmur nur eine bäckerei für fladenbrote gebe und man das andere brot für die touristen aus homs müsse kommen lassen (vermutlich zu fuß, denn sonst erklärt sich der zustand des brotes nur unzureichend). Ja herrgott! Dann müssen die touristen eben (frisches) fladenbrot der region essen, anstatt sich an den harten brötchen die prothesen zu ruinieren. Auch der bezahlvorgang, zu dem wir zu nächtlicher zeit plötzlich genötigt werden, hält unvorhergesehenes für uns bereit. Nachdem der annoncierte preis um eine (vermutlich ebenso unangekündigte, wie -einkalkulierbare) steuer erhöht wurde, wurden wir am nächsten morgen mit nachforderungen konfrontiert, die sich aus dem inzwischen gestiegenen euro-kurs ergeben hätten. Es stimmt: der euro war am vortage mit 62 syrischen pfund, nun aber mit 63 ausgewiesen. Wenn man diese logik aber zu ende denkt, hätte man ja zeitlebens bei allen bisher getätigten käufen mit nachforderungen und erstattungen zu tun, die sich aus den währungsschwankungen ergeben würden. Gekauft ist gekauft. Zum tageskurs und basta! Das muss auch in tadmur gelten. Wir bestehen drauf und können uns natürlich durchsetzen, denn so gerne man es auch mal versucht, wirklich bösartig oder gemein ist es nie gemeint und wenn man bedenkt, dass hier die gesetze des tourismus herrschen, läuft alle doch noch recht entspannt ab. Nicht durchsetzen können wir uns bei der rückfahrt. Natürlich haben wir in weiser voraussicht schon bei unserer ankunft tickets für die rückfahrt erworben, plätze reserviert und alles niet und nagelfest gemacht. Als wir dann zur busabfahrtstelle kommen (einen busbahnhof sucht man in tadmur vergebens, alle busunternehmen die tadmur anfahren, halten an ihrem büro oder irgendwo und fahren meist auch von dort wieder ab. Da es viele dieser unternehmen gibt, muss man immer wissen, mit wem man zu reisen geplant hat, wo das büro ist – denn die ortsansässigen wissen es auch oft nicht – und wie man hinkommt), als wir also ankommen, bedeutet man uns, dass der bus aus derizor kommend schon voll sei und unsere plätze leider gottes vergeben seien, der nächste bus aber in einigen stunden käme und inscha’allah auch plätze für uns hätte, wenn nicht auch der schon voll sei, was man natürlich jetzt noch nicht wisse. Wir lassen uns unsere tickets wieder auszahlen. Auf eine mitfahrt zu insistieren (was wir kurz versuchen) scheint vollkommen hoffnungslos. Wir klappern mehrere andere busunternehmen ab, immer mit dem taxi von pontius zu pilatis. Dann, nachdem wir dessen gewahr geworden, dass wir nur mit mehreren stunden wartezeit an einer tristen und an ödnis kaum zu überbietenden landstaße eine gelegenheit zur rückreise in die syrische kapitale bekommen würden, beschließen wir, mit dem taxi zu fahren. Zwar nicht nach paris, aber immerhin mit dem taxi nach damaskus. Nachdem wir einen vertretbaren preis ausgehandelt haben, geht es auch sogleich los und wir erreichen damaskus sicher und wohlbehalten noch bevor uns der erste bus hätte hierher bringen können.

zumindest eine damaszener depeche...

Die damaszener scharaden haben ja durch das ende meines syrien-aufenthaltes ein jähes ende gefunden. Nun bin ich für einige tage zurückgekehrt, in die syrische metropole um meine freunde wieder zu sehen und irgendwie auch noch mal abschied zu nehmen und sende nun von hier zumindest eine damaszener depesche... Letzten sonnabend nach schlimmer flugreise angekommen. Wegen eines kaputten flugzeugs drei stunden in unklarheit auf dem flughafen budapest gewartet, im halbstundentakt vertröstet worden und dann aber doch irgendwann in damaskus gelandet. Ali und Rafik, die meine mitteilungen aus budapest missverstanden hatten und dachten, wir würden deswegen erst einen tag später kommen, waren nicht da, kamen dann aber sofort in die stadt, von wo wir zusammen ins apartment sind. Dieses – im zentralen stadtteil sahiyye gelegen – ist completement neu renoviert (es riecht betörend nach ölfarben), hell, ruhig, gut geschnitten, modern und ein absolutes design-desaster! Plasteblumen und plüschsofas aus einer kombination von schwarz-rot und zebramuster, dazu röhrende-hirsche-schinken an den wänden, möbel in presspappe-spanplatten-optik und eine wandgestaltung, die zwischen kackbrauner wischoptik und roter lackfarbe sich nicht zu entscheiden vermochte. Man braucht, wenn man die augen offen halten möchte mindestens eine großpackung aspirin am tag um keine kopfschmerzen zu bekommen, zumal das ganze durch zehn neonröhren in jedem zimmer in ein gleißend helles licht gehüllt ist. der einmeterfünfzig-bilddiagonale-flachbildfernseher verkomplettiert den schrecken. Auch hier gibt es die üblichen 600 programme, von denen nicht ein einziges erträglich ist. im prinzip ist es kein wunder, dass bei 600 fernsehprogrammen das intellektuelle leben und die geistige entwicklung dieser region der welt zum erliegen gekommen ist. Den ersten tag verbringe ich wie in trance. Einerseits durch die strapazen der reise geschwächt, andererseits durch den plötzlichen klima-umschwung geschockt (von 10 auf 30 grad). Einerseits kommt mir alles verdammt vertraut vor, ich habe das gefühl, wieder zuhause zu sein. Die zwei monate in deutschland waren im verhältnis zu der langen zeit, die ich davor hier war ja auch eher eine kurze und an eindrücken arme zeit. Andereseits überkommt mich eine melancholische traurigkeit, nicht mehr hier zu leben, hier nicht mehr alle zeit der welt zu haben, sondern nur ein zaungast zu sein, quasi nur ein schnupperpraktikum zu absolvieren und nach vierzehn tagen wieder weg zu müssen. Als ich das letzte mal abgefahren bin, war ich gar nicht so traurig, da ich mich mit dem gedanken habe trösten können, in zwei monaten wieder hier zu sein. Nun bin ich wieder hier und mir wird klar, was ich hinter mir habe lassen müssen, was ich verloren habe oder auch, wie schön es war, wirklich hier zu leben und nicht nur ein tourist zu sein. Das fängt bei meiner wohnung an, die ich ja nun nicht mehr habe. Auch wenn die neue wunderbar ist, so ist es doch nicht meine und ich muss mich an die räume und die mit diesen zusammenhängenden abläufe erst gewöhnen. (das bad hat zum beispiel eine sitzbadewanne! Nicht alles, was dem araber modern erscheint ist auch wirklich praktisch. Der gute bodenabfluss in meiner alten wohnung, der unbändiges herumplätschern erlaubte war um längen comfortabler! Auch ist das presspappeoptikbett, in welchem erotische stimmung kaum aufkommen kann für eben denjenigen zweck deutlich schlechter geeignet, als mein matrazenlager auf dem boden in der alten wohnung.) Wenn ich mich in den letzten zwei monaten im oktober in damaskus gesehen habe, habe ich mich wie selbstverständlich immer in meiner alten wohnung gewähnt. Ich habe die räume, den ausblick, die verrichtungen des alltages, wie sie dort mein leben prägten vor mir gesehen. Hier nun bin ich – obschon in damaskus – mit einem anderen alltag, der noch nicht meiner, sondern nur der eines besuchers ist, konfrontiert. Aber auch was die kontakte zu den freunden angeht, die ich hier inzwischen habe, sind zwei wochen eine schrecklich limitierte zeit. Ich kann die meisten nur ein oder zwei mal sehen, dann bin ich schon wieder – und diesmal für längere zeit – weg. Ali und Rafik sind rührend um unser wohl besorgt. Rafik kocht und umsorgt uns, Ali fährt und mit dem angemieteten wagen, wohin wir wollen. Die ersten tage schlendern wir etwas umher, sitzen in cafes, kaufen allerdings auch schon stoffe und suchen den schneider auf, um uns hemden nähen zu lassen. Ich werde meine schwarze-hemden-sammlung also demnächst - so gott will - durch vier dunkelblaue und je drei braune und dunkelgraue ergänzen können. Einen anzug müssen wir uns nicht besorgen, denn Claire, meine alte Freundin konnte mir leider dieses jahr keine einladung zum german national day mit einem männlichen namen besorgen, zu dem ich hätte einen tragen müssen. Die möglichkeit, als „natascha“ dort zu erscheinen schien mir ob der dazu notwendig werdenden scharade zu aufwendig, wenngleich es sicher eine interessante erfahrung hätte werden können. Ich kann daher nur meinen bericht von german national day des letzten jahres zum besten geben, denn anlässlich des 19. Jahrestages der wiedervereinigung war ich gast bei den dazu in damaskus stattfindenden feierlichkeiten. Dieser folgt: Heute ist nun das großartige fest im großen ballsaal des berühmten four seasons zum sich das neunzehnte mal jährenden ereignis des deutschen nationalfeiertags (habe ich da richtig gezählt?), wo auch ich erstaunlicherweise eingeladen bin, daher gehe ich mit Rafik los, einen billigen anzug kaufen. Es soll schon für ca. 50 euro einen geben. Da bin ich mal gespannt. Er soll schön luftig sein, damit ich nicht so schwitze – also am besten aus atmungsaktivem polyester, wie es hier jetzt modern ist. und ich will darin nicht aussehen wie ein zigeunerbaron. Na, das sind vermutlich schon mal zwei kriterien, die den preis auf das doppelte hochtreiben. – später – erstaunlich! Für nur 75 euro habe ich einen wunderschönen, leichten, mittelbraunen anzug incl. blauem hemd, krawatte und (!) neuen schuhen bekommen, denn passendes schuhwerk hatte ich ja auch nicht. Rafik hat noch heftig gehandelt, aber der preis ging nur etwas runter, da er schon reduziert war. Beim augenlicht seiner großmutter hat der verkäufer geschworen, dass für ihn ein weiterer preisnachlass den unmittelbaren ruin bedeuten würde. Um schlimme hautausschläge zu verhindern, habe ich das hemd eben noch schnell gewaschen und hoffe, dass es – tropfnass, wie es dort hängt, denn ich habe ja kein bügeleisen – in zwei stunden trocken ist, denn dann muss ich ja los. Gegen sieben mache ich mich erst schön und dann auf den weg. Der anzug steht mir wirklich gut und das erste mal trage ich einen anzug auch einigermaßen gern, er ist irgendwie bequem geschnitten und leicht und ich fühle mich weder eingezwängt noch verkleidet, sondern sehr elegant. Dabei war es eine gute wahl keinen grauen anzug zu nehmen, denn alle werden graue anzüge tragen, wie sich zeigt. Da aber auch einige ohne anzüge, in gewändern, uniformen oder jeans dort sein werden, falle ich mit meinem anzug eher positiv auf. Mit dem taxi dort angekommen merke ich schon durch die vollkommene straßensperrung, dass es wohl ein großereignis ist. den letzten weg lege ich zu fuß zurück. Dort angekommen reihe ich mich (im foyer, wo mehrere stände aufgebaut waren: daad, kfw, ded, gtz und mehrere andere internationale oder deutsche organisationen, die einen zum abschluss noch mit infomaterial zugeschmissen haben) erstmal in die enorme begrüßungsschlange ein, während ich die gäste bewundere. Die patriarchen, pröbste, bischhöfe oder scheichs aller fünfundzwanzig christlichen und soundsovielen muslimischen oder anderen religionsgemeinschaften fallen am meisten auf. Sie haben erstaunliche kleider an und vor allem sagenhafte kopfbedeckungen. Einige enganliegende wollhäkelmützen mit trotteln, andere weit ausladende hutkonstruktionen mit tüchern dran, die bis auf den boden hängen. Hinsichtlich der kopfbedeckung ist religiöse vielfalt ja eine schöne sache. Dann sind viele uniformierte offenbar aus aller herren länder da. Daneben minister der regierung, die botschafter anderer länder und allerlei anderes gesocks. Erstaunlich wenige in traditionellen arabischen gewändern. Ein scheick aus qarmishli, der mit seinen leibwächtern (?) dort rumsteht und ein lustiges ausladendes braunes gewand und eine sehr dicke goldene uhr anhat, will sich mit mir fotografieren lassen. Wir passen zumindest farblich auch gut zusammen. Dann gibt er mir noch seine karte, Rafik meint aber später, es sei wohl der hüter einer religiösen oder archäologischen stätte eben in qarmishli und er habe nicht viel geld. andererseits meint er, wenn er eingeladen worden sei, sei er vielleicht doch wichtig oder habe geld – woran ich zweifel anmelde, denn schließlich bin ja auch ich irgendwie hier rein gekommen... Der große ballsaal ist wirklich groß. Ich weiß nicht wie viele dort sind, aber ich schätze drei bis vierhundert leute. Es gibt mehrere buffets mit deutschen spezialitäten (sauerbraten mit rotkohl, einen wursteintopf mit sauerkraut, currywurst (!) und spätzle) allerdings alles ohne schweinefleisch und wirklich sehr lecker (ich greife mehrere male zu). Daneben mehrere buffets mit süßen köstlichkeiten: warmem kischstrudel, apfelkuchen, diversen schoko-mousse-tartes, und pralinen aus atemberaubenden schokoladenkonstruktionen. Daneben gehen zusätzlch noch kellner mit tabletts mit schnittchen, gebäck, fischhäppchen und diversen anderen dingen rum. An der bar gibt es sogar hochprozentiges und natürlich das übliche. Das rahmenprogram besteht in hintergründigem klaviergeklimper. Gegen acht betritt der botschafter die bühne, mit zwei sängern (einer arabischen frau und einem schwarzen mann). Erst singt die Frau die syrische nationalhymne, die schätzungsweise sieben strophen hat, gefühlte zwanzig minuten dauert und die ich danach noch den ganzen abend vor mich hinsumme. Danach singt der schwarze mann die deutsche hymne (eine strophe – zum glück mit starkem ausländischem akzent gesungen – so gebrochen geht es dann gerade noch). Ich muss sagen, dass sie auch musikalisch gegen die syrische deutlich abfällt. Zudem ist sie ja recht kurz und hat den nachteil, dass ich den text verstehe (dabei wünsche ich mir keinesfalls, dass die nichtgesungenen strophen auch intoniert würden). Alle beide haben sagenhafte stimmen, die auch ohne jede musikbegleitung den saal wirklich füllen. Dann hält der botschafter eine kurze, wenig beachtete rede, während der die gespräche wieder beginnen. Niemand hört zu. Ich kriege nur nebenbei mit, dass auch mercedes den abend mitgestaltet. Daher steht also dieser neue dicke mercedes in der einen ecke des saales. Daneben syrische promoterinnen, die sie aufgebretzelt haben, als sollte nicht der mercedes, sondern etwas anderes verkauft werden. Überhaupt haben sich einige damen sehr übertrieben zurechtgemacht. Viele sind aber auch dezent-normal gekleidet. Ich kenne etwa 5 leute, die ich auch irgendwann finde. Wir plaudern etwas, essen viel, trinken was und machen mehrere runden um uns die leute anzusehen. Gegen neun verlasse ich den laden dann auch. Beim rausgehen bekommt man noch eine jute(!)tasche mit infomaterial und eine rose geschenkt – wie damals beim weihnachtsmärchen, nur dass da schokolade in der tüte war. Vor der tür ist schon limousinen-stau. Ich nehme ein taxi und bin zuhause dann doch froh, dass ich nicht immer solche anzüge tragen und solche leute treffen muss. Also meine bewerbung für den diplomatischen dienst muss ich morgen nicht fertigmachen. So weit vom letzten jahr. Gestern abend auf dem berg mit dem wagen, den wir morgen zurückgeben müssen. Ali hatte noch eben den außenspiegel abgefahren. Bei dem fahrstil wird er jeden wagen innerhalb kürzester zeit ruinieren, aber er ist jung und stürmisch und sein fahrstil ist dies um so mehr. Wir unterhalten uns lange über dies uns das, die rente mit 67 und die individualisierung der lebensweisen – natürlich auf einem einfach niveau – meiner sprachlichen ausdrucksfähigkeit geschuldet. Die nächsten tage werden wir nach tadmur reisen. Dazu haben wir schon ein hotel reserviert. Heute nun müssen wir noch die fahrkarten kaufen, damit wir diesmal bequemer reisen als letztes mal, wo wir bei 60 grad auf dem motorblock gegrillt worden sind. So long...