Donnerstag, 25. März 2010

die probleme der jeunesse dorée und toll duftende reinigungsmittel

Von reichen syrern und scharfen putzmitteln – andersherum wäre es mir lieber!
Bin vorgestern von Michel zu einem gemütlichen beisammensein mit einigen seiner freunde eingeladen worden. Dass es sich um reiche syrer handelt, sah man schon daran, dass alle über ausreichend mittelklassewagen verfügen. Wie unpraktisch so ein auto hier ist sah man dann wieder an ca. 40 minütiger parkplatzsuche. Sind dann in ein restaurant, in dem man aber auch nur was trinken kann, gegangen. Die gesprächsthemen waren unter anderem die neuesten diäten, die die jungs gerade ausprobieren! Hätte nicht gedacht, dass das die jungs hier so umtreibt. Einer machte gerade seit zwei monaten die atkins-diät (tödlich!) hat damit aber ganz gut abgenommen. Der andere hatte eine weitere diät ausprobiert und der dritte wieder einen anderen tipp zum abnehmen. Ja, man wundert sich. Ich weiß ja nicht, worüber sich anfang-mitte-zwanzig-jährige jungs in deutschland unterhalten, aber diäten??? Zum glück ging es nicht nur um diäten (ich meine, ich kann meinen teil zu einem solchen gespräch beisteuern), sondern auch um deutschland, die fortschreitende globalisierung, individualisierungstendenzen, den zerfall der familie, die verkehrsprobleme in damaskus und so weiter (lauter heitere themen). Was für ein glück, dass sie so gebildet sind, dass man sich jenseits aller stereotype mit ihnen zum beispiel über deutschland unterhalten kann. Endlich nicht mehr nur diese mercedes-bmw-schumacher-bayern-münchen-gespräche. Da merkt man dann doch, dass es ärzte (in dem alter!), ingenieure oder mindestens studenten sind. Vollendete form arabischer gastfreundschaft: sie haben es geschafft zu bezahlen, ohne dass ich es mitgekriegt habe und ohne dass ich auch nur ein anzeichen von geld, rechnung oder was auch immer bemerkt hätte.
Was mich dabei aber immer wieder erstaunt, sind die inzwischen enormen sozialen unterschiede, die hier seit jahren in großen schritten zunehmen. Noch vor jahren sah man so gut wie keine mittelklassewagen auf den straßen, dafür alte amerikanische schleudern (ähnlich wie in kuba). Aber man sah eben auch keine bettler, keine straßenkinder und keine mülldurchsuchenden rentner. Heute sieht man – leider – beides. Syrien ist der welthandelsorganisation beigetreten, hat sich offiziell vom sozialismus verabschiedet, hat einige westliche berater ins land geholt, wirtschaftsreformen begonnen, seine märkte geöffnet. Gleichzeitig zu den mit dem neuen bmw herumbrausenden neureichen gibt es immer noch tagelöhner, die morgens an bestimmten ecken auf arbeit warten und dann für einen tag ca. 6 euro lohn bekommen. Dafür können sie brot, tomaten und etwas joghurt kaufen, aber sicher keinen neuen bmw! Ich denke, die masse lebt hier in sehr bescheidenen verhältnissen, eher in armut und in beengten wohnverhältnissen. Wenige haben sehr viel zum leben. Eine mittelschicht entsteht nur langsam. Solange die sozialen unterschiede klein waren, war auch kriminalität kein problem. Bin mal gespannt, ob das so bleibt. Bisher scheint mir syrien nach singapur das sicherste land der welt zu sein.
Die sonne scheint wieder! Es wird langsam wieder wärmer! Der frühling kommt mit macht. Da ist zeit für einen frühjahrsputz, dachte ich mir gestern. Habe daher zuerst einmal reinigungsmittel für den großen hausputz eingekauft. In arabisch ausgeschilderte mittel, die es teils in sich haben. Eines (ich hatte um simples reinigungsmittel gebeten) hat die hartnäckigen verfärbungen des spühlsteines, die auch durch heftigstes schrubben mit einem kratzschwamm nicht wegzukriegen waren, innerhalb von sekunden zum verschwinden gebracht. Das hätte mich stutzig machen müssen. Ich habe aber anstatt zu stutzen, zusätzlich mit meinen bloßen händen und einem schwamm im spühlstein herumgeschrubbt bis ich dachte: man, das ist sicher für die hände nicht so gut – und das war es auch nicht. Ich musste sie lange mit wasser spülen und die haut ist nun ganz rosa und dünn und etwas stumpf. und meine hände riechen ganz doll nach blumenduft. Aber sauber sind die jetzt bestimmt! Der tag stand überhaupt unter der ägide des kampfes gegen den schmutz und zwar im wörtlichen sinne – gegen andere schmutzige dinge habe ich nix. Ich habe daher sage und schreibe 6 stunden geputzt. Das war nicht so geplant, hat sich aber so ergeben, denn als wir gerade mehrere eimer wasser verschüttet, ein mords saukram mit dem umtopfen der pflanzen und überhaupt ein totales chaos verzapft hatten, rief rafiks frau an, dass ein onkel gestorben sei. so musste er dorthin zur beerdigung (zwei stunden nach dem tod – ziemlich schnell) und ich musste alleine weiterputzen. Jetzt habe ich sehr kaputte hände, kopfschmerzen (sicher von den scharfen reinigungsmitteln), rückenschmerzen (frage mich wie putzfrauen das machen) aber eine blitzeblank saubere wohnung.

Montag, 22. März 2010

internetzensur, schlimme fernsehserien und alberne lobpreisungen

Gestern nach dem frühstück gehe ich ins pages-cafe, wo sie immer noch kein internet haben, wesswegen ich mal wieder ins knusper mit dem deutschen service (langsam und unfreundlich) gehe, wo das internet funktioniert – immerhin. Dabei fällt mir auf, wie winzig hier immer die portionen milch sind, die man zum kaffee bekommt. Ich muss immer regelmäßig drei mal milch nachbestellen, als ob milch ein so rares und kostbares gut wäre! Nach dem dreimaligen nachbestellen merke ich, dass sie hier den saudischen server eingestellt haben. Der vorteil ist gering: man kann die schrottvideos auf youtube sehen, die der syrische server sperrt. Dafür sind die nachteile enorm: alle schwulenseiten und alle nachrichtenseiten aus deutschland (tagesschau. fr-online, etc.) sind verboten. All das, was in syrien problemlos zu kriegen ist. aber saudi-arabien steht wegen zensur deutlich seltener am pranger als syrien. Noch dazu finde ich die idee, youtube zu zensieren gar nicht so abwegig...
Hatte beim kauf des spiegels mit dem zeitungsverkäufer noch ein kurzes, nettes gespräch über die entwicklung der preise für presseerzeugnisse. Der spiegel ist nämlich teurer geworden. Von ehemals 600 (immerhin über 8 euro!) auf 625 lira. Da ich meine verwunderung darüber zum ausdruck brachte, sagte mir der händler, dass zum beispiel die marieclaire (deren regelmäßiger leser ich ja nicht bin) sich im preis fast verdoppelt habe, auf nunmehr zehn euro! Da ist man als spiegel leser ja noch gut dran! Allerdings nur was den preis angeht, wenn man dann anfängt zu lesen, leidet man schrecklich! Was ein schundmagazin! Aber es gibt nix anderes deutschsprachiges hier. Vielleicht sollte ich doch auf die marieclaire umsteigen.
Gestern abend noch einen schrecklichen tatort gesehen, den ich mir in deutschland aufgenommen hatte und die ganze nacht schlecht geträumt. Ich solle das wirklich nicht tun! Überhaupt ist das mit dem fernsehen hier so eine sache. Euronews und aljazeera haben ein so schmales programm, dass man schon nach 45 minuten wieder die selben berichte sieht. Von dw-world gar nicht zu sprechen, die berichten eigentlich nur von modemessen in shanghai oder schokoladen-spezialitäten aus der schweiz. Dann habe ich auch noch die sateliten-anlage verstellt, da ali auf einem neuen sender (jadid) eine türkische serie sehen wollte, die sich hier gerade großer beliebtheit erfreut. In der serie treten nur schauspieler auf, denen so viel botox gespritzt wurde, dass sie allesamt gar keine mimik mehr haben, wesshalb jegliche stimmung (ob freude oder dramatik, trauer oder leichtigkeit) durch eine kitschige hintergrundmusik geschaffen werden muss, denn die schauspieler sind ja nun mal leider unfähig, sie in ihren gesichtern zu spiegeln.
Beim neu-einstellen des decoders sind mir dnn noch allerlei bizarre sender aufgefallen. Unter anderem einer aus oman, auf dem den ganzen tag (24 stunden!) videos laufen, die den herrscher omans lobpreisen. In musikvideoratiger gestalt oder in gedichten und texten mit bildunterlegung (auch ein sujet, dass schnell alpträume hervorrufen kann). Ich kann mir gar nicht vorstellen, wer sich das ansehen soll, außer eben der herrscher selbst, der sich dann denkt: man bin ich toll, dass die mich den ganzen tag so lobpreisen! Das ist eine fast noch billigere loyalitätsbekundung als die hier allerorten aufgehängten plakate (gestern eines gesehen, wo die zahnärzte syriens (!) dem großen präsidenten zum soundsovielten jahrestag der revolution gratulierten und ihre unverbrüchliche treue mit der baath-partei bekundeten – lächerlicher geht es kaum). Ich meine, das nimmt doch der dümmste einem nicht ab. Wie kann man nur glauben, dass so was wirkt? Es ist doch eher ein armutszeugnis und ein eingeständnis der eigenen beschränktheit und ja auch machtlosigkeit, wenn man so was nicht unterbindet. Also ich würde als präsident abends heimlich diese plakate abnehmen und ein gesetz erlassen, dass es bei hoher strafe verbietet, mich zu lobpreisen!

eine kiste fisch, sozialistische raststätten und lesefaule syrer

Auch die folgenden tage nach dem aufstehen (gut geschlafen, trotzdem ali schnarcht – aber wahrscheinlich haben wir gemeisam um die wette geschnarcht) sind wir gleich wieder in den fängen der gastfreundschaft. Ein freund holt uns auch heute morgen ab und – da wir uns heftig wehren und beteuern, dass wir nun aber wirklich los müssen – bleibt es bei einer einladung zum morgendlichen kaffee und einem kleinen stadtrundgang an der corniche, die bei sonne wirklich herrlich ist, wenn man über die angewohnheit der syrer hinwegsieht, ihren müll einfach an der strand zu werfen und sich offenbar niemand dafür verantwortlich fühlt, ihn wieder wegzusammeln. Nach mehreren schönen aussichtspunkten wird uns noch das heimatliche viertel gezeigt, wo wir auch sogleich einem fischer vorgestellt werden, der und eine kiste fisch (!!!) mit nach damaskus gibt.
Mit einer kiste fisch im kofferraum unseres kias fahren wir dann nochmals zu den eltern von ali, die uns eigentlich noch gestern wieder erwartet hatten, aber mit einem unverbindlichen inscha’allah kann man ja jede verabredung ins unbestimmte ziehen lassen. Wir wussten ja schon, dass wir die tage in lattakia verbringen würden, konnten es ihnen aber natürlich nicht sagen, sonst hätten sie uns gar nicht fahren lassen. So ist die kleine lüge hier schon daher ein ständiger begleiter, da man sonst den auf einem lastenden sozialen pflichten nicht genüge tun könnte. Bei den eltern auf der terrasse sind einige landarbeiter und eben die famlie zum tee versammelt. Zum glück müssen wir nicht noch dem rat der dorfältesten vorgestellt werden, sondern bekommen unverbindlich tee und reichlich gutes essen. Der onkel von ali (inzwischen auch anwesend) hat noch zwei große säcke feuerholz gesammelt, die wir auch noch nach damaskus mitnehmen müssen (dazu muss ali noch mal ca. eine dreiviertel stunde mit dem auto und mehreren familienangehörigen los, um es zu holen). Immerhin ist damit das sommerliche grillen auf der dachterrasse gesichert... Eigentlich ist das auto voll (im kofferraum die kiste fisch, auf der rücksitzbank die säcke mit holz), es passt neben uns und unserem gepäck aber noch die ganze familie von alis schwester hinein, die wir in ein ca. 30 minuten entfernt liegendes dorf bringen, bevor wir uns auf den rückweg machen können. Ich glaube wir hätten es mit dieser beladeaktion fast ins buch der rekorde geschafft.
Auf der rückfahrt fahren wir, von einer pause abgesehen, durch. Diese pause machen wir bei einer raststätte, an der sich seit der revolution (wann immer die war, es ist aber sicher vierzig jahre her), nichts geändert hatte. Ein vollkommen volkssozialistisch geführter betrieb mit einem warenangebot, das keiner will, vielen mitarbeitern die nichts zu tun haben, riesigen räumen ohne gäste und einem dekor, dass mal jeden sozialistischen wettbewerb gewonnen haben muss. Sozusagen eine zeitreise! In damaskus angekommen hat rafik uns etwas gekocht und wir essen noch zusammen, bevor ali die mitgebrachten dinge nach hause fährt und wir dann gemeinsam den wagen abgeben gehen wollen. Das scheitert daran, dass ali verkehrtrum in eine einbahnstraße gefahren ist und die polizei ihn dabei erwischt hat. Er muss nun die von der polizei eingezogenen fahrzeugpapiere morgen einlösen (das geld für die strafe hätte er gehabt, aber vermutlich geht es um einen besonderen pädagogischen umerziehungsversuch der syrischen regierung, dass man am tag nach der verkehrsordnungswidrigkeit höchstpersönlich im kommissariat der verkehrspolizei antanzen muss). So geben wir (auf anraten der autovermietung, die den wagen eh erst morgen Mittag wieder erwartet hätte – frag mich einer nach den regularien dafür) das auto eben erst morgen nach dem besuch beim verkehrskasper ab. Ali hatte allerdings schlimm schlechte laune, denn es war das zweite mal, dass er heute eine strafe bekommen hatte. Das erste mal heute morgen in lattakia, weil er ohne sicherheitsgurt gefahren ist. das hat schon mal etwas geld und eine standpauke gekostet und mein gehässiges lachen, weil ich ihm immer gesagt habe, dass er sich anschnallen soll. Ja, man sieht sofort: der präsident hat die verkehrserziehung zu einem seiner schwerpunktthemen erklärt. Die anderen sind übrigens das rauchverbot und das lesen. Die syrer sollen mehr bücher lesen und sich ein beispiel an den europäern nehmen. Dazu gibt es schöne plakate mit „Ikra!“ – „Lies!“ drauf. Ich glaube ja, dass die syrer mehr lesen würden, wenn nicht alle interessanten bücher der zensur anheim fallen würden, aber das ist vielleicht ein anderes thema. Nun bin ich auf jeden fall gesund und um viele eindrücke reicher wieder im heimatlichen damaskus (wo es nach einigen sommerlichen tagen wieder winterlich kalt geworden ist) und bin müde und zufrieden.

Mittwoch, 17. März 2010

gefangene gäste und die geheimnisse der taubenzucht

Sind nach einigen tagen auf dem lande nun nach lattakia gefahren und haben uns in der touristenzone im norden der stadt ein chalet gemietet. Chalets sind an die küste gebaute häuser, die aussehen wie eine überdimensionierte kleingartenkolonie aber ohne gärten. In diesen breitengraden hat man die steinwüste ja eh leber als das dumme grün, das macht nur arbeit. In jedem haus sind zwei bis vier einheiten, alle mit terrasse oder balkon, viele mit hollywood-schaukel (toll!), die – bevor man mit dem neubau eines gigantischen hotelkomplexes direkt am strand begonnen hat – alle mal einen schönen blick auf das meer gehabt haben müssen. Jetzt haben sie einen tollen blick auf die großbaustelle. Hat auch seinen charme. Schön war, dass man um diese jahreszeit fast allein dort ist. das hat einen ganz besonderen charme. Im sommer muss man hier die pest oder schlimmeres kriegen, wenn tout la syrie hier vorbeiwackelt um zum verdreckten strand zu kommen. Da ali sich in lattakia selbst nicht so gut auskennt (seine stadt ist ja eigentlich jables, nicht lattakia), hat er einen freund angerufen, der als taxifahrer arbeitet und diesen nach einem restaurant gefragt, in dem wir essen gehen könnten. Und so nahm der verhängnisvolle strudel der gastfreundschaft seinen lauf.

Als gast ist man in arabischen ländern ja immer auch ein gefangener. Man muss mit sich machen lassen, denn es gibt kein entrinnen. Und am besten antwortet man auf die zahlreichen nachfragen, wie es einem gehe immer und stets mit einem lächeln: hervorragend! Auch wenn man gerne gerade vielleicht seine ruhe hätte – so was wird nicht akzeptiert. Bei uns ging das ungefähr so: der freund war schon mal nicht allein, sondern hatte noch einen freund dabei. Beide haben und dann erst zum essen eingeladen (es gab selbst für ali, der alle tricks diesbezüglich kennt keine möglichkeit zu zahlen). Dann wurden wir zu einem befreundeten maisverkäufer an der corniche geschleppt, wo wir erneut essen mussten und nun ja noch einen weiteren freund kennengelernt hatten, der sich ebenfalls erkenntlich zeigen musste, wesshalb er uns zum tee eingeladen hat (in der nähe der corniche, die eine schmucklose straße mit sehr schönem blick und einem etwas vermüllten strand ist). Danach haben wir die sehenswürdigkeiten der stadt kennengelernt (lattakia hat diesbezüglich nicht viel zu bieten – auch ganz angenehm), wobei wir unweigerlich weiteren freunden in die arme gelaufen sind, die uns nun wiederum auch zu sich einladen mussten.

So fanden wir uns alsbald auf einem dach wieder und wurden in die geheimnisse der taubenzucht eingeführt (taube heißt übrigend auch hamam, wie das dampfbad, nur mit unhörbar kürzerem a am ende, was bei mir die freudige erwartung eines gemeinsamen dampfbadbesuchs auslöste, aber stadt in einem warmen dampfbad fanden wir uns bald auf einem zugigen dach wieder). Auch dort natürlich tee und haschisch (da habe ich mich bekanntermaßen zurückgehalten). Dann sollte es wieder essen geben! Dabei hatten wir gerade zweimal gegessen! Also sind alle essen holen gefahren und dann mit uns zusammen in unser chalet. Dort wurden unmengen von knabbernüssen (etwa 6 kilo) in alle verfügbaren gefäße geschüttet, so dass ich schon annahm, es würden noch mehr als die inzwischen anwesenden sechs freunde kommen und es wurden große mengen mitgebrachten essens ausgepackt. Da das alles nicht gegessen werden konnte (obwohl ali in der nacht noch eine dieser bekannten fressattaken hatte), wanderte es erst in den kühlschrank und dann unweigerlich am nächsten Vormittag beim räumen des chalets in den mülleimer. Schade um das schöne essen, aber es geht bei diesem spiel wohl in erster linie um das wahren des gesichtes. Der gastgeber (in diesem falle alle freunde, wir waren ihre gäste) müssen uns um den preis des eigenen ruins bewirten, dass wir es nie vergessen werden – so geht das spiel nun mal. Spät in der nacht gingen dann alle, nicht ohne anzukündigen, sich die nächsten tage auch noch mal um uns zu kümmern.s

riskante fahrweisen, schmucklose häuser und chaotische medikamentenverteilung

Nun also der erste teil meines reiseberichtes aus latakia. am morgen hole ich das auto (ein schicker kleiner und neuer kia) ab und fahre elegant, wie es meine art ist im dichten verkehr nach hause, wo ich mich mit ali treffe. Den verkehr in arabischen ländern liebe ich sehr, er ist so muschelig. Man muss sich kaum an regeln halten und einfach nur nach vorne gucken und langsam fahren. Das ist alles. Ich mag das. Dann fährt ali mich beim internetcafe vorbei, da er noch sachen für lattakia von zuhause holen muss. Allein schon wie lange er braucht, um sich in den verkehr einzufädeln zeigt einen sehr defensiven fahrstil (was mir ja lieber ist) aber auch sehr wenig erfahrung im fahren. Ich erinnere mich dessen, was rami mir erzählte, der fahrstunden nahm, obschon er einen führerschein hatte, da er meint, den bekomme man hier quasi ohne jede fahrstunde und er fühle sich eben nicht fit, um zu fahren. Da aber alles gut geht und ali nach einer guten stunde zurück ist, fahren wir nach lattakia. Im kofferraum haben wir nun eine kiste tomaten (dort gibt es wohl nur oliven, das ist ja aber erst das halbe essen). Und auf dem rücksitz sitzt ein überdimensionaler teddybär als dritter mitfahrer.

Auf dem weg nach latakia (das auf syrisch ladii ausgesprochen wird und somit keinerlei ähnlichkeit zu inserem lattakia hat) ist die hölle los, wie eigentlich immer auf syrischen straßen. Nicht das so viel verkehr wäre. Wenn man aus damaskus raus ist, sind die straßen frei. Aber es scheint eine art linksfahrgebot zu geben. Erst im letzten moment weicht man entgegenkommenden fahrzeugen aus. Auch ali fährt so, obwohl ich sagen muss, dass er recht gut und eben defensiv fährt, wenn nicht dieses linksfahrgebot eben wäre, dass mir manchmal das blut in den adern gerinnen lässt (oder gefrieren? Aber dazu ist es eigentlich ja noch zu warm...). das wäre nicht ganz so schlimm, wenn nicht ausgerechnet die linke spur auf den mehrspurig ausgebauten straßen manchmal unvermittelt und ohne ankündigung endet und in ein schotterbett übergeht. Mehrfach schaffen wir es erst im letzten moment, uns wieder auf die alphaltierte straßen zurückzubegeben. Da wir über die hälfte des weges in der dunkelheit zurücklegen (und dunkelheit meint das auch, straßenlampen säumen nur die straßen, die der präsident mal fährt und hier scheint er nicht vorbeizukommen), ist die fahrt recht nervenzährend.

den weg säumen kleine brände, welche durch die straßenverkäufer angefacht werden. So weisen einem immerhin die rauchsäulen den weg. Bei uns wäre die feuerwehr im dauereinsatz, hier lässt man sie gewähren, umwelt ist eben in einem dritte-welt-land keine kategorie. Die familie von ali, bei der wir nach einer für dreihundertfünfzig kilometern recht langen fahrt am abend landen, ist entzückend! Arabische gastfreundschaft, aber nicht so übertrieben, dass es einem peinlich ist. keine kopftücher und man kann sogar den frauen die hand reichen. Das geht in syrien ja nur ganz selten bei besonders aufgeschlossenen syrern. Normalerweise geben sich fremde männer und frauen nicht die hand, nur frauen untereinander und männer untereinander. Alis eltern wohnen mit seinem kleinen bruder und seiner noch unverheirateten schwester – ja man muss sagen – auf dem lande. Die anderen fünf brüder und drei schwestern sind schon ausgeflogen, nur eine wohnt mit mann und kind in der nähe und ist somit auch anwesend.

Das haus ist nicht so klein und sehr schön gelegen. Von einer anhöhe hat man einen blick über die gesamte mediterane hügellandschaft bis zum meer. Ein wirklich außergewöhnlicher blick. Das haus ist schmucklos. unter anderem wundert mich, dass man hier die wände von innen nicht streicht. Sie sind einfach im verputzten zustand gelassen worden, was für uns ja eher gewöhnungsbedürftig aussieht. Die möblierung ist sparsam und funktional aber nicht praktisch in dem sinne. Immerhin ein sehr gutes bad mit stehtoilette und warmem wasser! Ich glaube, dass das haus für diese gegend eher gehobener standard ist, für unsereins ist es aber schon gewöhnungsbedürftig. Der gemeinsame raum ist allerding schön. Dort kommen alle zusammen, essen, reden und: sehen fern! Was wäre die arabische famlie ohne den fernseher? Nur der esel muss draußen bleiben und steht angeleint vor dem haus. Ich finde esel ja immer niedlich!

Das essen ist so, wie man sich es in einem klassischen film über eine arabische famlie immer vorstellt: oliven, tomaten, gefüllte auberginen (damit kann man bei mir ja keinen blumentopf gewinnen), aber auch gebratenes ei, hummus, joghurt, saita und brot, und so allerlei andere kleinigkeiten, die mit brot genommen und gegessen werden (praktisch: man muss hinterher kein besteck abwaschen!). nach dem essen verteilt ali die aus der großen stadt mitgebrachten medikamente. Es ist eigentlich verwunderlich und spricht gegen alle theorien für gesunde ernährung, dass menschen, die sich von den gaben der sie umgebenden natur ernähren, die als fette nur olivenöl, reichtlich gemüse und obst aus eigenem anbau und keine industriell verarbeiteten produkte zu sich nehmen dennoch so schwer krank sind, dass sie allerhand schlimme und bei uns verschreibungspflichtige medikamente benötigen. Beta-blocker und blutfettsenker, alles, was die syrische pharmaindustrie so im angebot hatte war dabei.

Das problem: wenn die packung anders aussieht, als die alte, wusste niemand, was da drin war und für wen (ob mama oder papa) die medikamente nun waren. Die zuordnungsversuche wurden tatsächlich nach der größe, form und farbe der tabletten vorgenommen. Die kleine gelbe ist eher für mama. Was aber, wenn die selbe tablette aus anderer produktion plötzlich grün und mit schlitz ist? dann nimmt papa sie in zukunft aus versehen, ohne sie zu brauchen und mama nimmt die falschen von papa. Ich habe versucht, mich mit hilfe der englischsprachigen beipackzettel an diesem spiel zu beteiligen, bin aber auch daran gescheitert, dass ich nicht wusste ob vastatine nun das selbe sind, wie das, was in den kleinen gelben irgendwie anders bezeichnet wurde. Vermutlich sind all die krankheiten also doch nicht ernährungsbedingt, sondern einfache nebenwirkungen ursprünglich mal unbedacht genommener falscher tabletten.

Geschlafen haben wir im zimmer, dass schwester und bruder für uns räumen mussten (die vermutlich im salon haben schlafen müssen). Das war recht komfortabel. Am morgen habe ich dann die ganze schönheit der landschaft bewundern können. Am meer ist es doch um diese jahreszeit schon erstaunlich warm. Am tag reicht ein t-shirt. Leider gibt es daher auch schon reichlich stechbereite mücken, die mich aber zum glück verschont und lieber ali ausgesaugt haben. So haben wir einige tag ein der ländlichen idylle verbracht und ich muss sagen: erholen kann man sich hier wunderbar!

Montag, 8. März 2010

mann-männliche liebeslieder und zuverlässige autovermietungen

Geweckt werde ich von einem lauten knall. Im ofen ist etwas passiert, aber ich weiß nicht was. Als ich rafik anrufe, erklärt der mir, dass das wohl vom wind kommt. Der drückt den rauch in den ofen zurück und dann geht mit wucht eine klappe zu. Durch drücken eines mit „scharaq“ beschrifteten knopfes kann ich einen kleinen ventilator in betrieb setzen, der den rauch dann also gegen den winddruck nach außen befördert. Noch eine gute stunde stinkt es bei mir ziemlich nach rauch und öl und überall sind so kleine schwanze rußpartikelchen. Aber ich habe wieder etwas gelernt und wieder einmal bin ich – während ich mit dem ölkännchen herumplätschere – dankbar für die gaszentralheizung in deutschland. Ansonsten ein sonniger und kühler tag, den ich zur hälfte mit rafik im park verbringe: saft trinken, sandwich essen und halt so rumsitzen. Dass kann man hier ja besonders gut. Ich glaube fast, dass die halbe nation nix anderes tut. Wenn man so durch die straßen geht, sieht man unheimlich viele unproduktive sitz-jobs. Das bewachen von was auch immer scheint eine der hauptbeschäftigungen zu sein. Und wenn mal drei leute arbeiten, heißt das auch: einer arbeitet vor sich hin, die anderen zwei gucken zu und rauchen.

Heute einen kleinen einkaufsbummel durch die altstadt gemacht. Dabei ist mir aufgefallen, wie aufgeschickst die inzwischen ist. in der gesamten via recta (wo der saulus zum paulus geworden ist) sind inzwischen alle läden mit pittoresken holztüren versehen, die fußwege wurden neu gestaltet und es haben extrem edel aussehende restaurants aufgemacht. Zum glück kann man dennoch ungestört stöbern ohne angesprochen zu werden (nur einmal hello my friend – good price). Diesbezüglich also noch heile welt, ansonsten, wenn das so weitergeht mit der beirutisierung und der pittoreskisierung, dann wird damaskus doch irgendwann ein historisches disneyland. Immerhin kaufe ich eine cd mit irakischen sängern, auf denen – laut rafik – viele homoerotische lieder sind, die ich aber noch nicht verstehe. Im irak würde sowieso eine nicht geringe anzahl der sänger mann-männlich liebeslieder singen. Das ist ja ein im westen vollkommen unbekanntes genre. Arabisch fällt heute aus, da mein lehrer im stress ist, denn er fährt übermorgen einige tage nach karmischli in seine heimat.

Auch ich werde mit meinem freund ali einige tage damaskus verlassen und zu seiner familie nach latakia fahren. Mit einem mietwagen! es gibt jetzt nämlich eine autovermietung, die einem für 21 euro am tag einen chinesischen kleinwagen (mit vollversicherung) zur verfügung stellt (budged). Bisher waren die gebühren doppelt so hoch und die versicherungsdeckungssumme war nur 50%, was im falle eines unfalls ein ganz schönes risiko ist. Zudem war ich noch nicht in latakia und ali kennt es gut, könnte mir das zeigen und 2 tage nur arabisch sprechen (oder stammeln) ist ja auch eine art intensivkurs.

Bei der autovermietung klappt tatsächlich alles. Das auto ist reseriert, der preis wie abgesprochen, zwei fahrer kein problem, versicherung inclusive, es soll vollgetankt sein und morgen früh zur abholung bereitstehen. Dann kann es ja losgehen. Kläre mit ali noch die modalitäten der reise, denn so zauberhaft ich es fände, seiner familie vorgestellt zu werden, weiß ich auch, dass es nach ein oder zwei tagen sehr anstrengend sein kann in einer arabischen familie zu gast zu sein, zumal mein arabisch rudimentär ist. er wohnt dort wohl eine halbe stunde vom meer entfernt und wir hätten damit eine gute ausrede, nicht nur bei der familie, sondern nach einigen tagen in einem der „chalet“ genannten kleinen häuser am meer, die man unkompliziert mieten kann, zu übernachten. Ich glaube, dass ich das eindeutig präferieren werde. Da wir also morgen fahren werden, gibt es nun wieder einige tage keine blogs – danach aber dann wieder einen kleinen reisebericht. Diemal vom meer!

irakischer wahlkampf in der syrischen hauptstadt und tolle spots im tv

Heute ist ja wohl die wahl im irak. Die hat man hier die letzte zeit auch deutlich gemerkt. Überall in der stadt stehen zahlreiche wahlplakate für die wahl im irak. So viele iraker sind nach syrien geflüchtet, dass es sich zu lohnen scheint, hier einen irakischen wahlkampf zu führen. Vorher schon waren mir die irakischen fahnen in jeramania und anderen vierteln aufgefallen, in denen viele iraker wohnen. Aber plakate gibt es in der ganzen stadt. Dabei steht in der syria today, dass weniger als 10% aller ins ausland geflüchteten iraker an der wahl teilnehmen wollen, weil es sich zumeist um diejenigen handele, die an der wahl 2005 teilgenommen, dann aber gesehen hätten, dass sich die situation nicht besserte und sich jetzt enttäuscht von der politik abwendeten. Ihre illusions- oder hoffnungslosigkeit war sicher auch einer ihrer fluchtgründe. Nun, immerhin scheint es sich zu lohnen, hier extra für sie wahlplakate anzumieten.

Im ferseher (vielmehr dem satelliten-decoder) versuche ich die 497 sender zu ordnen, die mir durch einen ungeschickten tastendruck durcheinandergeraten sind. Neben den ca. 200 sendern in denen ein alter mann vor einem buch (vermutlich dem koran) sitzt und in die kamera redet (mal ruhig und beschwörend, mal in rage und aufbrausend), entdecke ich mindestens 7 neue kurdische sender (deren konzept ich nicht immer verstehe) und ebenso viele andere irakische sender auf denen auch eindringlich für die wahl geworben wird. Ein besonders schöner spot wandelt in einer animation die abgegeben stimmen aus der wahlurne in kleine güldene sternchen um, die sich auf den weg durchs land machen und zauberkräften gleich vormals zerstörte häuser aufbauen, verschmutzte landschaften reinigen, vertrocknete parks in ein blumenmeer verwandeln und verlassene viertel auferstehen lassen.

Meistens aber wird gesungen. In gruppen, mit irakischen fahnen und immer steht eine wahlurne vorne in der mitte, in welche zettel geworfen werden (wohl die abgegeben stimmen). Plakativer geht nicht. Schön ist die geste nach dem wurf der stimme in die urne: wie ein sportler nach einem verdienten sieg, werden beide arme (die hände zu fäusten geballt) in die luft gereckt. Ansonsten finde ich meine präferierten sender (al jazeera international und euronews) nicht wieder. Dw world, der deutsche auslandssender geht ja gar nicht! Entweder bringen sie reportagen über mittelfränkische weingüter oder die news von vorgestern in der fünfundvierzigsten wiederholung!

Ich werde, wenn ich nach deutschland zurückgekehrt sein werde, mich jeden tag vor meiner gaszentralheizung niederwerfen. Nicht, dass ich dem ofen nicht auch etwas romantisches abgewinnen könnte. Aber gestern abend war es wider sehr windig, mit dem ergebnis, dass es im ofen zweimal laut geknallt hat. Ich weiß inzwischen, dass das nicht gefährlich, sondern einer klappe zuzuschreiben ist, die verhindern soll, dass der rauch durch den wind wieder zurück in den ofen gedrückt wird. Wenn es aber so knallt, puffen in dem moment aus dem ofen eine menge kleinster rußpartikelchen in den wohnraum, die sich dann im laufe der nächsten stunden auf allem niederlassen und dort einen schönen schwarzen schmier ergeben. Es sind kleine schwarze pünktchen, die aussehen wie dunkler staub. Wenn man sie versucht wegzuwischen macht man nur alles noch viel schlimmer. Wenn ich ein dichter wäre, würde ich ein „lob der zentralheizung“ schreiben. Warum gibt es so was eigentlich noch nicht?

kryptische sprichwörter, schicke präsidentenbilder und neue offenheit

Ein guter tag um am warmen ofen zu lesen, das schami-buch ist durch und ich fange an, mich durch den schinken von michael roes zu kämpfen. Das beginnt mit einem nichtübersetzten arabischen sprichwort, das ich (mir fehlt nur ein wort) wortwörtlich so übersetze: „wenn war gerede nicht sein schöner als schweigen unterbrechungen.“ Entweder muss ich doch noch mal das wörterbuch bemühen, oder diese araber haben komische sprichwörter. Immerhin denke ich mir – vielleicht ist das auch ein postmodernes sprichwort. Und zumindest konnte ich etwas übersetzen! Später, beim arabischunterricht bügeln wir meinen missglückten versuch ein sprichwort zu übersetzen aus. Aus meiner übersetzung „wenn war gerede nicht sein schöner als schweigen unterbrechungen“ machen wir: „wenn das, was du zu sagen hast nicht schöner ist als ruhe, dann schweige“. Das hört sich doch gleich viel gelungener an.

Für morgen bin ich mit einem nachbarn verabredet. Er hatte mich vor einigen tagen auf der straße vor meinem haus angesprochen, ob ich hier wohne. Er arbeitet in halbouni im englischen buchladen und möchte glaube ich mal einfach etwas englisch sprechen. Da habe ich ja nix gegen. Wenn alles gut geht, treffen wir uns morgen auf einen kaffee. Das ansprechen ist hier einfach viel einfacher als in deutschland. Niemand würde einen doof anmachen, nur weil man jemanden unter einem dusseligen vorwand (wie spät ist es? Wohnst du auch hier in der nähe? – ich meine plumper geht es kaum) anspricht und dann im nächsten schritt die nummer austauscht. Ich habe hier inzwischen in den vier monaten so viele nummern in meinem telefon, dass ich bei einigen beim besten willen nicht mehr weiß, wer das ist, woher ich die nummer habe und warum wir die getauscht haben. Aber so kommunikativ ist es immer noch besser, als dieses miesepetrige deutsche.

Überall in der stadt sind neue präsidentenbilder plakatiert und zwar auf den freiwerdenden werbeflächen. Das wäre doch auch mal ne idee für die werbebranche in deutschland. Anstatt so dusselige eigenwerbung zu schalten (hier könnte ihre anzeige stehen oder nichts fällt auf wie ein plakat oder so’n dummsinn) immer merkelbilder kleben. Dabei muss natürlich dann auch die symbolik aus dem arabischen übernommen werden: merkel mit dem politischen ziehvater kohl und ihrem nachfolger (tja, wer bloß?) auf einem bild, wobei kohl ein heiligenschein gemalt wird. Oder: merkel in militäruniform mit sonnenbrille auf. Auch gut: mit zwei gekreuzten mg’s (wahlweise schwertern) unter ihrem konterfei. In allerlei albernen ordensbehängten phantasieuniformen mit sonnenstrahlen um ihren kopf in erlöserpose oder zusammen mit ahmadinedjad und nasrallah (wahlweise mit obama und sarkosi) als närrisches dreigestirn (oder dreigespann?). nun, ich werde diese ideen dem bundeskanzleramt mal antragen. Ne image-kampagne könnte der neuen bundesregierung doch nicht schaden.

Im cafe, in dem ich heute war lag die syria-today, eine von der regierung herausgebrachte englischsprachige zeitschrift, bei der man sich echt wundert, wie offen da tabus und probleme angesprochen werden. Die eine ausgabe über homosexualität, uneheliche kinder und unverheiratete paare lag noch da. Die neue habe ich mir mitgenommen und eine ältere ist mir noch in erinnerung, wo über korruption und andere politische probleme geschrieben wird. mein arabischlehrer meint, die können das nur so offen schreiben, weil das auf englisch ist und weil ein großteil der bevölkerung das eh nicht lesen kann. Diejenigen, die englisch können, und die ausländer, die das dann lesen, sind eh so gebildet und haben den background, dass sie die probleme wahrnehmen und dann mitkriegen, dass sich im hintergrund etwas ändert, ohne dass die reformen an die große glocke gehängt werden. Erstaunlich ist aber schon, dass die zeitschrift z.b. auch über in syrien festgenommene menschenrechtsaktivisten berichtet und artikel abdruckt, in denen die usa syrien auffordern, menschenrechtsaktivisten freizulassen.

müllentsorgung, umfallende pfosten und schrummelige einkaufszentren

Auf der fahrt zu einem laden in fahami, in dem es angeblich tolle klamotten geben soll, ist mir dann nochmal bewusst geworden, was ich schon länger ahnte, nämlich dass hier einerseits dinge, die wir als rücksichtslos bezeichnen würden nicht als solche wahrgenommen werden und gleichzeitig in anderen dingen deutlich mehr rücksicht genommen wird. Über das verhalten im straßenverkehr hatte ich schon ausführlich berichtet. Dort gibt es ja viele aspekte, die bei uns als rücksichtslos wahrgenommen werden würden. andere sind zum beispiel laute musik (gerne aus den im stau stehenden autos) oder die entsorgung von müll auf der straße. Auch wenn es genügend mülleimer überall gibt und diese auch regelmäßig entleert werden, werden im prinzip alle leute all ihren müll dorthin, wo sie gerade gehen und stehen. Da die mülleimerdichte deutlich höher ist als in deutschland, trifft der müll dann und wann mal einen mülleimer, was aber im prinzip eher zufall als berechnung ist. dennoch wird das nicht als schlimm wahrgenommen. Auch rauchen gilt hier nicht als belästigung anderer. Die idee, dass der rauch einen am nebentisch speisenden stört, kommt dem syrer nicht.

Gleichzeitig wird in anderen dingen mehr rücksicht aufeinander genommen. Über das platzmachen im bus und das geldweiterreichen im micro hatte ich schon geschrieben. Dies sind ja aspekte der rücksichtnahme. Vorhin zum beispiel habe ich beobachtet, wie ein frühpubertierender knabe im übermut mit seiner tasche gegen ein bäumchen schlug, das an einem pfosten festgebunden war. Vielmehr war es andersrum, der pfosten lehnte am dem bäumchen, aber das stellte sich nun erst heraus, als der pfosten eben umfiel. In deutschland wäre der blöde junge einfach weitergegangen. Hier jedoch hat er sich geschlagene 10 minuten bemüht, den pfosten wieder, und zwar diesmal richtig, an den baum zu befestigen. Überhaupt scheint es vandalismus hier nicht zu geben, viele dinge sind sehr viel verletzlicher (stromversorgung: sicherungskästen unten, draußen am haus) oder offener (stände der verkäufer nachts nur mit laken abgedeckt). Auch sind die haustüren eigentlich immer offen, so dass man in jedes treppenhaus reinkommt ohne zu klingeln. Die gegenseitige rücksichtnahme hat dabei sicher auch viele elemente einer sozialkontrolle.

Was hier oft nicht funktioniert, ist das internet. Ich wollte gestern etwas downloaden und es hat in drei internetcafes nicht geklappt. Da ich ja ein computer-analphabetist bin (was sich darin zeigt, dass ich immer schnell schlechtgelaunt bin, wenn etwas nicht klappt und keine lust habe, nach den ursachen zu forschen, sondern ich will, dass es verdammt noch mal funktioniert). Aber das tat es eben hier nun gerade nicht. Wenn es kein internet gibt in der stadt (wieder einzentrales serverproblem – dann kann die telefonrechnung sicher auch nicht bezahlt werden), fahren rafik und ich mal ins town-center, ein weit außerhalb liegendes (der name täuscht) sehr großes aber sehr viel schrummeligeres einkaufszentrum als das cham-city-center. Es sieht aus wie ein 6-stöckiger aldi mit allem. Also lohnt sich der weg. Und es lohnt sich sowieso, das zu sehen. Charakterlos, teuer, schlecht. Zum glück wird dieses center damit getraft, dass dort niemand hingeht, wir sind fast die einzigen kunden. Frage mich natürlich, wie die ca. 250 angestellten bezahlt werden, aber das soll nicht mein problem sein. Vermutlich musste ein saudischer scheich noch etwas geld loswerden und hat gedacht, er investiert mal in die zukunft.

unbezahlbare rechnungen, presslufthammer und neue medien

Am abend auf dem merje bei einem kräutertee erzählt rafik mir die nächste episode aus der nun schon monate währenden serie „wir zahlen unsere rechnungen“. (was bisher geschah: wir haben immer noch nicht bezahlt!) rafik war also heute wieder in einem büro der syrischen telekom. Bei den ersten besuchen war der computer kaputt, dann mussten belege für die existenz des anschlusses gebracht werden, der nicht ordnungsgemäß gelistet schien, dann wurde er vertröstet, man würde sich melden, was nicht geschah. Dann hat er nachgefragt und man hatte ihm die auskunft gegeben, dass wundersamerweise der computer nicht hergibt, dass wir auch nur etwas (nicht mal die grundgebühr) zahlen müssen. Man wisse auch nicht warum, aber wenn der computer das so sagt, scheint es so zu sein. Er solle später wiederkommen. Nun ist er wieder hin, und: der computer war schon wieder kaputt gegangen. Beim wasser ähnliches: auch dort hat man uns zwar inzwischen gefunden, die rechnung zeigt aber 0.- syrische lira. Das ist komisch, denn wir haben ja was verbraucht, aber wenn der computer das so sagt, wird es schon stimmen. Man muss mal ehrlich sagen: nicht sonderlich geschäftstüchtig diese syrer. So kann das unternehmen (welches auch immer – vermutlich arbeitet ja jedes unternehmen im land so) nicht gewinnbringend laufen!

heute morgen weckt mich der presslufthammer. Die bauarbeiter haben die vierte und bislang letzte etage des hauses, das sie die letzten monate gebaut haben, angefangen abzureißen. Mit dem presslufthammer hauen sie die oberste stahlbetonwand weg und ich sehe, dass es anscheinend leichter ist, eine mauer zu bauen als sie wieder einzureißen (was für eine schöne symbolik). Ich frage mich nur, warum sie das tun. Entweder haben sie aus versehen zu hoch gebaut und das denkmalschutzamt bemängelt den nun verbauten blick auf die moschee (unwahrscheinlich), oder es handelt sich um eine arbeitsbeschaffungsmaßnahme des syrischen arbeitsministeriums (noch unwahrscheinlicher). Oder die bauherren haben sich schlicht überlegt, dass sie dort ein großzügiges loft und keine normale wohnung mit zimmern wollen? Wenn diese arbeiten anhalten, habe ich demnächst wieder einen freien blick.

ich hatte mich doch neulich pejorativ über die „qualität“ arabischer musikvideos geäußert und nun heute bei der frühstückslektüre einen entscheidenden erklärungsversuche diesbezüglich gelesen (bei rafik schalmi): dieser schreibt, dass das im islam wirkende bilderverbot dazu geführt habe, dass in diesen ländern die bildene kunst (und wenn man ganz großzügig ist, gehören videos ja vielleicht irgendwie dazu, zumindest sind videos ja bewegte bilder) nicht weit entwickelt sei, sich stattdessen die kunst des wortes (erzählen und zuhören können) ausgebildet habe. Schami schreibt weiter, dass daher die in den neuen medien vorherrschende Visualisierung verheerendere wirkungen auf die arabische kultur habe, als auf die europäische, da das, was hier weit entwickelt war nun verkümmere. Die sprache sei nämlich hier sehr viel reicher, was er auch an den zahlreichen synonymen festmacht. Diesen Synonymreichtum merke ich auch beim versuch arabisch zu lernen. Wenn ich denke, ich kann mal ein wort, gibt es für die gleiche sache noch mindestens vier weitere begriffe, die auch – und das kann ein unterschied sein – verwendung im alltag finden.

viel geld, türkische mode und meine begegnung mit der geheimpolizei

Heute nach dem arabischunterricht gehe ich mal wieder ins cham-city-center um lebensnotwendige dinge (alten gouda und baguette, dannette und so) zu kaufen und entdecke direkt dahinter ein noch größeres neueres einkaufszentrum. Die spinnen auch irgendwie die araber. Direkt daneben! Dabei ist das erste noch nichtmal zwei-drittel vermietet. Naja, musste vielleicht ein scheich aus den golfstaaten geld loswerden. Bei dem neuen einkaufszentrum haben sie auch sehr schön an die vierspurige straße neben die dröhnende klimatisation ein gesichtsloses, dafür um so teureres cafe zum draußensitzen hingebaut. Und es sitzen tatsächlich leute dort! Wenn alles gut geht, gehe ich heute abend mit rafik ins kino und wir sehen einen neuen syrischen film. Gestern war die vorstellung ausverkauft. Konnte aber feststellen, dass das publikum middle-class at it’s best ist. Da gibt sich vermutlich die säkular-alevitische mittelschicht ein stelldichein. Aber ab und zu mal kann man ja auch dabei sein.

Was bei autos, kräutertee, haushaltstechnik, waschmittel und überhaupt hier die deutsche expertise, ist in der bekleidungsbranche die mode aus der türkei. Laufend machen neue läden mit mode aus der türkei auf. Bei allen drei schals, die ich hier bisher gekauft habe wurde betont, dass sie aus der türkei stammen (einer war made in dänemark, der andere kam angeblich aus der schweiz, der dritte tatsächlich aus der türkei und zwar der billigste). Das steht in merkwürdigem kontrast zu den hier tatsächlich auftauchenden türkischen pilgern. Habe gestern eine gruppe ländlich und ausnehmend geschmacklos gekleideter menschen gesehen, die türken waren. Leider muss ich sagen, dass ich in all der zeit nie so geschmacklos und vor allem bäuerlich gekleidete menschen gesehen habe, wie diese türken. Dennoch: mode aus der türkei (egal wo sie produziert wird) ist hier der letzte schrei.

Gestern abend schlenderte ich in der abendsonne in den park am four-seasons-hotel und machte das erste mal bekanntschaft mit der geheimpolizei. Im hotel war (was an der limousinendichte zu sehen war) offenbar eine wichtige veranstaltung. Es fiel mir gleich auf, dass im park für einen samstag abend erstaunlich wenig los war. Insbesondere die sonst am abend anwesenden homosexuellen fehlten gänzlich. Allein gleine gruppen mittelalter männer saßen dort herum. Es hätte mich stutzig machen sollen, aber unbedarft in solchen dingen wie ich nun mal bin, schlenderte ich dort herum, bis mich ein herr ansprach (ausgesprochen unseriös aussehend, wenn straßen-kriminalität hier nicht ein fast gänzlich unbekanntes phänomen wäre, hätte ich ihn für einen räuber gehalten), was ich denn mache. Ich schlendere, sagte ich und genieße die abendliche frische luft. Er war in seinem auftreten allerdings zu offensiv, so dass ich ihm bedeutete, dass ich jetzt auch das weite suchen werde. Er hat von mir abgelassen, wohl auch, weil er nicht gewusst hätte, was mir vorzuwerfen ist (wenn sowas nicht ein zu rechtsstaatliches kriterium ist) und wie man mit einem renitenten ausländer verfährt, der nur wenig arabisch spricht. ich habe aber gelernt, was syrer offenbar schon wussten: dass man orte, an denen sich viel (geheim)polizei aufhält auch ohne platzverweis lieber meidet. Auf dem rückweg habe ich wieder die vielen unauffälligen weißen kombis mit vier männern drin gesehen, die heute an jeder straßenecke standen (sie waren die letzten monate gar nicht mehr zu sehen und ich dachte schon, sie seien an nordkorea verkauft worden). Offenbar scheint hoher besuch in der stadt zu sein.

Nun geht es auch den syrischen rauchern an den kragen. Hier rauchen 60% der männer und 30% der frauen, ich glaube, dass das bei den männern mindestens doppelt so viele sind, wie in deutschland. Die lungenkrebsrate ist 180% höher als in europa (habe die syria-today gelesen!). und die regierung hat nun ein gesetz beschlossen (man weiß aber noch nicht, wann es in kraft tritt), dass rauchen in allen öffentlich zugänglichen orten verbietet. Auch die wasserpfeife, was wohl auf größeren widerstand trifft. Dass das rauchen in zukunft auch in krankenhäusern und schulen untersagt werden soll (erstaunlich, dass es in krankenhäusern noch nicht untersagt war...), trifft auf breite zustimmung. In behörden und öffentlichen verkehrsmitteln ist es sogar schon untersagt. Und die zigarettenpreise wurden erhöht! Nun kostet eine schachtel tatsächlich 50 cent! Und wenn man gegen das rauchverbot verstößt muss man 2000 lira berappen (fast einen wochenlohn). Also mal sehen, was das wird. Ich muss sagen, dass es hier in den meisten cafes dermaßen verqualmt ist, dass ich, wenn ich eine stunde dort war, rieche, als ob ich in der räucherkammer gehangen habe, fände das also gar nicht so schlecht, wenn das etwas reduziert würde, denn ganz durchsetzen werden die das hier nicht. Das schätzen sie schon realistisch ein, denn z.b. im micro rauchen auch immer noch einige leute.

religiöse riten, wildes trommeln und schöne gesten der zuneigungs

Am abend auf dem weg zum bab touma, wo ich noch nach weiteren schönen klamotten suchen wollte, stehe ich im micro im donnerstags-abends-stau. wenn man nach dem abendgebet die massen der betenden aus der moschee stürmen sieht, merkt man, wie allgegenwärtig religionsausübung hier ist. der islam macht es den gläubigen dabei ja irgendwie auch leicht. Er hat meiner meinung nach prototypische elemente von religion miteinander kombiniert, die eine enge bindung an ihn möglich machen. Durch das verbot von alkohol und schweinefleisch im alltag und den fastenmonat ramadan wird askese verlangt. Eine religion ohne ein persönliches opfer hat sicher weniger bindungskraft. Das fünfmalige beten am tag führt eine gewisse regelmäßigkeit ein, mit der sich die religion immer wieder in erinnerung bringt. Das geben von allmosen und die fahrt nach mekka geben ein gemeinschaftsgefühl. Die drei elemente askese, regelmäßigkeit und gemeinschaftsgefühl zusammen haben es bestimmt in sich.

Darüber hinaus wird ja auf vieles verzichtet, was die christen so haben. Die drohung mit der hölle zum beispiel ist wohl nicht so präsent. Halte dich an die paar regeln und alles ist geritzt. Schön übersichtlich. Am wichtigsten scheint mir aber der verzicht auf dieses persönliche über-seine-sünden-rechenschaft-ablegen-müssen (in der beichte oder bei den evangelen noch schlimmer nur vor gott – auf sich ganz allein gestellt). Dieses dadurch nötige in-sich-gehen, das sich erkunden und ausforschen führt auf lange sicht natürlich zur herausbildung eines gewissens, es ist aber vermutlich in religionstechnischer hinsicht viel komplizierter, als sich fünf mal am tag gen mekka zu verneigen. Wenn dann noch eine vorstellung von: „ich glaube in mir und für mich persönlich und jeder kann gott sehen, wie er will und so weiter“ hinzukommt, dann ist der erste schritt zum verschwinden der religion schon getan.

Das haben die moslems viel besser eingerichtet. Die haben genügend dinge, die einem verschwinden der religiosität entgegenwirken. Und die externen regularien führen dazu, dass ich dann, wenn ich nicht beobachtet werde, auch mal machen kann, was eigentlich verboten ist. sobald soziale kontrolle versagt, gibt es keinerlei kontrolle mehr. Aber soziale kontrolle ist hier ja fast allgegenwärtig. Dabei ist mir immer die geschichte meines freundes jassir, des libanesen aus frankfurt in erinnerung. Den besuchte eines tages seine ca. 50 jahre alte schwester aus dem libanon. Als er zur arbeit musste, hat sie ihn gebeten, sie in der wohnung einzuschließen (!), denn sie habe so eine angst davor allein und ohne kontrolle zu sein. Sie war noch niemals in ihren ganzen leben zuvor auch nur eine minute ganz allein gewesen!

Am bab touma angekommen merke ich, dass ich dem christentum unrecht getan habe. Vielleicht mag das in europa so sein, aber hier haben auch die christen ein sehr starkes bedürfnis, ihre religion auszuleben. Und sie haben lustige rituale! Ich werde zeuge einer mit höllischem lärm durchgeführten trommler- und bläser- formation, die auf dem hof der kirche das letzte aus ihren instrumenten heraustrommelt und bläst. Der herrgott persönlich muss das gehört haben, so laut war das! Als zaungäste im wahrsten sinne des wortes, denn die pforten der kirche sind verschlossen, stehen viele leute und hören sich das an. Dabei gehen die musiker in bestimmten figuren über den hof, das ganze könnte sich beim zdf-fernsehballett bewerben, wenn es das noch gäbe. Neben mir stehen zwei hussams (komisch, die heißen alle mustermann!), die den Donnerstag abend nutzen, um am bab touma hübschen mädchen hinterherzusehen. Erstaunlich: wir stehen nebeneinander und sehen uns die prozedur an. Einer der hussams legt plötzlich und unvermittelt seinen arm um meine schulter. Ich erschrecke nicht, denn ich kenne das ja schon, diese körperlichkeit zwischen männern oder frauen, die europäer gern als homosexualität fehlinterpretieren, die aber vermutlich gerade aus der undenkbarkeit eben dieser resultiert. Ja, so etwas gibt es hier, unverbindliche gesten der zuneigung fremden gegenüber.

knallende öfen, schlimme briefmarken und ein shopping-rauschs

Die sonne belebt meinen geist und ich beginne das neue buch von rafik schami und ich drehe den ofen runter, der bedrohlich geknallt hat (was hat das nun zu bedeuten?). als ich gestern abend wiederkomme ist der ofen ganz aus (das wollte ich ja nun auch nicht) und es riecht streng nach öl. Ich habe schon den verdacht, dass durch die vereinzelten regenfälle der letzten zeit wasser in den öltank auf dem dach geraten ist, und das, was ich gestern reingegossen habe, was im ofen jetzt flüssig schimmert nicht öl, sondern wasser ist, denn brennende streichhölzer, die ich hineinwerfe erlöschen. Muss dann lernen, das öl doch ein schwer brennbarer stoff ist, denn anscheinend werden die brennenden streichhölzer vom öl ersoffen. Als ich ein brennendes taschentuch hineinwerfe, brennt zum glück wieder alles. Also: öl ins feuer gießen kann doch ein versuch sein, das feuer zu löschen...

Im knusper, dem deutschen cafe (ja, es gibt in damaskus ein deutsches cafe!), in dem ich gestern war, ist die bedienung die unaufmerksamste von ganz damaskus. Ich sitze geschlagene 20 minuten, bevor ich beachtet werde, was mich nicht stört, denn ich surfe im internet (kostenloses internet! – verbotener weise sogar wireless-lan!). Der service wurde also zuerst auf deutsche qualität umgestellt (dienstleistungswüste deutschland halt, aber das wird jetzt unter westerwelle ja alles anders, wenn die faulen säcke – also die armen – sich wieder etwas mehr anstrengen müssen, gibt es demnächst bestimmt auch wieder tüteneinpacker an der penny-kasse). Dort lerne ich einen franzosen kennen, dessen eltern tunesier sind, der also so gar nicht französisch aussieht und der hier in damaskus als französischlehrer bei berlitz arbeitet. Die zahlen für die lehrer einen hungerlohn, haben aber sehr kleine gruppen. Wir unterhalten uns einige zeit sehr nett, dann tauschen wir nummern (was man hier ja schnell macht. Im prinzip kann man fast unvermittelt auf der straße mit jemandem die nummer tauschen ohne dass es sehr komisch wirken würde.) vielleicht treffen wir uns ja mal auf einen kaffee woanders, wo der service besser ist. immerhin nehme ich noch zwei deutsche brötchen (originale!) fürs morgige frühstück mit, das damit auch schon gerettet sein dürfte. Er bringt mich auf die idee, mich hier als deutschlehrer zu verdingen. Er unterrichtet auch privat französisch und meint, deutsch sei sehr gefragt – warum bloß?

„Bil barid“ – bei der post habe ich unkompliziert eine briefmarke erstanden, auf der der präsident syriens dem deutschen führer (bis 1945) erstaunlich ähnlich sieht (ob gewollt oder aus versehen, die arabische republik syrien tut sich mit solchen briefmarken keinen gefallen!). Dann habe ich einen pullover getauscht, der nach der ersten wäsche drohte, sich zu immaterialisieren. Einen pulli für 20 euro muss man aber einmal waschen können ist meine meinung. Zum glück war der verkäufer mit mir d’accord und hat ihn anstandslos getauscht. Bei adidas, auf der suche nach schuhen, die meine füße bei eventuellen wettertechnischen kapriolen der nächsten zeit vor wasser schützen, habe ich den französischlehrer gleich schon wiedergetroffen, den ich gestern kennengelernt hatte. Wir haben noch ein paar minütchen geplaudert, über dies und das und wie man sich die haare macht.

Habe dann bei reebock (die ja von adidas gekauft worden sind und seitdem offenbar den seriöseren part der sportmode repräsentieren sollen – wohingegen adidas seine kleidung anscheinend zunehmend von laien-designern entwerfen lässt) ein paar wasserdichte (inscha’allah) und formschöne (naja) sportschuhe in schlichtem schwarz erworben, die sogar passen. So im rausch des einkaufserfolges habe ich dann im schlussverkauf noch einen braun-grün gestreiften (passt ja zu allem!) schaal gekauft. Reine wolle, wie der verkäufer, der mich offenbar für des lesens unkundig hielt, mir erzählte. 100% acryl steht auf dem schild. Aber wolle kratzt mir eh zu doll! Die mütze dazu gab es gratis. Sie sitzt erschütternd und lässt mich aussehen wie gerade aus der irrenanstalt entlaufen. ich werde sie jemandem schenken, dem sie besser steht. nicht, dass man nun denkt, bei mir sei der reichtum ausgebrochen, es ist nur schlicht so: die sachen sind hier alle wahnsinnig günstig. Das, was ich an klamotten eh brauche, kaufe ich dann lieber hier als in deutschland, wo es nicht besser, aber teurer ist. hungrig schleiche ich nach hause...

drogen, plastemüll, schmelzende stecker und der wundersame öl-ofens

Gestern abend gehen wir noch ins karnack ein bier, bzw. eine cola trinken. Es sind erstaunliche menschen versammelt. Vier japanische touristen, die ganz offensichtlich gelesen haben, dass man hier bier trinken kann, sind die einzigen heterosexuellen gäste. Ansonsten aufgebrezelte tunten und irakische männer, die ebendiese entgeistert angucken und anmachen. Dazwischen damaszener halbwelt, denn ein bier trinken zu gehen ist in etwa das, was es wäre, sich in berlin in einer fixerstube einen schuss zu setzen. Man genießt damit hier eine ausnehmend schlechte reputation! Wir bleiben nicht lange, begegnen aber doch einigen herren, die wir die letzten wochen schon haben kennenlernen dürfen.

Bringe Rafik zum Bus, der zu seiner Schwester nach Homs fährt. Es ist mir ein rätsel, warum hier an allen mit der beförderung von personen zusammenhängenden orten (hier insbes. Busbahnhöfe) immer eine heillose hektik herrscht. Kaum kommt man mit einem koffer oder rucksack zum busbahnhof, stürmen mindestens 12 menschen auf einen zu, wollen einem ein taxi oder sonstige verkehrsmittel anbieten, einen in busse locken, die zu destinationen fahren, zu denen man gar nicht wollte und es muss immer alles ganz schnell und ganz hektisch gehen, als ob es für die nächsten monate der letzte bus sei. Dabei fahren die alle 30 oder 60 minuten und sehr geordnet und man könnte ruhig dort einsteigen, sich setzen und fahren – aber da hat man die rechnung ohne den araber gemacht. Ich würde das ja verstehen, wenn es – wie damals in ägypten – dazu führen würde, dass einem viel geld für unnotiges aus der tasche gezogen wird (zum beispiel eine 20 minütige und sündhaft teure kameltour zu einer 200 meter entfernt dastehenden pyramide, die auch zu fuß zu erreichen ist), aber nichtmal das: sie wollen einen nicht betrügen, einem nix aus der tasche ziehen, einen nicht in die irre führen. Es scheint so eine art schlüsselreiz zu sein: bus=hektik.

Habe dann einen blumenstrauß gekauft und mich dabei wieder gewundert, wie man aus schönen blumen was schreckliches machen kann. Man sieht entzückende blumen in gelb und weiß und stellt sich einen sommerlich-sonnigen strauß vor und dann kommt der „florist“ und macht mit schleierkraut, plastikschleifen, dekopappe und glitzerspray einen scheußlichen friedhofsstrauß daraus. Zuhause muss man all den plastemüll erstmal entsorgen (der eine halbe gelbe tonne füllen würde) und versuchen zu retten, was nicht zu retten ist.

Zuhause merke ich auch, dass meine heizung den stecker zum schmelzen gebracht und die stromversorgung lahmgelegt hat. Das kabel wird sehr heiß (also so heiß, dass ich mir die finger verbrannt habe und eben das plastik des steckers nun in geschmolzenen fäden von der steckdose herabhängt). Zum glück funktioniert aber sowohl die steckdose noch, als auch die heizung. Ich muss mir nur wohl einen anderen stecker besorgen.

Zum glück läuft der wundersame öl-ofen. Das geht so: Im klo ist ein zweiter wasserhahn, aus dem öl kommt, das in einem tank auf dem dach lagert. Das öl kann man für 38 cent den liter nachkaufen. Der preis unterliegt keinerlei marktschwankungen, was den zeitpunkt des einkaufes irrelevant macht. Syrische familien bekommen die ersten 1000 liter zu 22 cent den liter –in den genuss der subventionierten ware werde ich also nicht kommen. Dieses öl füllt man mit einer kanne in eine öffnung oberhalb des ofens. Dann dreht man ein kleines rädchen auf rot und wartet eine minute bis sich das öl den weg in die brennkammer gebahnt hat. Danach wirft man ein brennendes streichholz oder ein brennendes taschentuch hinein und siehe da: das feuer erlischt nicht, denn von nun an brennt das öl. Regulieren kann man den ofen wohl auch, ich weiß aber nicht, wie genau. Immerhin habe ich es dadurch immer mollig warm und ich habe schon lange die romantische vorstellung, mir mein teewasser auf einem im zimmer stehenden ofen zu erhitzen. So sitze ich, selbst wenn es abends mal etwas kühler wird, bei kräutertee und keksen neben einem warmen ofen, Der ofen leistet mir gute dienste, denn damaskus ist zwar normalerweise eine sonnige und helle, aber eben keine warme stadt. im sommer kommen ja gerade desshalb die touristen aus den golfstaaten hierher, da es angenehme 38 bis 40 grad kühl ist und nicht, wie bei ihnen 56 grad heiß. Im winter ist es auch manchmal furchtbar kalt, trotz der sonne, die meistens scheint.

chaotischer fahrgastwechsel und unorthodoxe abbiegeregelungen

Ich muss mich noch mal zum thema verkehr äußern. Und damit meine ich nicht den unehelichen geschlechtsverkehr, sondern den straßenverkehr. Da ich heute gegen halb eins richtung souk und eine gute stunde später wieder zurückgefahren bin, ist mir aufgefallen, wie ungeplant (unplanbar?) die verkehrsströme hier laufen. Ich glaube, dass es praktischerweise so eingerichtet ist, dass ausgerechnet, wenn arbeiter und angestellte Mittagspause haben, die schüler die schule verlassen und alle menschen nach hause oder woauchimmerhin wollen, sowohl taxifahrer als auch microbusfahrer eine große pause einlegen oder einen schichtwechsel durchführen. Am merje, dem zentralen platz der stadt, kam alle 10 minuten ein micro mit 13 plätzen, dabei hätte locker alle 10 minuten eine ganze u-bahn mit fahrgästen gefüllt werden können. Wenn dann ein micro kommt, strömen die menschen auf ihn zu und blockieren seine weiterfahrt an den straßenrand (von haltestellen hat man ja eh noch nie was gehört). Der steht dann also mitten auf der straße und blockiert nachfolgenden verkehr. Zudem führt die menschentraube dazu, dass die im bus befindlichen nicht rauskommen und der vorgang des fahrgastwechsels unnötig lange dauert.

Was mich immer wieder erstaunt ist, dass trotz dieses chaotischen verfahrens erstaunlich viele greise und auch zartere frauen plätze ergattern. Das deutet darauf hin, dass entweder doch rücksicht genommen wird, oder diese sich einfach noch geschickter durchzusetzen wissen. Eine stunde vorher noch (auf dem hinweg) stauten sich an selber stelle in selbe richtung die leeren micros und blockierten ebenfalls den verkehr, da sie auf nicht vorhandene fahrgäste warteten (da gab es noch die mindestens 10 fache menge, die allerdings nicht gebraucht wurde, später waren alle busse verschwunden). Hier würde eventuell die einführung der gleitzeit bei der arbeit enorme entzerrungen der verkehrsströme zur folge haben. Ich sollte dem präsidenden mal einen vorschlag unterbreiten.

Hat man dann einer der begehrten plätze ergattert (ich war schon am überlegen, die stunde fußmarsch auf mich zu nehmen, da ich es seit geraumer zeit erfolglos versucht hatte, in einen bus zu kommen, da hatte es mich plötzlich gleichsam mit der menschenmenge zusammen hineingespült), sitzt man zumindest warm und trocken. ich in diesem fall aber nicht bequem, denn ich hatte nur den notsitz auf der radabdeckung erwischt, der normalerweise nur gut für kinder und jugendliche ist. mir gereicht mein jugendliches aussehen diesbezüglich nicht zum vorteil, denn einem damaszener meines alters (mindestens zehn jahre älter aussehend) hätte man sofort einen vernünftigen sitzplatz angeboten, immerhin saß zumindest ein jugendlicher auf einem anständigen sitzplatz. Dann geht die fahrt los, bzw. das hupen beginnt als erstes. Immer wenn die straße besonders schmal ist, hält an eben dieser stelle planmäßig ein taxi. An jeder kreuzung wird von ganz links nach rechts und von rechts nach links abgebogen. Selbst wenn man auf der ganz linken der fünf spuren nur drei meter weiter nach vorne kommt und in weiteren drei metern aber rechts abbiegen müsste, ist das kein grund, sich rechts zu halten, oh nein! Man kann ja auf der mitte der kreuzung mit lautem hupen von ganz links nach ganz rechts herüberfahren und so alle fünf spuren blockieren. Die autos von rechts wollen ja auch nach links, nach geradeaus will eh niemand, selbst wenn es jemand wollte, er käme nicht voran.

Wenn dann mal drei meter freie fahrt wäre, springen fußgänger auf die straße (die netterweise und anders als im libanon eben nicht totgefahren werden), was den verkehrsfluss – wenn man hier von fluss überhaupt sprechen kann – natürlich wieder bremst. Dann ist erstmal wieder rot. Aber die polizisten pfeifen und fuchteln mit den armen, was bedeuten soll, dass dennoch „weiter“ gefahren werden kann. Das kriegt nur keiner mit, da das hupen so laut ist. der angenehme nebeneffekt dieses eingriffes der staatsmacht: auch die straße, die jetzt fahren könnte, weil sie grün hat, darf nun nicht fahren. Und so steht alles und hupt sich gegenseitig blockierend. Ja, so liebt man den verkehr in damaskus. Noch ein paar autos mehr und es geht eben dann gar nix mehr. Man müsste nichtmal eine u-bahn bauen. Es würden schlicht die beachtung elementarster verkehrsregeln genügen, aber wem soll man das erklären...

zu fuß gehende autofahrer und autofahrende fußgänger

Ich bin erneut erstaunt, dass die autofahrer hier – anders als im libanon – wirklich bremsen, wenn ein fußgänger davorspringt und man eben nicht über die straße rennen muss, sondern (ähnlich wie in paris) auch einfach blind über die straße gehen könnte (es gibt allerdings einige straßen, wo dies lieber nicht gemacht werden sollte). Am anfang habe ich mich immer sehr über rücksichtslose autofahrer geärgert, die so parken, dass man auf die straße ausweichen muss, die einem an kreuzungen den weg abschneiden oder dreist an fußgängerüberwegen parken und so weiter. Ich glaube aber, dass es hier anders ist, als es auf den ersten blick scheint. Wir haben in europa (im norden mehr noch als im süden – man erinnere sich an den erstaunlichen „plan de circulation“ (einer südfranzösischen stadt, die ich im urlaub mal besuchte) mit der revolutionären idee: la voiture a la rue et le pietoniste au trottoir (oder so) – zuvor war es nämlich immer umgekehrt gewesen!) ein klares verständnis davon, welcher verkehrsteilnehmer stärker ist als der andere. Das auto kann den radfahrer plattmachen, dieser wiederum den zu fuß gehenden, usw. daraus hat sich bei uns das bewusstsein entwickelt, dass der stärkere rücksicht zu nehmen hat. Alles andere wird als unverschämt wahrgenommen.

Hier ist es nach meinen beobachtungen so, dass so getan wird, als seinen alle gleichstark. Wenn der fußgänger einfach aus die straße tritt, bremst der autofahrer (es sei denn, es handelt sich um libanesen – leicht am kennzeichen und dem zu großen auto zu erkennen, oder vollverschleierte frauen – da muss man kurz ins auto reinsehen, die damen werden sichtbehinderungsprobleme haben). Wenn andererseits der autofahrer 3 centimeter vor deinen fußspitzen noch rechts abbiegt, musst auch du eben kurz anhalten (in deutschland würde man ihm mindestens die reifen zerstechen).

Meine beobachtungen werden durch zwei aspekte des verhaltens von autofahrern untereinander bestätigt. Erstens: An ampeln und auch beim überholen drängeln sich autos manchmal so unverschämt vor, wie es in europa nur fußgänger an einer roten ampel dürfen. Wenn fußgänger in europa an eine ampel kommen, bilden sie auch keine schlange, bei der derjenige zuerst gehen darf, der als erster gekommen war. Ähnlich machen es hier noch die motorisierten verkehrsteilnehmer. Zweitens: Beim abbiegen hat es sich in europa ja durchgesetzt, dass derjenige, der vorhat links abzubiegen sich links und derjenige, der rechts abbiegen will sich rechts einordnet. Irgendwie verflüssigt das ja auch den verkehr, wenn nicht immer diejenigen von links nach rechts und andersherum müssen und damit die nachfolgenden wagen blockieren. Aber eben so ist es hier. Analog zum verhalten von fußgängern, die auch nicht daran denken, sich zuvor einzuordnen, sondern wild die richtung wechseln, ohne dass ihnen das einer übelnimmt.

reise in ein absurdes land - mein libanon-reisebericht

Nun sind wir zurück. Vor zwei wochen ging es los. wir sind zuerst nach baalbeck in den libanon gefahren. Die fahrt in einem alten mercedes ist recht angenehm und geht schneller als gedacht. Vorne neben dem fahrer sitzt (es ist eine bank, keine einzelsitze) eine mutter mit ihrer kleinen tochter. Unangeschnallt und dauerrauchend aber vollverschleiert. Die kriterien sind hier eben andere. An der grenze müssen wir (anders als noch vor drei jahren) ein visum bezahlen, obwohl wir nur 2 tage bleiben wollen. Nicht, dass die gebührentafel das hergeben würde (transit bis 48 stunden gratis) aber der diensthabende offizier der libanesischen grenztruppen besteht auf einem vierzehntage-visum. Auf dem weg ins beka-tal werden die fahnen der hisbulla und der amal (einer anderen schiitischen miliz) immer zahlreicher. Entlang der landstraße hat man dekorativ die bilder der märtyrer der hisbullah auf plakatwände an den lichtmasten angebracht. So fährt man sozusagen die märtyrer-ahnengalerie des libanonkrieges von 2006 entlang. Dazwischen grinsen einen nasrallah oder khomeni an. Eine besonders schöne installation zeigt nasrallah in siegerpose auf einem panzer.

Die checkpoints der libanesischen armee, die sich hinter sandsäcken und auf panzern verschanzen und den verkehr kontrollieren, versuchen den eindruck zu erwecken, dieses gebiet nicht ganz aufgegeben zu haben, de facto aber ist es in hisbullah-hand. Das hotel in dem wir nächtigen (das altehrwürdige Palmyra) beherbergte schon kaiser wilhelm II. seit dem ist auch kaum noch etwas renoviert worden. Charmant und sauber aber verfallen. Neben uns sind noch eine französische und eine amerikanische familie mit kleinen kindern dort. Und ein männerpaar unbekannter nationalität. Im foyer hängt die galerie der besucher: attatürk, charles de gaule, pierre loti, andre gide und so weiter. Unser bild fehlt noch, aber es war noch etwas platz an den wänden. Baalbeck selbst, die stadt in der wir morgen römische ruinen ansehen werden, ist verschlafen.

Im libanon ist das öffentliche leben in der provinz eh eine simple angelegenheit: man setzt sich mit seinem zu dicken bauch in ein zu großes auto (mit vorliebe amerikanische geländewagen oder hummer, 7er-bmw oder mercedes s-klasse) und fährt mit sehr lauter, schlechter musik zu schnell (am besten viel zu schnell, damit die reifen quietschen) auf den verfallenen, schlaglochübersäten straßen immer im kreis (denn der ort ist ja nun mal recht klein – einige kommen in der zeit, in der wir unseren kaffee trinken, 20 mal an der selben stelle vorbei!). Da das alle tun, geht niemand zu fuß (eben außer thomas und mir und ein paar syrischen wanderarbeitern – was sollen die auch tun, als wandern?). es fällt uns wieder einmal auf, was für ein absurdes land der libanon ist: keine funktionierende stromversorgung, kein trinkbares leitungswasser, ein vollkommen unbewirtschafteter, vermüllter öffentlicher raum, schlaglochpisten als straßen auf der einen seite, die neuesten mittel- und oberklassewagen, schicke neue villen der reichen und eine rausgeputzte und aufgedonnerte bevölkerung auf der anderen seite.

Was für eine absurde gesellschaft, die es zwanzig jahre nach dem bürgerkrieg nicht schafft, sich für den neu angelegten fuhrpark entsprechende straßen zu bauen. Aber dazu müsste man ja auch zu einer gemeinschaftsleistung in der lage sein. Der kauf eines neuen wagens ist eine individuell zu bewerkstelligende aufgabe. An einem haus entdecken wir neben den hisbullah und amal-emblemen noch das an ein abgewandeltes hakenkreuz erinnernde zeichen einer faschistischen (in syrien verbotenen, aber im libanon erlaubten) partei, deren gruß der erhobene rechte arm ist (kommt einem irgendwie bekannt vor). Nicht ganz so sympatisch. Ich habe nicht erst seit heute das gefühl, dass der charme des landes nicht unbedingt durch den bürgerkrieg zerstört wurde, denn bei meinem besuch 1998 war der libanon noch ein sehr charmantes land. Es ist vielmehr so, dass die libanesen gleichsam mit der fortschreitenden motorisierung immer „blöder“ geworden sind. Aber eventuell sind das ja auch spät aufgearbeitete kriegstraumata, die zum rückzug ins privatistische führen. Am abend gegen 20 uhr ist man auf der straße auf jeden fall der einzige – mit einer ausnahme: dreiergruppen mittelalter männer in alten mercedesen: die straßenwachen der hisbullah. Die armee fährt – um ihrerseits präsenz zu zeigen – schwerbewaffnet patrouille.

nach einigen tagen und rundgang durch stadt und ruinen (leckere süßigkeiten aber kaffee immer nur mit gezuckerter dosenmilch – auch daran zeigt sich ja kulturverfall), geht es von baalbek über beirut (wo es regnet!) und saida (durch das wir mit einem rasanten fahrer nur durchdüsen) nach sur (thyre) im südlibanon. Zu den luxusvillen einiger reicher gesellen sich die zeltlager der armen (solidarität à la westerwelle? – die armen können im müll der reichen nach essbarem suchen). In beirut vor allem immer noch die zerstörungen aus dem bürgerkrieg. Die kaputten brücken und straßen aus dem libanonkrieg 2006 werden gerade alle repariert und führen zwar zu endlosen staus und umleitungen, das stadtbild prägen aber eher die alten zerstörungen und eben die neubauten (wobei die scheußlicher sind als die ruinen – leider!). Und die wunderbaren autobahnartigen straßen, die man so ganz ohne fußwege und ohne die möglichkeit, sie als fußgänger zu überqueeren geschaffen hat. Total modern!

Auf der fahrt in den süden werden die kontrollen der libanesischen armee genauer. Erst fahren wir durch christliches gebiet (hariri-bilder, sogar einige des korrupten regierungschefs signora sind zu sehen), dann wieder (im süden – von dem aus immer so praktisch israel beschossen werden kann) hisbullah-gebiet. Bei einer kontrolle wird unser pass gar nicht wirklich erkannt. Der soldat fragt: ist das ein ausländischer pass? Und welcher? Wir hätten ihm alles erzählen können. Vielleicht sollten sie anstatt alles geld in neue jeeps und panzer zu stecken mal etwas in die schulung ihrer soldaten investieren? In sur ist es warm und dennoch regnet es ab und zu. Aber es ist auszuhalten. Ein milder wind weht vom meer her. Menschen sind kaum in der stadt (wie wir das schon kennen), viele wohnungen scheinen ferienappartements von auslandslibanesen zu sein und die sind nur in den sommerferien hier.

Auch hier das gleiche bild: wichtige öffentliche güter wie strom sind nur teils vorhanden. Überall dröhnen die generatoren, der strom fällt ständig aus. Die müllabfuhr scheint nur sporadisch zu arbeiten (die leute schleppen ihre mülltonnen mit dem motorroller zur nächst größeren straße, wo sie sie selbst in große tonnen entleeren müssen). Aber das dröhnen der generatoren hört man ja nicht, da man mit vollaufgedrehter musik im amerikanischen geländewagen die strandpromenade entlangheizt (geschwindigkeitsbegrenzungen werden offenbar als vorstufe zur diktatur gesehen). Das hotel, in dem wir absteigen ist gut, sauber, etwas zu teuer und hat ein anständiges frühstück. Allerdings hat man es so gebaut, dass es keinen meerblick, sondern blick auf die benachbarten baustellen hat, was ja auch ganz charmant ist.

Die stadt selbst erinnert etwas an südeuropa. Ein kleiner noch genutzter fischereihafen, eine pittoreske altstadt mit kleinen kirchen (der libanon war ja ursprünglich gegründet worden, um der in dieser region zahlreich vorhandenen christlichen bevölkerung ein land zu geben), überall reste historischer bauten der kreuzritter und der römer. Die stadt liegt malerisch auf einer landzunge im meer (die wohl mal eine insel war bis alexander der große oder werauchimmer sie aufschütten und mit dem land verbinden lies). Es gibt funktionierende souks und wirklich hübsche häuser. Die zerstörungen des bürgerkrieges sind (von der infrastruktur mal abgesehen) an den gebäuden kaum noch zu sehen.

In der stadt begegnet sich in gestalt der un-soldaten die ganze welt. Ghanaische, thailändische und andere soldaten geben sich in der stadt ein stelldichein. Auffallend viele money-transfer-läden zeigen, dass die stadt (wie der ganze libanon) am tropf der auslandslibanesen hängt. So viele money-transfers, da muss wirklich viel money transferiert werden! Am ende, nach nun fast zwei wochen gehen wir an den allgegenwärtig knatternden generatoren vorbei zum busbahnhof und nehmen einen zuckelbus nach saida. Die straßen sind schlecht, die fahrweise der libanesen schlechter. Zum glück kriegen wir in saida einen bus, der uns ohne durchs stadtzentrum von beirut zu müssen (zwei stunden stau), nach damaskus bringt. Im bus unter anderem ein libanesischer student, der in damaskus studiert, da es im libanon zu teuer ist. er kann sich ein studium in seinem land nicht leisten, da alle universitäten privat sind (bildungssystem à la westerwelle?) und viel geld kosten. In damaskus hingegen kann er auf kosten des syrischen staates ausgebildet werden.

Da syrien alle araber als eine nation sieht, können sie visumsfrei einreisen und im prinzip auch dort bleiben. Allerdings wurde diese regelung durch die zwei millionen kriegsflüchtlinge aus dem irak verschärft. Ich frage mich manchmal, woher die libanesen ihre überheblichkeit den syrern gegenüber nehmen. Sie kriegen im öffentlichen leben (wasser, wege, strom, müll, bildung, etc.) wenig geregelt, fahren mit dem neuesten handy in der hand mit tempo 120 durch ihre zerstörten ortschaften und glauben, sie seien modern. Aber die syrer, die ein funktionierendes gemeinwesen haben (die unter anderem strom an den libanon liefern) halten sie für halbe wilde, weil die sich die neuesten handymodelle und die s-klasse meistens eben nicht leisten können. Man muss dem libanon zu gute halten, dass er es nicht leicht hat. Die explosive zusammensetzung der bevölkerung und der ja auch daraus folgende bürgerkrieg haben vermutlich mehr zerstört, als man auf den ersten blick sieht. die ständigen angriffe israels machen einen aufbau sicher nicht einfacher. Und dass syrien das land bis vor kurzem wie ein protektorat (oder vielmehr eine eigene freihandelszone) gesehen hat, bis es nach dem mord an hariri gezwungen wurde, seine soldaten abzuziehen, haben dem land sicher auch nicht gutgetan.

schnelle bauarbeiter, leere gasflaschen und chemische schokolade

Bei der baustelle gegenüber meines salons bauen sie nun mit macht schon eine dritte etage und kommen damit in genau meine höhe. Demnächst muss ich mich also beim frühstück beobachten lassen oder die vorhänge vorziehen. Als ich vor ein paar wochen dachte, das mit dem haus werde ja so schnell nix, habe ich mich also getäuscht. Ohne jedes schwere gerät und ohne gerüst (selbstredend auch ohne arbeitsschuhe oder helme) bauen die in einem höllentempo mit von hand hergestelltem stahlbetongerüst und steinen. Beeindruckend! Heute wurschteln 12 leute da rum und ich befürchte, dass wenn die in dem tempo weiterarbeiten, am abend eine ganze weitere etage steht. Der bausektor ist natürlich auch – bei dem bevölkerungswachstum und der wohnungnot, die hier herrscht – der, also DER sektor. Jeder zweite studierte mensch hier ist bauingenieur, jeder zweite arbeiter arbeitet auf dem bau und gebaut wird ja auch wirklich überall und ständig. Stadtteil um stadtteil entsteht am rand der stadt.

Nach dem arabischunterricht ruft rafik an und verkündet entsetzt, dass das gas zum kochen schon wieder alle ist. er war wohl fast fertig, aber der gasmann hat leider heute keine gasflaschen mehr und kommt morgen (inscha’allah) vorbei. Sicher ist das also keinesfalls. Die aussicht auf ein frühstück ohne tee, ein essen ohne kaffee danach und die unbill eines lebens ohne kochstelle, verleitet mich zu einem impulskauf. Eine 2,50 euro teure elektrische kochplatte, die in deutschland als größerer zigarettenanzünder durchgehen würde, auf der aber gekocht werden kann. Mit offenen glühdräten, die (vermutlich mit asbest ummantelt) in einem blechtopf vor sich hinglühen und alles um sich herum erhitzen. Eine schlechtere energieausbeute kann man sich bei einem elektrischen gerät kaum ausdenken – es hat sicher energieklasse xxxy! Damit kann ich zumindest teewasser erhitzen, wenn ich mal wieder kein gas haben sollte.

Fahre am abend mit dem mikro nach hause und bin stolz, dass ich die kleinen geheimnisse der mikrobusse inzwischen kenne, bzw. verstehe. Der bus muhaschreen-sehnahya, der in einen noch höher gelegenen stadtteil (eben muhaschreen) fährt, macht eine kleine runde (die einer einbahnstraßenregelung zu verdanken ist) um an afif, wo ich wohne, vorbeizufahren. Abends nun, wo die umgehung der verkehrstregeln möglich ist, murmelt der fahrer kurz vor der entsprechenden kreuzung etwas wie „fi hada afif“. Dann muss man etwas sagen (es ist egal was, ob fi, hada, afif oder einfach ehh) und er fährt die runde. Wenn er etwas längeres mit entschiedenerem tonfall sagt, dann verkündet er, nicht nach afif fahren zu wollen. Dann springt man möglichst schnell raus, damit man nicht in die falsche richtung mitfährt.

Auf dem rückweg kaufe ich noch teure cadburry schokolade, die nicht hält, was der preis verspricht. Das problem ist nicht mal, dass minderwertige zutaten mangelhaft verarbeitet wurden (das sicher auch). Selbst eine schokolade wie ritter sport, die es hier für drei euro die tafel gibt, schmeckt nicht, wenn sie schätzungsweise zehn mal zuvor geschmolzen ist. das problem ist die unterbrechung der kühlkette. Das hat unser alter bundespräsident lübke damals schon richtig gesehen, dass ohne eine weiterentwicklung der kühlketten unsere ernährung – ähh – nicht – ähhh – weiter – ähh – zu also nicht – ähh – weiter zu – ähh – ist. und dann glaube ich, dass sie bei cadburry chemieabfälle zu schokolade weiterverarbeitet haben, also geschmacklich kommt das ganz nah an dioxin ran. Syria has chemical weapons!

Morgen werde ich nun damaskus wieder verlassen und für ganze zwei wochen (!) in die provinz – diesmal die libanesische – reisen. Hisbullah-gebiet steht auf meinem programm und da lasse ich den laptop lieber zuhause und mache also wieder eine kleine (diesmal noch längere) blog-pause.

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das wunder grüner pflanzen und das scheitern am geldautomaten

Die situation auf meinem dach stellt sich folgendermaßen dar: die blumen, die wir gießen sollten, deren herkunft aber fragwürdig ist (angeblich gehören sie einer alten verstorbenen dame, ich frage mich aber, warum nicht diejenigen sie nun gießen, die jetzt in der wohnung dieser verstorbenen dame wohnen und zu deren wohnung das stück dach offenbar gehört), sind nun zu 99% vertrocknet. Erstaunlich ist dennoch, dass 1%, das überlebt hat. Zwei monate in der sonne bei teils ja auch hohen temperaturen in einem vollkommen ausgetrockneten kleinen topf sandiger erde zu stecken und dennoch nicht das grün zu verlieren grenzt an ein wunder. Ich sollte die gene dieser pflanzen destillieren und sie meistbietend an gentechnikkonzerne in europa vermarkten, denn daraus lassen sich bestimmt hervorragend hitzeresistente sorten züchten – ja wieder eine unverwirklichte geschäftsidee! Stattdessen sitze ich hier in der sonne auf dem dach und trinke tee.

Also zum dach: ich hatte die idee, mir die ecke in der zur zeit die vertrockneten sträuche stehen mit neuen pflanzen schön zu machen, denn es ist die wirklich schönste ecke des daches mit gutem blick und sichtschutz. Momentan habe ich mich immer auf einen anderen part zurückgezogen, in dem ich im schatten einer überdimensionierten sattelitenschüssel sitze. Ich traue mich nicht (deutsche mentalität?) den anderen teil des daches zu nutzen, obschon ich noch nie jemanden dort gesehen habe. Ich muss also die nachbarn mal fragen, ob sich das machen lässt, wem der teil überhaupt gehört und dann geködert mit dem angebot, für eine neue begrünung zu sorgen, den teil für den rest der zeit hier zu benutzen. Denn ich glaube nicht nur jetzt, auch im frühjahr kann man hier gut sitzen, bevor es im sommer dann wieder zu heiß wird.

Habe heute versucht, mit der vereinsbank servicekarte (!) geld abzuholen, was erstaunlicherweise eben nicht klappt (merke ich vollhonk aber erst beim dritten geldautomaten). Hätte auch die aok-card ausprobieren können! Ich wollte nämlich dem handyelend von rafik ein ende setzen und ihm ein neues günstiges aber funktionierendes gerät schenken. Seines ist nämlich inzwischen durch und durch schrott. Allein der akku ist in mindestens drei partien zerfallen und das display unbenutzbar (nicht, dass rafik ein virtuose der handynutzung wäre, er hat bis heute nicht herausbekommen, dass man die letzten gewählten nummern über die grüne taste direkt noch mal wählen kann – die tolle erfindung der wahlwiederholung – und sucht sie immer wieder aufs neue im telefonregister, aber auch er hat ein anrecht auf ein funktionierendes gerät finde ich). Da ich aber kein geld bekommen habe, hat rafik kein handy bekommen.

Nach arabisch treffe ich mich mit zwei deutschen homos, die in beirut waren und jetzt hier für drei in damaskus sind und wir trinken tee und tauschen tipps und verabreden uns für morgen zum frühstück. Ich brauche das ja, damit ich deutsch nicht verlerne... beide machen was mit IT, sind aber trotzdem ganz nett und einer wirkt auch erstmal aufgeschlossen und lustig, der andere ist (wie das in beziehungen immer so ist) eher der stille, leicht mürrisch guckende. Was für böse streiche die physiognomie manchmal spielen kann. Sie sind erst heute angekommen und haben einen kleinen kulturschock. Beirut ist ja fast wie berlin oder paris (womit ich nicht sagen will, dass berlin und paris das selbe sind – bei leibe nicht! Aber ich glaube beirut ist in vielerlei hinsicht näher an europäischen städten als am orient) nur schicker, teurer und etwas amerikanisierter, damaskus eben doch etwas anders. Wildes nightlive sucht man vergebens, wenn man es sich nicht im eigenen bett organisiert.

herummäandernde frauen, ehrliche taxifahrer und kiffende jungs

Sitze auf dem dach in der vormittagssonne und habe einen atemberaubenden blick über die noch diesige stadt (oder sind es schon wieder die abgase? – egal von hier oben sieht es schön aus und es riecht nicht übel). Der fotoapparat kann so etwas gar nicht einfangen. So ist das wohl mit den bildern: sie sind trügerisch, unscharf und eben nur oberfläche. Ich habe damaskus zum beispiel auch durch die bücher rafik schamis über damaskus viel genauer kennen und auch lieben gelernt. Es ist sprache, die die welt konstruiert, nicht das bloße gaffen auf eine angeblich schon vorhandene welt. Daher auch die unendliche leere in den youtube-videos (die es ja hier eh nicht gibt, da baschar al assad uns davor bewahrt).

Ich habe einen guten radiosender entdeckt. mixFM aus damaskus bringt den ganzen tag gute musik – etwas dance-lastig aber mit einem erstaunlich großen französischsprachigen anteil (dann wohl eher aus dem magreb stammende titel). Sicher eine konzession an die christliche bevölkerung, die ja doch immer noch sehr francophil und oft auch noch französischsprachig ist. vermutlich sind die es auch eher, die einen solchen sender hören. Aber es gibt gute paul-van-dijk (oder wie schreibt man den?) mixe und andere klasse musik. Leider ist der lautsprecher meines handys tonqualitätsmäßig unter aller würde.

Entweder werde ich doch untoleranter oder ich merke hier so langsam, wie sehr die religion doch nervt, wenn sie versucht das leben der menschen zu dominieren. Also das kirchenglockengebimel mag manchmal stören, aber es ist lange nicht so schlimm, wie die fast zwei stunden live übertragene freitagspredigt. Den fünfmaligen ruf des muhezzin fnde ich ja wirklich schön, aber es gibt so sachen, wo ich finde, dass die religion auch nerven kann. Ich bin zunehmend erstaunt, wenn ich merke, wie zum beispiel vollverschleierte frauen geh- und sehbehindert durch die straßen mäandern und zum verkehrshindernis werden. Allah kann das so nicht gemeint haben! Außerdem liegt auch eine gewisse anmaßung in der behauptung, angebliche (und ja manchmal nicht vorhandene) reize verhüllen zu müssen. Nun aber genug mit der religionskritik, sonst kann ich meine bewerbung für einen vorstandsposten bei der bundesbank gleich hinterherreichen (oder wie war das mit den kleinen kopftuchmädchen, die in berlin ständig produziert werden?). und eine briefbombe aus Amman kommt dann auch sicher bald... (sorry!)

fahre heute zwei mal mit dem taxi. Das erste mal versucht der taxifahrer fusha – hocharabsch – mit mir zu reden, was nach hinten losgeht. „uridu an adhab ila almanya“ ist auf amia – der umgangssprache: „bitti bruh a’almania“. Man stellt keine ähnlichkeit fest und ich habe nur am letzten wort mitgekriegt, was er gesagt hat. Da einige davon ausgehen, dass ausländer, wenn, dann eher hocharabisch studiert haben, sprechen sie das manchmal. Tragisch! Der zweite taxifahrer ist sehr ehrlich. Als ich ihm einen hunderter geben will, sieht er, dass ich auch einen fünfziger habe und will nur den. Das gibt es also doch noch! Schön!

Noch eine erstaunliche entdeckung: wenn ich abends nach hause komme, stehen unten auf der straße immer drei bis sieben jungs zwischen sagen wir mal 16 und 23 jahren, die alle in den umliegenden häusern wohnen. Wenn ich an ihnen vorbei gehe, riecht es erstaunlich intensiv nach haschisch. Und sie sind auch immer sehr gutgelaunt. Und ich dachte immer medikamentenabhängigkeit wäre hier der hit – so kann man sich täuschen.

schlimme musikvideos, füßgängerbrücken und viele kaputte steine

Gestern abend bin ich aus dem osten des landes zurückgekommen. Am Dienstag bei der abfahrt hatten wir glück: der bus fuhr nach fünf minuten und es lief im bus ausnahmsweise mal kein actionfilm über ein busunglück, sondern es gab arabische musikvideos, was mindestens genauso schlimm ist. in arabischen musikvideos wird das abgeschmackteste, was die welt des bildermülls so hergibt immer wieder aufs neue recycelt. Ein mädchen im hochzeitskleid liegt im rosenbett/schnitt/ein mann greift zum handy/schnitt/eine träne rollt über ihre geschminkte wange/schnitt/der mann geht mit ernster mine (und singend) zu einer anderen/schnitt/und so weiter. Lauter hohle bilder. In jedem video aufs neue. Schon daran kann man erkennen, wie wenig innovativ diese gesellschaften (geworden) sind. Schade, denn es gäbe eine menge bildlicher ästhetik, die sich hier ohne probleme schaffen ließe.

In Derizor hat sich nicht viel verändert, seit ich vor einigen jahren das erste mal dort war. Eine große, unnötige und klobige fußgängerbrücke wurde im stadtzentrum aufgebaut. Vermutlich hat man sich gesagt, dass man die fehler der stadtplanung, die man in damaskus versucht gerade rückgängig zu machen, hier nun noch einmal aufs neue machen möchte. Sonst ist offensichtlich mehr los in der stadt, was man auch daran merkt, dass die hotels gut ausgebucht sind. Am nächsten morgen machen wir uns auf nach mari, einem fast 5000 (in worten fünftausend!) jahre altem „ort“ an der irakischen grenze. Es ist mehr ein sandiger hügel, aus dem man einiges ausgegraben hat, was dann an der frischen luft zerfiel, weshalb man dann ein dach über die ausgrabungsstelle gelegt hat (lehm ist dann doch nicht so resistent). Es ist sehr trocken und ausgesprochen sandig. Nach fast zweistündiger microbusfahrt in rasantem tempo über die piste (so muss man die straße wohl nennen) ist das natürlich nicht der garten eden, aber den hatten wir auch nicht erwartet. Immerhin gibt es cola! Und reisegruppen: italiener und deutsche! Und es ist ja dann schon auch irgendwie erstaunlich, wie alt manche sachen sind.

Dann fahren wir weiter (wieder microbus, diesmal haben wir nur die notsitze auf dem heißen motorblock – glücklicherweise dauert die fahrt nicht lange) nach doura-europos, einer immerhin über zweitausend jahre alten siedlung, die die römer hier hingestellt haben. Auch ganz schön kaputt der kram, aber man sieht mehr als in mari und hat einen schönen blick auf den euphrat. Als wir von dort wieder wegwollen, merken wir, dass der verkehr schon verdammt dünn geworden ist und die viertelstunde, die wir brauchen um einen microbus zu finden der uns mitnimmt, kommt uns verdammt lang vor, da wir die ganze zeit zweifeln, ob wir überhaupt wieder von dort wegkommen. Was macht man bloß, in der wüste, ohne wasser und ohne zelt in der nacht? Naja, eine beduinenfamilie hätte uns sicher unterschlupf gewährt. In derizor steigen wir gleich wieder in den nächsten bus nach palmyra (ja ein tag der busfahrten, am abend tut mir mein allerwertester dann auch ganz gehörig weh). Dort finden wir fast kein hotel, einige sind ausgebucht, andere nutzen den winter zum renovieren oder haben schlichtweg geschlossen. Erst das zehnte hotel hat noch zwei mäßige und überteuerte einzelzimmer frei – was sollen wir machen? Nach der fahrerei brauchen wir ein bett!

Wir essen in einem annehmbaren restaurant eines netten aber auch zu aufdringlichen jungen mannes, der uns gleich seine vollgeschriebenen gästebücher mit allerlei blödeligem lob über das restaurant unter die nase hält. Das essen war ok, aber ich habe schon deutlich besser gegessen und dann schreiben da blöde touris rein, dass sie schon 30 tage in ägypten, jordanien und syrien unterwegs seien, und noch nie so gutes essen gehabt hätten. da fragt man sich, wo die sonst gegessen haben. Arme menschen! Wenn die in 30 tagen nahost nicht einmal wirklich gutes essen bekommen haben, müssen die entweder schön blöd oder sehr arm sein, was bei touris ja eher ausgeschlossen ist. aber für solche leute ist der tourismus wohl gemacht: menschen, die nicht wirklich wissen, was gut ist und glauben, dass der reis, wenn auf ihm eine mandel liegt, nach einem altem orientalischen hausrezept der beduinengroßmutter zubereitet wurde.

In palmyra sieht man dann viele alte ruinen und steinsäulen stehen. In der masse schon beeindruckend und mit der milden witterung und einem leichten wind echt angenehm. Von der stadt zu den ruinen wurde eine funktionstüchtige straße weggerissen und es wurde eine dem historischen nachempfundene aber leider ob ihrer höckel unbenutzbare neue straße gebaut. Nun fahren alle neben der neuen straße im sand, was dann doch enorme aufwirbelungen produziert, weshalb man als fußgänger innerhalb kürzester zeit aussieht, wie das sandmännchen, wenn es in seinem sand gebadet hätte. Heute morgen haben wir uns dann noch den baal-tempel angesehen, der auch groß und kaputt ist. fast alle säulen umgefallen! Schlimm! Das können 40 jahre sozialismus aus einem blühenden land machen! (dieser spruch geht auf eine polenreise im jahre 1986 zurück, bei der ich einer gruppe deutscher heimatvertriebener durch das von den deutschen komplett zerstörte warschau begegnete. Beim anblick verwitterter fassaden der wieder aufgebauten häuser sagte einer der heimatvertriebenen (dessen eltern die häuser der polen vermutlich zuvor gesprengt hatten): „das können 40 jahre sozialismus aus einem blühenden land machen“. Seit dem ist das so eine art geflügeltes wort geworden).

Am gestrigen abend durchstreife ich noch die straßen der stadt und begegne zwei motoradfahrern, die mich fragen, ob sie mich irgendwohin mitnehmen können (sie sind schon zu zweit auf einer alten gurke – aber warum nicht?). Ich willige ein – zu dritt, dafür ohne helm auf dem motorrad! Zum glück fährt die gurke so langsam, dass es wohl nicht wirklich gefährlich war. Dann schlage ich vor, doch zu den ruinen zu fahren. Sie berichten von einer weiter außerhalb liegenden thermalquelle, die wir dann auch noch besichtigen (eine richtige kleine stadtrundfahrt in der nacht!). danach fahren wir querfeldein (sehr lange und sehr weit weg) zu einer hütte, zu der die beiden einen schlüssel haben und die der olivenernte dient. Licht wird mit einer an die motorradbatterie angeschlossenen glühlampe gemacht, die naturgemäß im laufe der zeit immer dunkler wurde. Erst war ich noch etwas unsicher. Sie hätten mich ja auch kaltmachen oder ausrauben oder was auch immer können, denn wir waren wirklich am arsch der heide, bzw. des olivenhaines, aber es war nicht so. wir haben lediglich etwas geplaudert, tee getrunken und kekse gegessen und ich habe die syrische gastfreundschaft genießen dürfen. Danach haben sie mich ins dorfzentrum zurückgefahren. Ja, die arabische gastfreundschaft!

erstaunliche moden, einschlägige seiten und syrische gastfreundschafts

Ich werde mich bei der reiseleitung beschweren müssen! Es hat heute schon wieder geregnet und es ist bewölkt! Dabei hatte ich meinen aufenthalt mit schön-wetter-garantie gebucht. Oder vielleicht verfasse ich eine eingabe an den präsidenten, der sich hier ja eh um alles kümmert. Da kann er doch mal etwas mehr sorgfalt in die auswahl des wetters stecken! Dann kommt natürlich doch die sonne durch und ich gehe raus und kann bewundern, was die syrische textil-industrie so als neueste trends gesetzt hat: karo-gemusterte hosen und glitzerstoffe für hose und hemd! Daneben gibt es offenbar einen neuen handyklingelton, der aus einer art orgasmusgeschrei einer frau besteht und der den vorläufigen höhepunkt der sittlichen verkommenheit in der arabischen welt markieren dürfte.

Im deutschen cafe lief gestern das internet nicht, was gar nicht deutsch ist. und dabei habe ich es nur aufgesucht, weil ich ins internet wollte und ungestört ein bischen surfen. Ja, man kann sich hier nirgends auf deutsche gründlichkeit verlassen. gehe daher ins cosa, die auch ein wireless-lan haben, aber auch dort geht das nicht. (was ich ärgerlicherweise erst nach der bestellung merke, denn ich wollte ja nicht schon wieder was trinken, ich wollte verdammt noch mal ins internet!!!) Überall schnatternde französinnen, die müssen sie hier in der gegend busweise abgeladen haben. Selbst im deutschen cafe! Wird also mit internet heute nix glaube ich. Ist vermutlich an zentraler stelle abgestellt worden. Auch abgestellt war wieder die straßenbeleuchtung, als ich dann von vierten versuch ins internet zu kommen (nachdem das scha’alan-internetcafe abgelehnt hatte, meinen laptop ans kabel zu lassen – sei angeblich nicht mehr möglich, geht aber komischerweise immer, wenn der besitzer nicht da ist), dem inhouse-cafe (teils erfolgreich, aber ich konnte keine mails abfragen und versenden) zurückkam. Stockduster! Ich wollte davon mal ein foto machen, aber man sieht dann ja nur schwarz – das ist auch nicht sooo beeindruckend.

Gestern nacht habe ich den schritt in die moderne gewagt. ich habe mich nach einem kurzen treffen mit rafik, der morgen zu seiner schwester nach homs fährt, ins internetcafe gesetzt (in das schwule internetcafe am marje – dort funktionierte alles!) und mir auf einer einschlägigen seite ein profil zugelegt. Mal sehen was sich so ergibt. Etwas hat sich sofort ergeben: die mitarbeiter-crew (alles entzückende invertierte) haben sich in alter syrischer gastfreundschaft sofort an den computer gesetzt und mir profile und fotos von freunden von ihnen gezeigt, die mir gefallen könnten. Einer gefiel mir wirklich und den haben sie sofort angerufen (nachts um 2!) ich habe mich 20 minuten später mit ihm getroffen. Obwohl er in dubai arbeitet, gefällt ihm damaskus besser (was schon mal sympathisch ist) und er möchte lieber hier arbeiten. Er meinte außerdem, dass dubai vollkommen rassistisch sei, er habe den falschen pass. Als europäer verdiene man viel aber als araber sei man der letzte dreck. Ja, so lernt man hier neue leute kennen. So einfach ist das in deutschland wirklich nicht.

Beim arabischunterricht kamen wir auf das thema, was ich an deutschland möge. Und das fällt einem ja im prinzip immer erst im ausland auf. Und was ist es neben meinen freunden, der familie, einer guten zeitung, dem alten gouda oder dem wunderbaren nieselregen? Ja: die deutsche zuverlässigkeit. Es ist unglaublich zeitraubend und auch manchmal nervig, wenn etwas mal funktioniert und mal eben auch nicht. Wenn man fragt: habt ihr morgen geöffnet? und entgegen der zusage dann doch zu ist, wenn das büro, in dem rafik eben versucht hat unsere telefonrechnung zu bezahlen nun plötzlich doch schon um halb eins statt um drei zumacht, weil die mitarbeiterin besseres (vermutlich shoppen gehen) zu tun hat. Wenn ich ins internetcafe gehe, aber es dort keine internetverbindung gibt, und so weiter. Es gibt mindestens ebenso viele vorteile dessen (eben der deutlich geringere stress, den sich die menschen hier mit der arbeit machen, die haltung: wenn es nicht klappt, dann klappt es halt nicht, das, was die chefin vom goethe-institut vor jahren mal mit dem ausspruch „die syrer müsse man zum jagen tragen“ bezeichnet hat). Aber das thema war eben, was ich an deutschland mag und das ist so was.

Mich muss man nicht zum jagen tragen. Ich fahre freiwillig für ein paar tage in den osten des landes und bin erst nächste woche wieder zurück. Daher kündige ich schon mal eine reise-berichterstattung für nächste woche (aber eben auch eine einwöchige pause) an, denn ich weiß nicht, unter welchen bedingungen und ob ich dort überhaupt ins internet komme.