Sonntag, 18. Juli 2010

deutsche bürokratie, syrische absurdität und neo-osmanismus

Nach dem aufstehen treffe ich endlich mal wieder meinen tandempartner. Er hat ein erstaunliches problem mit der deutschen bürokratie. Für sein studium in köln benötigt er ein sogenanntes sperrkonto bei einer deutschen bank. Da viele banken mit syrien (und damit auch mit syrern) keine geschäfte machen blieb nach langer suche nur die commerzbank. Dort hat er nun ein sperrkonto und eine dementsprechende bescheinigung. Bei der deutschen botschaft in damaskus aber hat man ihm das visum verweigert, da aus der bescheinigung der bank hervorgehen muss, dass er monatlich 624 euro (genau 642!) abheben kann. Eine solche bescheinigung wird (wie ihm auf antrag bestätigt wurde) von der commerzbank in köln nicht ausgestellt. Die commerzbank in dresden zum beispiel stellt eine solche bescheinigung problemlos aus, weigert sich jedoch, das sperrkonto von ihm zu führen, da dieser in köln studiert und nicht in dresden. Ein unlösbares problem, bei dem noch dazu die zeit drängt, denn in vierzehn tagen gehen die vorbereitungskurse zum studium in köln los und er muss ja nicht nur noch das flugticket kaufen, sondern sich dort auch noch eine bleibe suchen und seine alte wohnung in damaskus auflösen. Man fragt sich manchmal, wer sich dieses deutsche einwanderungsreglement ausgedacht hat. Wohl bemerkt: mein tandempartner ist einer von denen, die in deutschland angeblich willkommen sein sollten (er ist arzt, kann sehr gut deutsch und es geht um ein spezial-aufbaustudium). Wie muss es den anderen ergehen?

Seit zwei tagen erreiche ich ali nicht, was ungewöhnlich ist. dann meldet er sich endlich. Er sei im krankenhausgefängnis gewesen (ich erinnere mich an die gleichartige geschichte, die rafik mir mal berichtete, auch der hatte ja schon mal zwei tage im krankenhausgefängnis zugebracht). Und das kam so: er war des abends mit einem freund unterwegs und hat einen motoradunfall gesehen, ist dem schwer verletzten fahrer (helme sind ja unbekannt, geschwindigkeitsbegrenzungen und reglementierungen des motorrad-verkehrs auch) zur hilfe geeilt und hat ihn mit ins krankenhaus gebracht. Und nun ist das in syrien so: wenn ich jemandem zur hilfe komme, bin ich verantwortlich. Und da der mann im koma lag, konnte er nicht bestätigen, dass ali vollkommen unschuldig war und ihm eben nur geholfen hatte. So wurde er solange festgehalten, bis der verletzte bestätigte, dass ali unschuldig ist. eine unglaubliche regelung! Unter den bedingungen würde in deutschland (und ian stimmt mir zu, wohl in ganz europa) niemand mehr helfen. Auch ali war angepisst und meinte, er gehe das nächste mal lieber schnell weiter, wenn jemand dort verletzt liege. Aber hier setzt man offenbar auf die soziale verantwortung und das scheint ja tatsächlich aufzugehen. Dass man einem anderen zur hilfe eilen muss scheint gesetzt, denn die menschen machen es ja ganz offenbar trotz dieser absurden gesetzlichen regelungen. rafik verteidigte die noch und meinte, dass es, da es ja keinen rettungsdienst gebe, den man einfach anrufen könne und der sich dann um die verletzten kümmere, eben notwendig sei, die am unfall und an der rettung der unfallopfer beteiligten solange festzuhalten, bis die umstände des unfalles geklärt seien.

Im pages nerven heute englischsprechende syrische oberschichtangehörige („ah, mykonos is sooo cheap now!“), die offenbar das ererbte geld ihrer familien durchbringen müssen. Dann schocken die autovermietungen, mit denen ich mich am abend noch beschäftigen muss (wir wollen noch einen meinen aufenthalt hier beschließenden abschluss-ausflug zu alis familie machen), denn sie sind nun alles andere als sooo cheap now geworden! Haben wir im oktober noch einen wagen für 1400 pfund gemietet, kostet er nun 3800! Es sei (neben der gewöhnlichen ca. 150%-igen preissteigerung) eben auch der sommer und die hohe nachfrage an wagen wird mir erklärt. Budged, sixt (oder wie ali sagt: sikist) und europcar – alle zu teuer. Wir nehmen nun doch die autovermietung in mezze, die 2800 am tag (aber incl. zwei fahrern, versicherung und kilometern unlimmited) kostet und um die sich ali – inscha’allah – morgen kümmern wird.

Nach über zwei wochen schaffe ich es wieder, zum sport zu gehen. Es ist alles beim alten, außer dass die preis wohl erhöht wurden, was mir aber entgeht da ich erst nach langem und intensivem studium den zettel an der wand entziffere und mühe zahlen darauf entdecke, die eine preissteigerung bedeuten könnten. Da man es vermutlich als hoffnungslosen fall eingeschätzt hat, hat man mich beim bezahlen nichtmal drauf angesprochen. Oder ich habe als altmitglied schon bestandsschutz – wer weiß? Da es inzwischen so heiß geworden ist, zerfließe ich! Als ob man einen 15-liter eimer wasser über mich geschüttet hätte – so nass verlasse ich das studio und schleppe mich gen heimat. Am Nachmittag treffe ich rafik. Wir trinken saft und essen türkische kuchen, die hier nun überall zu haben sind. Überhaupt wird das land mit türkischen produkten überschwemmt. Ich habe neulich schon kritische anmerkungen gehört, dass sich leute beschwerten, dass es ja nicht so sei, dass man hier in syrien keine kuchen habe, wieso man denn diese aus der türkei importieren müsse. Auch andere dinge (insbesondere kleidung) werden schon lange importiert. Die neue türkische außenpolitik: wirtschaftsimperialismus oder neo-osmanismus?

raketenartige fahrzeuge und sich auf motorhauben räkelnde frauen

Gehe mit michel auf die „drinking, dining and dancing“-Party zur vorstellung neuer coupee-modelle und anderer unnützer und zu großer wagen bei mercedes benz(!). eine kleine spontaneinladung, die ich schon aus neugierde nicht abschlagen kann. Schlimmstes volk! Das reichste und verkommenste, was damaskus zu bieten hat. Als wir (zu spät) kommen, fährt gerade ein wie eine missglückte rakete aussehendes gefährt zu pathetischer musik über einen roten teppich. Dann ein feuerwerk! Die türen öffnen (unpraktischer weise) nach oben. So ist ein dezentes und wenig aufsehen erregendes aussteigen aus diesem wagen gar nicht möglich. Aber vermutlch auch nicht vorgesehen, denn wenn man so viel geld für ein so hässliches auto ausgibt, muss man schon eine vollschacke haben und braucht den großen auftritt vermutlich um seine psychischen defizite zu kompensieren. Nicht ein normaler mensch! Der manager der syrischen mercedes-zweigstelle hält eine rede in bestem westerwelle-englisch. Offenbar sind selbst basale fremdsprachenkenntnisse keine voraussetzung, um bei mercedes manager einer internationalen zweigstelle zu werden.

In der halle, in der es die drinks gibt, räkeln sich drei (wie dolly buster aussehende) damen auf der motorhaube eines anderen weißen und viel zu groß geratenen wagens. Viele „gemachte“ gesichter bei den frauen und die „fratze des verzichts“ bei den herren. Nach der erbärmlichen rede geht es zum diner. Sehr lecker! Groß aufgetischt! Von allem nur das beste. Aber ich vermute, dass mercedes das bei den preisen für die wagen bereits miteinkalkuliert hat. Wir essen, da es so lecker ist, leider zu viel. Viel zu viel. Erstunlich die musik zum essen: härteste techno-klänge! Sehr laut, so dass man sich nur mit großer mühe unterhalten kann. Ich vermute, das bei der musikauswahl der gedanke „wir wollen nun aber mal gaaaanz modern sein“ im vordergrund gestanden hat. Ja aber beim essen soll man ja auch nicht so viel reden und mit vollem mund spricht man eh nicht! Während des gesamten procederes hühnern heerschaaren von fotografen und kameraleuten überall herum und filmen und fotografieren, was das zeig hält. Wenn auch nur ein bruchteil der gemachten aufnahmen veröffentlicht wird, muss in den nächsten tagen die gesamte medienöffentlichkeit des landes pausenlos über dieses event berichten.

Danach wird mit einer sängerin und einer kleinen band, die aufgepoppte remixe arabischer klassiker zum besten gibt, versucht, das publikum zum tanz (der teil „dancing“ aus „drinking, dining and dancing“) zu animieren. Immerhin erbarmen sich wenige paare und einige frauen etwa fünf minuten lang die hüften zu schwingen. Dann bläßt man zum großen aufbruch, denn das geld für die neuen modelle will ja auch verdient werden und vermutlich müssen fast alle morgen früh raus. Eine andere welt! Deutlicher noch als in deutschland treten hier die widersprüche hervor. Der reichtum zeigt, wo er nicht von einem sozialstaat in seine grenzen gewiesen wird, seine hässliche fratze.

Dazu hatte ich mal irgendwo etwas passendes gelesen, das ich jetzt hier nicht wiederfinde. Es ging in etwa so: der eine wird als kind von bettlern, der andere auf rosen gebettet geboren. Dass beide sich auf augenhöhe begegnen können, dafür muss der sozialstaat sorgen. Ich glaube vielleicht es war von heribert prantl, denn von dem finde ich folgendes: „Ein Sozialstaat ist ein Staat, der gesellschaftlichen Risiken, für die der einzelne nicht verantwortlich ist, nicht bei diesem ablädt. Er verteilt, weil es nicht immer Manna regnet, auch Belastungen. Aber dabei gilt, dass der, der schon belastet ist, nicht auch noch das Gros der Belastungen tragen kann. Ein Sozialstaat gibt nicht dem, der schon hat; er nimmt nicht dem, der ohnehin wenig hat. Er schafft es, dass die Menschen trotz Unterschieden in Rang, Talenten und Geldbeutel sich auf gleicher Augenhöhe begegnen können. Der Sozialstaat ist der große Ermöglicher. Er ist mehr als ein liberaler Rechtsstaat, er ist der Handausstrecker für die, die eine helfende Hand brauchen.“ (aus einem vortrag zur ökonomisierung der lebenswelt). Im prinzip ist er das ja auch in deutschland schon lange nicht mehr, aber hier fällt mir diese idee der gleichen augenhöhe immer ein, wenn ich bettler an den geschlossenen fenstern der luxuslimousinen stehen sehe. Das ist nun bei weitem nicht mehr augenhöhe...

reisen auf dem motorblock, heiße creme-caramel und fettfreie pommes

Wieder zurück! Die hinfahrt nach tadmur war ok. Zwar kein so aufwändiger service, wie bei haval nach el-hasakeh, aber immerhin wasser, ein schlimmer film und kein unfall. Am Nachmittag angekommen schlagen wir uns gleich in die ruinen. Es ist auch jetzt noch sehr heiß und ziemlich sandig. Am abend im restaurant bestelle ich zum spaß zum nachtisch eine creme caramel (es gibt keine karte und ich versuche es einfach mal). Die mitarbeiter versammeln sich unschlüssig um unseren tisch. Rafik erklärt, dass es sich um eine art kischkeh, wie es in damaskus gegessen wird handele, nur mit caramelgeschmack. Ja, das habe man. Ich wundere mich erst, dass man es gar nicht kennt, es dann aber angeblich habe und bin gespannt. Tatsächlich bekomme ich nach 20 minuten eine frisch gemachte und noch warme creme caramel, die sehr köstlich schmeckt. Ein französischer koch würde sich vermutlich vor ekel übergeben, da sie noch warm war, aber mir mundete sie ausgezeichnet. Danach im laden um die ecke ein kleiner junge, der fan von werder bremen ist. endlich mal nicht nur bayernmünchen! Ansonsten schlimmes wetter. Sandsturm und etwas regen. Wolken und nachts nicht wirklich eine abkühlung. Weiterhin über 30 grad.

Nach frühstück und baal-tempel (wieder gruppen lauter italienischer touristen), fahren wir nach damaskus zurück. Am busbahnhof scheint es erst so, als ob für uns keine plätze mehr frei sind, obschon wir tickets haben (ja, man wundert sich). Dann aber sind noch drei plätze auf der letzten bank frei, was mir erst wie ein segen vorkommt, sich aber schnell als hölle entpuppt. Der heiße motorblock dieses schrottreifen gefährts ist direkt unter unserem arsch. Die sitze sind kaputt und rutschen immer nach vorne, die fensterscheinbe, auf die die sonne erbarmungslos scheint, hat sicher 60 grad. Obschon meinen berechnungen zufolge (wir fahren am frühen Nachmittag gen westen) die sonne im süden, also links sein müsste, ist sie die ganze zeit rechts, also auf uns gerichtet. Auch auf solcherlei berechnungen scheint kein verlass mehr zu sein. Zudem rieselt beständig feiner sand und staub auf uns herab, der sich offenbar den weg durch die lüftung bahnt, durch die aber eben leider keinerlei luft kommt und wir werden heftigst durchgeschüttelt, da auch stoßdämpfer nach dreißig jahren wohl mal ausgetauscht werden müssten. Unnötig zu erwähnen, dass die klimaanlage – so es je eine gegeben haben sollte – nicht funktionierte. Bei schätzungsweise 50 grad im bus kommen wir nach drei stunden fahrt vollkommen tot in damaskus an. Ich brauche zwei tage, um mich von diesen drei stunden zu erholen. Wir gehen nur noch einen sandwitch im pages essen und treffen am abend eimad, einen alten bekannten im hijaz-cafe.

Gestern Mittag dann war ich mit Ian im schwimmbad in rabwe, wo es zwar voller als letzten sonnabend ist, aber immer noch sehr angenehm. Ich springe das erste mal ins wasser, was ich ja sonst nie tue, denn ich möchte das irgendwie lernen. Kann das ja nicht bisher. Zumindest kann ich schwimmen. Denn kurz darauf springt ein profilierungssüchtiger mittzwanziger in den 3,50 meter tiefen bereich, der eben leider nicht schwimmen kann. Wie dumm muss man sein! Er muss vorm ertrinken gerettet werden. Zum glück findet sich gleich jemand, der das retten beherrscht, denn der dafür sonst zuständige live-guard ist gerade verhindert. Er muss freunde begrüßen und ihnen zahlreiche küsschen auf alle körperteile drücken und kriegst so gar nicht mit, dass da gerade jemand ertrinkt. Nun, es ist ja noch mal gutgegangen.

Rafik ist ein wunderbarer koch. Vermutlich der beste, den es hier in diesen breiten gibt. Ali behauptet, er koche besser als seine mutter und wenn ein arabischer junge das sagt muss das schon was heißen. Aber ähnlich wie jean-claude kann er einfach nicht fettfrei kochen. Jean-claude ist der ehemalige koch des weißen hauses. Als die clintons damals die macht übernahmen und hillary das weiße haus unter ihre fuchtel nahm, gab es in einer deutschen zeitung einen artikel: hillary nimmt den koch vom herd. Die neue fettfreie küche, die fortan im weißen haus vorherrschen sollte, hatte den alten französischen koch angeblich überfordert: jean-claude kann nicht fettfrei kochen! Ähnlich geht es rafik. Allerdings ist auch seine einschätzung, was fett sei eine andere, als meine. Öl zählt er nicht zu den fetten und so geht er großzügig damit um. In pflanzenöl frittiertes ist also noch fettfrei. Erst danach beginnt fett. rafik scheint da nicht allein zu sein. Bestellt man in einem restaurant kartoffeln, bekommt man pommes frittes – geichsam die natürliche darreichungsform der kartoffel.

allevitische busse, frisches pizzabrot und blondiertes körperhaar

Das Nationalmuseum von damaskus ist ja immer einen besuch wert. Im foyer sind größere umbaumaßnahmen bereits angekündigt und da diese mit italienischer hilfe wohl schon begonnen haben, sind teile des museums leider gesperrt. Die besichtigung der herumstehenden und schlecht ausgeschilderten exponate dauert dennoch lange, da ja wirklich viel ausgestellt ist. aber wenn man nicht selbst zum beispiel als archologe weiß, um was für ein exponat es sich gerade handelt, bekommt man auch keinerlei hinweis, denn eine beschriftung oder weiterführende hinweise sind nur sehr sporadisch angebracht. Zum glück aber begegnet man nur wenigen menschen und so hat man zeit, die dinge auf sich wirken zu lassen. Danach haben wir im bocelli einen kaffee getrunken. Die haben jetzt einen windschutz (glasplatten am terrassengitter) und einen sonnenschutz (eine schlichte markise) angebracht und tolle ventilatoren aufgestellt, die kühlenden wasserdampf versprühen. Wahnsinn!

Ian und ich versuchen das schwimmbad der jugend nun mal am Nachmittag. Da alle bäder hier um vier nachmittags schon schließen, müssen wir den Nachmittag um zwei beginnen lassen. Und tatsächlich: weniger kinder. Dafür bodybuilder, die sich ihre hormongeschwängerten körper mit einer schäumenden lotion aus amoniak und sonstigen ungesunden inhaltsstoffen einschmieren, die sie „oxygene“ nennen. Ziel dieser prozedur ist es, blondiertes körperhaar zu bekommen. Unappetitlich und ungesund und im ergebnis nichtmal schön. Wie albern: schwarzes haupthaar zu blondiertem körperhaar! Das also war das geheimnis des blondierten brusthaares, welches mir schon vor wochen im sportstudio begegnet ist – ich hatte nicht halluziniert!

Dann haben wir tickets gekauft. Für einen kurz-trip nach tadmur (palmyra) morgen. Bei haval meinte man erst, es gäbe keine busse nach tadmur, dann, der bus fahre um drei, dann er fahre schon um halb zwölf und letzlich, es gebe keine freien plätze mehr. Das erste war nachweislich eine lüge. Wenn aber das letzte stimmt, ist der wahrheitsgehalt der anderen beiden informationen egal. Zwischen diesen infos lagen einige telefonate und viele scherzereien mit den angestellten. Auch bei civan war nix zu holen. So mussten wir wohl oder übel zu kadmus gehen. Die hatten noch plätze. Aber die setzen auf diesen linien in den osten immer schrottbusse ein. Wenn man nach latakia oder woanders ans wasser fahren will, ist kadmus eine gute wahl. Dorthin fahren die luxeriösesten busse. Da es sich aber, wie mir mein arabischlehrer erklärte, um eine allevitische firma handele, setze sie in den osten und in die kurdengebiete eben schrottbusse ein. Dorthin müsse man mit den kurdischen firmen reisen. Aber die waren ja eben leider schon ausgebucht.

Am abend aber raffen wir uns auf und machen noch einen kleinen ausflug auf den berg, vielmehr dorthin, wo noch häuser den berg hochwuchern. Das war nicht so geplant, hat sich aber so ergeben, denn wir sind einem missverständnis aufgesessen. Die neuen kleinen und offenbar illegal betriebenen mini-mini-busse von afif nach oben fahren nicht zum berg qassiun, sondern nur in den letzten winkel der den berg hochwuchernden bebauung (nba’a oder so genannt). Auch nicht schlecht und eine wirkliche abenteuerfahrt durch steile, enge gassen in mir bisher unbekannte gegenden. Dort angekommen spazieren wir etwas umher, werden von allen menschen sehr nett gegrüßt und willkommen geheißen und einer bringt uns sogar (nachdem er uns durch sein fenster angesprochen hatte und uns schon gesagt hatte, dass wir schön seien – wie nett, wo hört man das in deutschland mal von fremden menschen?), noch selbstgebackenes pizzabrot auf die kaum touristen gab. Die rückfahrt war nicht weniger abenteuerlich und ich muss sagen, dass ich als fahrer manchmal wohl nicht weiter gewusst hätte, wenn sich am steilen abhang mehrere wagen so unglücklich ineinander geschoben hatten, dass es weder vor noch zurück ging, wäre ich sicher einfach weinend ausgestiegen. Aber irgendwie sind wir dann doch wieder heil in afif gelandet. Ein toller ausflug!

monobeblockte schland-fans, giftkanonen und der syrische schwimmstil

Gestern Nachmittag gehen wir zum fußball. Ich beim fußball – hätte ich mir auch nicht denken können, zu welchen verzweiflungstaten mich so ein auslandsaufenthalt noch bringen würde. Deutschland gegen argentinien. Es gibt strenge eingangskontrollen. Alle personen werden abgetastet und es sind reichlich ordnungshüter zugegen, um die hereindrängenden massen mit langen gerten im zaum zu halten. Wer sich ungebührlich benimmt wird durch gestrenge ordner gleich wieder nach draußen, also in den bereich außerhalb der absperrung verbracht. Drinnen ist alles mit plastikstühlen dekoriert, auf denen das publikum artig platz nimmt. Da nach spielbeginn eingangsschluss ist, der hang der syrer zur unpünktlichkeit sich aber offenbar auch bei fußballfans nicht abschwächt, haben die ordnungshüter mit ihren langen gerten viel zu tun. Dabei wäre drinnen noch platz, es ist keinesfalls überfüllt. Aber prinzip ist prinzip und ordnung muss sein. Vielleicht deutsches management? Die anwesenden (im vorderen bereich haben die stühle sogar armlehnen – die luxusvariante des monoblocks – hier sitzen mehr familien und auch frauen; im hinteren bereich auf den einfacheren stühlen drängen sich vor allem junge männer) sind zu 70 prozent für alemania und nur zu etwa zu 30 prozent für argentinien. Winkelemente sind überwiegend in den farben der deutschen nationalflagge vorhanden. Entsprechend groß ist die freue, als nach dem spiel die deutschen einen glorreichen sieg davontragen. Ein freudentaumel ergießt sich den weg entlang zum busbahnhof durch damaszener straßen. Überall wo man erfährt, dass ich aus deutschland sei, werde ich nun mit noch überschwänglicherer freude begrüßt. Fehlt nur noch, dass man mir die füße küssen will, das würde ja aber auch bei vorankommen ziemlich hinderlich sein.

Sie fährt wieder (oder noch)! Die giftkanone. Drei mal habe ich in den letzten drei tagen die volle ladung abbekommen. Einmal am merje, wo das einfache volk weiterhin unbekümmert durch die giftwolke flanierte und man sich im cafe seinen tee schmecken lies (ich bin schnell aufs klo geflücktet, wo ich wegen des stark amoniakalischen odeurs jedoch auch nur durch langes luftanhalten überlebte). Einmal im schicken scha’alan, wo der im cafe sitzenden mittelschicht die gesundheitsbedenklichkeit offenbar bewusst war und schnell die glasfront vorgefahren wurde (auch hier bin ich sicherheitshalber schnell in die hinteren räumlichkeiten geflüchtet). Leider führte die zu spät geschlossene glasfront aber dazu, dass sich das gift besonders lange im raum hielt. In meiner lunge hatte ich danach so ein pfefferminzig-frisches gefühl. Heute morgen nun, als ich zum sport gehe, wieder direkt in die fresse! Es reicht jetzt für die nächste zeit erstmal. Mücken oder andere insekten besiedeln mich jetzt bestimmt nicht merh. Dabei macht diese kanone so ein lautes und zischendes geräusch, ich sollte im prinzip kurz vorher gewarnt sein.

Seit einigen schwimmbad-besuchen fallen mir die erstaunlichen schwimmstile der syrer auf. Eigentlich ist das schwimmen, wie wir es kennen, mit einigermaßen koordinierten und zweckdienlichen bewegungen zum fortkommen im wasser fast gänzlich unbekannt. Der syrer strampelt, mit allen gliedmaßen und hält sich so über wasser, wirbelt aber auch eine menge davon auf. Beim heutigen schwimmbadbesuch nun bin ich dahintergekommen, wodurch dieser eigentümliche stil entsteht. Er scheint eine folge des schwimmen-lernens zu sein. Das funktioniert nämlich so: die lernenden werden (meist noch in voller montur, also mit hose, unterhemt und t-shirt) ins wasser geworfen und sollen versuchen sich irgendwie über eine ecke des schwimmbades zu retten. Die strecke wird langesam verlängert, der eigentümliche, der panik vor dem ertrinken geschuldete schwimmstil bleibt. Vermutlich würde man bei uns ja zuerst mal die kleidung ablegen, denn diese zieht einen bekanntlich – wenn sie voll wasser ist – hinab. Da bei dieser form des schwimmens immer eine menge wasser in bewegung gerät, kann man sich leicht vorstellen, dass in dem bassin ein buntes treiben und planschen herrscht.

kein strom, badende shababs, missed-calls und eine win-win-situation

Gestern das dritte mal bei der ausländerbehörde um meinen aufenthalt verlängern zu lassen. Nachdem es beim letzen mal fast daran gescheitert wäre, dass der mietvertrag der wohnung in der ich beherbergt bin nicht auf meinen namen ausgestellt ist (was diesmal keinerlei problem bereitet hätte), ist nun ein neuer triftiger hinderungsgrund hinzugetreten: der vertrag lief nur bis ende juni. Zwar haben wir ihn schon um einen monat prolongiert, dies aber nicht schriftlich festgehalten. Wir wenden ohne lange zu überlegen den selben trick an, wie letztes mal: direkte bestechung. 500 lira im pass und schon bekomme ich statt der normalen zwei sogar drei monate aufenthalt (den ich gar nicht benötige, da ich ja irgendwann auch mal wieder nach deutschland zurück muss – sehr bald sogar!). Wohl eine art sonderangebot: drei für den preis von zwei monaten! Wenn man einmal begriffen hat, wie’s geht (und die hemmungen abgelegt hat dieses spiel mitzuspielen, denn am anfang kommt man sich ja schon etwas blöde vor, dem beamten einen pass mit einem geldschein drin zu überreichen), dann kann man sich mit einem solchen vorgehen prima arrangieren. Und neben dem wohl primären nachteil der fehlenden rechtssicherheit kann man aber so sehr simpel dinge kriegen, die man sonst eben nicht kriegte. Ich glaube viele ausländer in deutschland würden sich wünschen, so an eine aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Leider sind deutsche beamte aber unbestechlich und tun bekanntlich nur ihre pflcht. Und in gewisser hinsicht ist es ja der klassische fall einer win-win-situation: ich habe wenig ärger und eine aufenthaltsgenehmigung zu einem günstigen preis und der beamte hat ein kleines zusatzeinkommen ohne das er vermutlich seine familie nicht durchbringen könnte.

Am morgen mache ich erneut bekanntschaft mit problemen, die einem eine nicht vollkommen funktionstüchtige zivilisation bereitet: während ich mir die haare schneide (was ich ja immer selbst tue, damit ich mir die kratzigen haare gleich abduschen kann, obschon ich einen ausgesprochen gutaussehenden friseur zu meinem nachbarn habe) und so in etwa halb fertig bin, fällt der stom aus. Noch gerade gestern sinnierte ich vor mich hin, dass dieses jahr die stromausfälle ausgesprochen selten vorkommen und anders als letztes jahr, wo wir täglich mindestens zwei stunden keinen strom hatten, dieses jahr fast durchgehend die elektrizität fließt. Nun also gerade in diesem moment. Unpassend! Wirklich! Denn so kann ich unmöglich auf die straße gehen. Also mache ich erst andere dinge (den abwasch, das früstück – auch der zünder des gasherdes geht jetzt natürlich nicht) und warte auf den strom. Nach ungefähr eineinhalb stunden kommt er dann auch wieder und ich kann mein zuvor begonnenes werk vollenden. Wenn man einen tagesablauf hätte, in dem einzuhaltende termine auch nur eine gewisse rolle spielten, würde einem so was einen strich durch die rechnung machen. Ich habe ja zum glück als bonvivant nichts weiteres zu tun.

Um elf gehe ich mit ian ins schwimmbad der jugend „masbah al shabab“, in das man uns anstandslos einlässt. Außer uns sind allerdings überwiegend kinder dort. Aber es gibt ziemlich sauberes wasser, schattenplätze, einfache und funktionale umkleiden, duschen – comme il faut! Und ich habe mal wieder so richtiges urlaubsfeeling, denn auch wenn mein aufenthalt von außen sicher wie ein urlaub anmutet, für mich ist der aufenthalt in damaskus eher schon ein alltag und da tut wasser und sonne sehr gut! Und wasser hat man hier ja sonst wirklich nicht. Es ist ein klasse gefühl, sich im kühlen nass zu erfrischen! Dann, mit einem mäßigen sonnenbrand auf den schultern und einem sonnenstich im hirn versuche ich noch den arabischunterricht zu überdauern. Danach aber muss ich etwas schlummern – doch zuviel sonne?

Langsam merke ich, was ich schon immer unbewusst vermutete: das telefonierverhalten hier ist ein grundsätzlich anderes. Man ist sehr schnell dabei, seine nummern zu tauschen. Ich habe nach nur wenigen monaten hier so viele nummern ins handy eingespeichert, wie ich in deutschland nicht in mehreren jahren zusammen bekommen habe. nummerntausch allerorten, manchmal nur so oder weil man die nummer ja noch brauchen könnte oder um sich gegebenenfalls anrufen zu können, auch wenn man gar keinen fall wüsste, in dem man das tun sollte. Dann gibt es eine ausgeprägte kultur (oder unkultur) des missed-calls (der auch eben so genannt wird: missedcall), also des anrufens und zwei-drei mal klingeln lassens in der hoffnung, dass der andere einen (aus neugierde oder mitleid) zurückruft. Das spart dem einen telefonkosten, nervt aber auf die dauer schon, denn wenn man nicht zurückrufen möchte oder kann (aus welch widrigen gründen auch immer), wir solange gemissedcalled, bis man entnervt das telefon aus- oder zumindest leise stellen muss um seiner bisherigen betätigung weiter ungestört nachgehen zu können. Der dritte und mir zu den anderen trends im widerspruch stehende trend ist das unbeantwortet lassen von anrufen. Sehr oft sieht man, dass menschen wenn sie angerufen werden eben nicht rangehen oder (wie mein freund samer) erst nach dem dritten anruf (denn dann könnte es ja was wirklich wichtiges sein). Oftmals wird das klingelnde telefon ignoriert, obschon einen die entgegennahme des anrufes ja nichtmal etwas kosten würde, um daraufhin einen missed-call bei der einen gerade eben anrufenden person abzusetzen. Mir ist dies bisher eher ein rätsel geblieben. Nur eine idee habe ich gut nachvollziehen können: missed-calls, die mit missed-calls beantwortet werden einfach um zu zeigen, dass man an einander denkt – zumindest eine billige variante!

wüstensand, fliegender kaffee und aramäisch-sprechende christens

Es ist sehr warm und sehr stürmisch. In windeseile breitet sich in der ganzen wohnung und auf allen gegenständen dieser feine wüstensand aus. Man kann die fenster wegen der hitze aber kaum geschlossen halten, so muss man wohl oder übel täglich gegen den staub ankämpfen. Der wind tut seinen anteil dazu. Ich muss bei diesem sturm immer an das zitat aus dem almodovar-film denken, der in diesem windigen dorf spielt (volver?), in dem die hauptdarstellerin über ihre mutter sagt: „der wind hat sie verrückt gemacht“. Ich kann mir das gut vorstellen, dass wind verrückt machen kann, wenn ich das hier so erlebe. Allein schon, weil mir heute im boccelli, wo ich meinen vormittagskaffee genommen habe, der milchkaffee über tisch, tasche, macbook und kopfhörer, beine und arme (also vom winde gut verteilt) geflogen ist. Zum glück ist nicht mir das ungeschick passiert sondern dem garcon beim servieren. Die reinigung allerdings hat über eine halbe stunde in anspruch genommen und noch jetzt fnde ich kaffeespuren an orten, wo diese nicht hingehören. Das macbook allerdings scheint diese kaffee-attacke gut überlebt zu haben, denn sonst könnte ich diese zeilen jetzt nicht schreiben. Ob es die mengen an herumwehendem würstensand auf die dauer auch so gut überlebt, weiß ich nicht. Ich kann nur hoffen, dass sie das bei „designed in california“ mitbedacht haben, dass es an anderen orten heißer und sandiger sein kann. So heiß, dass der ventilator des macbooks in der tasche den ganzen tag lief, weil es sich schon durch die sonne so aufheizt, dass der aku zuhause angekommen komplett leer ist. irgendwie wohl ein belastungstest das leben hier – nicht nur für computer. Auch ich bin heute dizzie. Immerhin schaffe ich es nach dem treffen mit meinem tandempartner (heute waren die schimpfwörter unser thema – huhrensohn ist auch im arabischen eines der schlimmsten!) immerhin noch gerade in den park, wo ich erst rafik, dann ian treffe. Nach dem abendessen aber muss ich mich etwas hinlegen. Das klima? Das alter? Beides?

So verbringe ich einen großteil des tages mit rafik im park (das geht so gerade) und bei einem abendspaziergang in jeremania. Es ist schon erstaunlich, was sich hier für eine irakische infrastruktur gebildet hat. Irgendwo müssen die eine million iraker in damaskus ja sein: hier sind zumindest viele davon. Die schiiten leben ja eher in saida zeynab. In jeremania sind überwiegend die christen zuhause. Man hört neben arabisch auch aramäisch und assyrisch. Eine der beiden sprachen wurde angeblich von jesus gesprochen. Sehr modern rumlaufendes publikum. Mir fällt zum ersten mal auf, dass die balkone wirklich nur von den christen zum draußen sitzen genutzt werden, in den muslimischen teilen der stadt trocknet man höchstens seine wäsche dort; aber drauf sitzen? Wozu baut man dann riesige balkone an die häuser, als wäschetrockenraum? Naja, immerhin nehmen sie das licht für die etage darunter weg und spenden schatten für die darunter liegenden fenster. Was bei uns als nachteil wahrgenommen würde, ist hier von vorteil.

Dann besuche ich noch ein Internetcafe um etwas recherche zu betreiben. Neulich fiel bei einem besuch von ali der name hitler (glücklicherweise nicht als „hitler war toll“ sondern eher in frageform, wie das denn war/was das denn sei). Ich habe dann versucht mit händen und füßen etwas klarzumachen. Zum glück hatte ich noch den film vom nürnberger prozess auf meinem laptop, in dem es einige dokumentarische szenen aus den konzentrationslagern nach deren befreiung gibt. Ali hatte das alles noch nie gesehen. Er war schockiert und bisher ganz offensichtlich ahnungslos in dieser hinsicht. Zumindest dass hilter nicht „toll“ war, hat er glaube ich verstanden. Dennoch will ich einige weitere Informationen auf arabisch suchen. Die suche nach arabischsprachigen informationen über hitler und den holocaust aber ist eine harte sache. Erstens reichen meine arabischkenntnisse einfach noch nicht. Ich kann gerade in der google-filmsuche zurechtkommen, da ich da ja immer auch bilder sehe. Allerdings sind eben alle youtube-filme gesperrt, das schränkt die suchmöglichkeiten schon enorm ein. Zweitens kommen beim suchwort „holocaust“ ausschließich (!) flme zum sog. „gaza holocaust“ – na herzlichen glückwunsch! Bei „hitler“ kommen komödien oder – soweit ich das erkennen kann – verherrlichende filmsequenzen. Allein der russische arabischsprachige sender „russia today“ ist eine hilfe. Er hat – immer zu den jahrestagen (befreiung vom faschismus, befreiung bestimmter konzentrationslager, etc.) – nachrichtensequenzen mit historisch-dokumentarischem charakter. Fürs erste ist es das einzige, was ich finde, um es ali beim nächsten mal zu zeigen.

zwielichtige kinos, schmuddelige filme und männer wie ursula von der leyen

Freitag. Und während viele wohl lange schlafen oder den tag in der familie oder mit freunden im cafe oder park verbringen (denn die läden sind heute nun wirklich mal geschlossen und zum shoppen keine gelegenheit) und andere mittags in die moscheen gehen, gehe ich ins kino. Die kinos sind am Freitag Mittag schon erstaunlich voll. In damaskus gibt es zwei kinos, in die Mann eher nicht wegen der filme geht, sondern weil es dort dunkel ist und es dort andere männer gibt. Überhaupt gilt kino hier ja noch als äußerst anrüchiges vergnügen und nur wenige kinos genießen einen so makellosen ruf, dass sich dort auch familien oder frauen hinbegeben um dann wirklich filme zu sehen. Fast alle anderen kinos der innenstadt wären für ambitionierte cineasten eher eine enttäuschung. Was mich erstaunt ist, dass es italienische semi-pornos gibt. Das habe ich aus früheren jahren anders in erinnerung. Da gab es immer ägyptische komödien oder amerikanische action-film-verschnitte (auf die szenen reduziert, in denen möglichst viel explodiert oder sich besonders böse gehauen wurde). Meine theorie, dass Mann diese kinos nicht aufsucht, um die filme zu sehen, wird wegen der nun laufenden semi-pornos daher wohl eher eine theorie mittlerer reichweite sein. Noch erstaunlicher: der balcon (immer schon im hotspot des geschehens am rande des filmes) ist nun zweigeteilt. Ein schild weist wie ehedem auf den balcon, der andere aufgang ist mit „familienabteilung“ bezeichnet. Was dort aber um himmels willen nicht hochgehen sollte, ist eine familie. Oh nein! Das schild „familienabteilung“ deutet darauf hin, dass sich dort heterosexuelle pärchen (ungestört vom homosexuellen treiben diesseits der spanplattenabsperrung) vergnügen können. „schweinkram“ denke ich! Was ist nur aus syrien geworden? Wohin sind all die schönen traditionen? Immerhin: die bisquits und tee verkaufende tunte ist noch da und immer noch so charmant wie seinerzeit. so verbringe ich dort eine gute stunde, die meiste zeit im staunen über den film, der wirklich nicht schlecht ist. ein erschütternder film, der mit psychedelischer musik und wunderschönen bildern die traurige geschichte von leichten mädchen im unbarmherzigen strudel von party, prostitution und drogen erzählt. Ach die italiener!

Danach versuche ich erfolglos, eine karte für eines der wenigen anständigen kinos zu bekommen, in dem heute im rahmen eines der vielen internationalen filmfestivals dieser stadt angeblich ein deutscher film laufen soll. Aber es gibt keine tickets, da alles frei ist. man muss einfach ins kino gehen. Kein eintritt, gratis, umsonst! Ja, das ist ja fast sozialismus. So gehen wir also am abend noch mal ins kino – diemal mit gänzlich anderer intention und bei einem vollkommen anderen publikum. Der film startet auf die sekunde genau. Keine werbung, kein vorfilm und es ist auch nur ungefähr ein drittel des publikums zu spät, so dass man der handlung schon nach etwa zwanzig minuten ungestört folgen kann. Zu diesem filmfestival gibt es auch (wie ich jetzt feststellen muss) ein programm. Das liegt aber nur in dem kino aus, in dem die filme gezeigt werden. Leider ist das kino nur geöffnet, wenn die filme gezeigt werden, so dass es unmöglich ist, ein solches programm zu bekommen um sich im voraus zu informieren. Aber gochglanz-vierfarbdruck! Schade, dass das programm niemand kennt. Man hätte es ja z.b. an einschlägigen orten (cafes, buchläden, anderen kinos) auslegen können. Nun ist das festival fast vorbei und hunderte dieser schönen programme liegen sich hier platt.

Der heutige hamambesuch gestaltete sich zur hunde-haarmoden-schau. Die angestellten des hamams werden an ort und stelle von einem friseur frisiert. Und das, wo ich schon seit geraumer zeit sage: gehen sie nie in damakus zum frisör! Man schnippelt an allenmöglichen stellen herum und hinterher sehen sie so aus, dass sie unmöglich auf die straße gehen können. Und so passiert es. Als ich den nassbereich des hamams wieder verlasse und den friseur noch immer am selben kopf wie bei meinem eintritt ins dampfbad herumschnippeln und -fönen sehe und dann das erschütternde ergebnis betrachte, ereilt mich ein lachkrampf. Der angestellte sieht nun auf dem kopfe aus, wie ursula von der leyen (vor ihrem styling-relaunch). Der neuste schrei: langhaar-fönfrisuren für den herrn! Wer’s mag...

Böse blicke, zukünftige labore und verschwundene giftkanonen

Am morgen in aller herrgottsfrühe müssen wir aufstehen um zum flughafenbus zu fahren, denn thomas fährt heute leider wieder ab. Danach gehe ich schon um acht ins costa unter dem bocelli, denn alles andere ist um diese zeit in damaskus noch nicht geöffnet. Gleich benehme ich mich daneben. Erst setze ich mich hin, ohne etwas zu trinken zu holen, wer kann auch ahnen, dass das ein selfservice-laden ist? dann hole ich mir was, aber setze mich an die falschen tische (nicht vom costa, die dunkel sind, sondern von segafredo, die hell sind) und ernte gleich böse blicke des personals. Dann verschütte ich beim versuch, unter den wackeligen tisch eine serviette zu bugsieren den kaffee. Als mir neuer gebracht wird (vermutlich hatten sie schon überlegt, einen pfleger für mich abzustellen), schmeiße ich zu guter letzt dann auch noch das milchkännchen auf den boden, das mit einem lauten klirren dort zerschellt. Ich werde mich so schnell nicht mehr dort blicken lassen können.

Danach getreu dem motto der stadt damaskus „shop untill you drop“ ein rieseneinkaufsbummel. Ab und zu muss ja eben mal alles nachgekauft werden. Vor die größten probleme stellt mich die wahl des richtigen waschmittels. Nicht nur, dass die waschmaschine schon gnadenlos schlecht wäscht, so dass ich bei weißwäsche immer bleach zugeben muss, damit man das nach der wäsche noch als weißwäsche erkennt; auch die trockene hitze (und der damit verbundene schnelle trocknungsprozess) verbrennt die wäsche geradezu. Die frau von rafik gab mir nun den tipp, immer nachts die wäsche aufzuhängen, damit sie nicht so schnell trocken wird (sie ist dennoch mitte der nacht schon trocken aber eben vielleicht nicht nach einer sondern erst nach drei stunden). Zusammen mit den hier gnadenlos aggressiven waschmiteln sieht meine wäsche inzwischen arg ramponiert aus. Was reinheit, farbfrische und spannkraft des stoffes angeht genügt sie westeuropäischen standards schon lange nicht mehr. Um die melonenernte vom feld zu holen geht es noch gerade, aber ich befinde mich hier ja inmitten einer städtischen zivilisation ersten ranges und muss etwas auf mein auftreten achten. Nach langem suchen habe ich ein „aril“ genanntes mittel gefunden, das wohl eine billige fälschung von ariel sein soll und angeblich ständiger kontrolle eines „future technologies la boratories“ in paris – also eines zukünftigen labors, bzw. la bors! - unterliegt. Na dann herzlichen glückwunsch! Auf jeden fall bekam ich vom duft, der das halbe stadtviertel beduftet hat, gleich einen schlimmen niesanfall.

Am abend treffe ich dann noch rafik im park, wo es schlimm voll ist. der sommer treibt die leute des nachts auf die straßen und ich freue mich auf durchwachte nächte und verschlafene tage. Allerdings werden mir das erste mal die mücken bewusst. Bisher war ich davon ausgegangen, dass diese aufgrund der trockenheit hier nicht überleben. Mir waren auch in all den letzen jahren keine mücken begegnet. Allerdings gab es in den letzten jahren auch diese tollen lastwagen mit der giftkanone drauf. Die fuhren regelmäßig durch die straßen und versprühten (ein sicher für menschen total ungefährliches) insektengift. Da sie so ein dröhnendes zischen, was man schon von weither hörte, abgaben, war ich immer schon gewarnt und habe dann schnell einen laden oder einen hauseingang aufgesucht und gewartet, bis sich die gröbste giftwolke wieder verzogen hatte. Danach war damaskus immer absolut insektenfrei. Seit monaten aber nun sehe ich diese giftkanone nicht mehr. Und erstaunlicher nebeneffekt: es sind wieder vögel in der stadt! Die ernähen sich ja glaube ich von insekten und die hatten die letzten jahren hier nicht viel zu lachen (und zu essen) und waren dementsprechend seltene gäste. Vermutlich ist dies alles den bemühungen in sachen umweltschutz geschuldet und sicher in ökologischer hinsicht total begrüßenswert. Allerdings waren die mücken (denen offenbar kleinste wasservorräte im bewässerten park für ihre fortpflanzung reichen) wieder zugegen und haben mit den aufenthalt nicht gerade versüßt.