Dienstag, 22. Juni 2010

ordnungsgemäße fehlauskünfte und fremde vergnügungs-planeten

Das Hotel in latakia hatte zwar mehr komfort als die kellerzellen der zuvor besichtigten burgen (wenn auch nur unwesentlich), war aber ganz und gar nicht der burner. Latakia überhaupt hat ein problem mit hotels. Es gibt glaube ich keine guten und bezahlbaren. Die meisten menschen hier mieten diese „chalet“ genannten ferienwohnungen in der touristenzone im norden der stadt, was uns jedoch für die kurze zeit zu aufwändig erschien, da man nicht nur einen kontrakt schließen muss, sondern auch dinge wie bettwäsche und handtücher selbst mitzubringen hat und keinerlei frühstück erhält. So hatten wir ein „suite“ genanntes, unpraktisch geschnittenes zimmer, in das vom dach der wassertank tropfte und in dessen mikroskopisch kleinem bad (ohne duschgelegenheit) die klospülung nicht funktionierte. Dafür drang permanent zigarettenqualm von nebenan und der odeur der abluft des fischrestaurants von unterhalb ein. Wer so ein zimmer „suite“ nennt, dem ist entweder ein übersetzungsfehler unterlaufen (und er wollte es abstellkammer taufen) oder er hat schlicht einen knall. Immerhin war es direkt gegenüber der hafenanlagen gelegen und hatte einen schönen blick aufs wasser und die an der hafenpromenade flanierende homosexuellen-gemeinde der stadt. Dort gab es dann abends noch gelegenheit etwas arabisch zu praktizieren (die sprache meine ich! – das ist keine bisher unbekannte spielart wie französisch oder griechisch, nein!).

Der letzte tag unseres trips stand dann ganz im zeichen der Autofahrt. Das war zwar nicht so geplant, hat sich aber so ergeben. Eines unserer ziele, die qala marqab (ebenfalls eine kreuzritterburg – ja, eine perverse tour!) lag an einer kleinen straße, die angeblich weiter zu einem unserer nächsten ziele führen sollte, das aber nicht tat. Wir haben auf jeden fall den weg nicht gefunden und sind nach mehreren stunden fahrt im prinzip dort wieder herausgekommen, wo wir am morgen losgefahren sind. Das lag natürlich auch daran, dass einem ein syrer auf die frage nach dem weg nicht ordnungsgemäß mit „da habe ich keine ahnung“ antworten kann, sondern einen aus purer freundlichkeit in irgendeine richtung schickt. Der nächte den man fragt, schickt einen dann wieder zurück, der dritte in eine neue richtung und so weiter. Jede wegbeschreibung wird mit so genauen details ausgeschmückt, dass man den eindruck gewinnt, derjenige wisse wovon er spricht und kenne den weg. Aber weit gefehlt! Kurz bevor wir uns aus verzweiflung von einer der zahlreichen burgen in den tod stürzen wollten, finden wir dann doch noch ein gutes restaurant (in safita) und danach auch den weg zur autobahn. Auf einer autobahnraststätte an der wir unsere von den strapazen der fahrt ermüdeten leiber laben wollen, geraten wir mitten in den trubel eines lunaparks. Eine autobahnraststätte als vergnügungspark! Schiffsschaukel mit gesang und animation, autoscooter (wo man schon mal vorwegnehmen kann, wie rasant man gleich fahren wird) und tretboot-teich. Erstaunt und müde steht man im trubel und fragt sich, ob man sich eventuell im planeten geirrt hat.

maschinenpistolte verkehrspolizisten und erfolglose kreuzzügler

Unsere nächste station ist hama. Durch den schnellen und im vergleich zu damaskus deutlich aggressiveren verkehr der stadt. Die ampeln hier sind alle mit rückwärts zählenden sekundenanzeigen ausgestattet, die in die lichter integriert sind, so weiß man immer, dass man sich zu beeilen hat. Überhaupt scheint mir, dass man in damaskus am gelassensten fährt. Dort ist der verkehr zwar sehr unorganisiert und chaotisch aber nicht schnell, nicht hektisch und gar nicht aggressiv. An einem kreisel wird der verkehr von verkehrspolizisten geregelt, die statt ihres stocks (den verkehrspolizisten sozusagen als verlängerung ihrer arme und ihrer autorität immer haben) mit lässig umgehängten maschinengewehren den verkehr regeln. Ein eher gewöhnungsbedürftiger anblick und ich frage mich, ob die ursache im verkehr selbst liegt (eben der hang der hamaser – oder hamalesen? – zum aggressiven fahren) oder ob es politische gründe gibt. Die frage konnte nicht abschließend gekärt werden. Immerhin beruhigen auf der autobahn (oder eben dem, was hier als solches deklariert wird) alle 500 meter umbiegespuren, die mit „zurück nach damaskus“ und einem scharfen links-pfeil beschildert sind. Alle 500 meter! Als ob man gewarnt werden soll weiter zu fahren.

Dann folgt das ende der ausbaustrecke. Immerhin ist die autobahn schon im bau und nach wenigen kilometern kann man an einer stelle durch die aufgebrochene betonsperre auch irgendwie wieder auf diese fahren. Allerdings sind weder schilder, noch markierungen und schon gar keine zeichen, wer wo in welche richtung zu fahren hat angebracht und so ist noch nicht ganz klar, ob sich der rechtsverkehr auch hier durchsetzen wird. Zur zeit waren auf beiden seiten der autobahn fahrzeuge in beide richtungen unterwegs, wobei manche einem links, andere rechts entgegenkamen. Ebla selbst ist – nunja, wie soll man es sagen? – wieder eine dieser ausgrabungsstellen. Immerhin lag es wohl an einem alten handelsweg, war groß, bedeutend und all sowas. Trotzdem hätte ich gerne ne cola oder zumindes einen kaffee getrunken. Aber: fehlanzeige! Auch hier nur steine, sand und staub! Nach einer wohlverdienten pause und weiteren dreieinhalb stunden fahrt errechen wir die kreuzritterburg qala salahadin, die riesig ist und inmitten bewaldeter schluchten auf einem berge liegt. Eine vollkommen absurde gegend! Ich meine dass man schon bei der auswahl dieser orte hätte sehen können, dass die kreuzzüge keine erfolgsgeschichte werden. Mitten im nichts liegt dieser mühsam erbaute koloss aus riesigen steinen. Und die verließe ohne jeden komfort! Immerhin diente die burg (nachdem die kreuzritter die erfolglosigkeit ihres unterfangens eingesehen hatten und wieder abgezogen waren) noch weiteren bewohnern als stätte ihres wirkens. Erst den arabern beim kampf gegen die osmanen, dann den syrern beim kampf gegen die französische mandatsmacht. So hat sich der bau wohl inzwischen amortisiert.

staubige, alte steine, stasi-stadtbilderklärer und waschmittelmessens

Am morgen fahren wir zur autovermietung, wo wir – wie letztes mal – sehr unkompliziert unseren vorbestellten wagen erhalten. Dabei ist er diesmal nicht ganz so gut in schuss, was mir allerdings besser gefällt, da man im straßenverkehr hier ja gerne mal auf tuchfühlung geht. Manchmal steigen die menschen nichtmal aus, wenn es einen kleinen auffahrunfall gegeben hat um zu sehen, ob etwas kaputt ist, solange der motor noch arbeitet und alle räder dran sind, geht es weiter durch den munteren verkehr. Da kann ein wagen, der schon die ein oder andere schramme aufweist nur von vorteil sein. Unsere erste station ist qadna, eine alte stadt, die vor vielen tausend jahren wohl mal so was wie eine blüte erlebt haben muss, nun aber unter einem haufen sand etwas nord-östlich von homs begraben liegt und gerade ausgegraben wird. Einerseits ein erstaunlicher ort und beeindruckend, dass dort und wie dort menschen gelebt haben. Andererseits ist es so wie mit ausgrabungsorten immer: viel staub, sand, alte steine und da hier so wenig touristen unterwegs sind und es sich nicht zu lohnen scheint, nichtmal ein cafe, in dem man den sand aus der staubigen kehle spülen könnte.

Beeindruckend, wie gut überwacht alles ist. schon auf der straße werden wir von freundlichen, uniformierten herren ausgefragt, woher wir kommen, wer wir seien und wohin wir wollten. In qadna selbst dann sofort von einem motorradfahrenden geheimpolizisten, der sich schlecht als führer tarnt (nicht der führer, nein! Stadtbilderklärer meine ich) beschattet und ausgefragt. Die datensammelwut macht nichtmal vor der handynummer der mitarbeiterin des büros in dem wir unseren wagen gemietet haben halt. Unnötig zu erwähnen, dass zuvor noch in etwa hundert andere daten erhoben werden (incl. Nummernschild, mietwagenfirma, fabrikat und baureihe unseres wagens – eines nissan sunnys – unserer passnummer, handynummern, zimmernummern im hotel, hoteltelefonnummern, unserer handynummern und so weiter). Danach haben wir uns noch eine in der landschaft stehende araberburg angesehen (ja, nicht nur die kreuzritter haben hier burgen gebaut, aber man muss schon sagen, dass die kreuzritterburgen bei weitem beeindruckender sind) und sind nach hama weitergefahren. Hama ist bekannt wegen der wasserräder, welche wasser mit schaufelrädern auf ein höheres niveau heben. Damit haben die menschen hier schon vor urzeiten (als sich in europa alle gerade noch mit keulen die schädel plattgeschlagen haben) nicht nur ein höheres wasserniveau, sondern eben auch ein höheres zivilisatorisches niveau erreicht. Schöne bauten, brunnen und hamams zeugen davon.

Allerdings machen diese wasserräder einen schrecklichen lärm. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass sich drehende räder einen solchen verursachen, aber es hört sich an, als ob in nachbars garten permanent mit einer motorsäge gearbeitet würde. Und das tag und nacht. Was die menschen nicht alles ertragen! Allerdings eben nur dann, wenn gerade wasser in der stadt ist, was eben jetzt der fall ist. ich war schon mehrmals zuvor in der stadt und immer war dort, wo jetzt wasser ist und eben auch die sich drehenden räder sind, nur eine unerträglich stinkende und modernde kloake. Da war nix mit drehen, kein lärm aber dann eben auch keine luft, die man hätte atmen können. Hama (nicht nur wegen der wasserräder bekannt, sondern auch wegen der moslembrüder, die hier in den 80er-jahren stark waren und gegen die der vater des jetzigen präsidenten mit aller gewalt vorgegangen ist) ist eine wirklich schöne stadt. Zumal, wenn dort gerade das frühlingsfestival und eine blumenausstellung stattfinden. Überall fleuriert es, man singt, tanzt und spektakelt so vor sich hin. Bis spät in die nacht treten sängerinnen und sänger auf und führen zu partystimmung allerorten. Besonders beeindruckend fand ich einen markt, der sich anscheinend ganz dem thema waschmittel gewidmet hatte (wohl so eine art konsumentenmesse). An die einhundert marktstände, die alle nichts anderes als reinigungs- und waschmittel feilboten. Allerdings in den unterschiedlichesten varianten und verschiedenster fabrikate. Ja reinigungsmittel scheinen ein schier endloses thema zu sein, und geradezu eine obzession der syrer.

komplizierter käsetransport, altertümer und ungute autovermietungen

Als wir in neulich el-hasakeh waren, kam Rafik auf die idee, von dort käse mitzubringen. Der sei gut und lecker. Das hätte man einfach machen können. Dazu wäre man in einem laden gegangen, hätte 5 oder 7 kilo käse gekauft, den verpackt und mitgenommen. (zuvor hatte Rafik noch die beförderungsbedingungen auf der rückseite des fahrscheines studiert, denn dort stand erstaunlicherweise, dass weder waffen, noch sprengstoff oder drogen mitgenommen werden dürften, aber von käse war dort nichts zu lesen.) dann machte der hotel-rezeptionist das angebot, er könne den käse auch etwas billiger besorgen und ihn nach damaskus schicken (mit dem busunternehmen, die transportieren auch sachen – aber eben keine waffen und so’n zeug). Meine mehrfach und deutlich vorgebrachten bedenken, dass das beim kauf gesparte geld (in etwa 400 oder 500 lira) dann sicher für transport wieder drauf ginge und evtl. noch mal durchgerechnet werden müsse, ob sich dieses verfahren nun wirklich lohne, wurden in den wind geblasen.

Vorgestern nun also hatte der käse damaskus aber damit noch lange nicht sein ziel erreicht. Zuerst ging Rafik zur abholung in das innenstadt-büro der transportgesellschaft. Es wäre zu schön gewesen, den käse dort in empfang nehmen zu können. Dort aber teilte man ihm mit, er müsse nach harasta (200 lira taxifahrt – eine strecke) ins express-büro fahren, was er auch sogleich tat. Dort angekommen, stellte sich heraus, dass der transport so teuer war (500 lira), dass Rafik nicht genug geld dabei hatte, um den käse auszulösen und gleichzeitig den transport zu bezahlen. So führ er unverrichteter dinge wieder nach hause um geld zu holen und dann abermals nach harasta. Leider macht das express-büro aber um halb acht zu. So stand er vor verschlossenen türen und musste nun ein zweites mal unverrichteter dinge die heimreise antreten (inzwischen 800 lira taxikosten). Heute morgen nun also machte er sich ein weiteres mal auf den weg, nun mit ausreichend bargeld ausgestattet und zu den üblichen öffnungszeiten. Alles schien auf eine erfolgreiche mission hinzudeuten, aber dann entstand eine weitere unvorhergesehene komplikation: auf dem lieferschein war ein buchstabe seines nachnamens falsch. Statt eines t, war dort ein k geschrieben worden. Die mitarbeiterin des transportbüros wollte nicht gelten lassen, dass alle anderen daten (namen, adressen, telefonnummern) richtig waren und maged musste auf den leiter der abteilung (der gerade in einer wichtigen sitzung und daher nicht zu sprechen war) warten, um diesen oberverantwortlichen höchst persönlich davon zu überzeugen, dass die – inzwischen ja wertvoll gewordene – fracht wirklich für ihn bestimmt war. Nach zwei stunden wartezeit konnte er seinen käse dann endlich in empfang nehmen. Wenn ich böse sein wollte, dann könnte ich sagen: eine schöne lektion in arabischem denken! Rafik ist noch immer davon überzeugt, ein schnäppchen gemacht zu haben.

Nach dem frühstück gehen wir zu budged und reservieren ganz unkompliziert einen wagen ab morgen für drei tage. Ich ziehe eine solide autovermietung vor, denn Ali berichtet mir von dem desaster mit seiner autovermietung, bzw. mit dem gemieteten wagen. An ersten morgen war grundlos die batterie alle. So konnte der wagen nur mit mühe gestartet werden. Da seine eltern in der pampa wohnen, ist es auch ein hochkomplizierter vorgang einen wagen des nachbarn als starthilfe zu organisieren, denn erstens gibt es kaum nachbarn und zweitens haben die alle keine wagen. Dann ist – zum glück bei langsamem tempo – ein reifen geplatzt. Reifenwechsel war die zweite freude die der wagen bereitet hat. Zu guter letzt wurden sie von der polizei angehalten, da die nummernschilder nicht zu lesen waren (durch die sonne verblichen? Durch übermäßiges schrubben? Schlechte farbe? Was auch immer!) und sie daher eine strafe zahlen sollten. Da das ja aber der wagen der mietwagenfirma ist, hatte ali das gar nicht eingesehen, dass er dafür verantwortlich gemacht werden sollte. Die firma allerdings eben auch nicht (absurdistan!). es hat wohl viele nerven und einen tag besuche bei polizeistationen und im büro der mietwagenfirma gekostet das alles zu klären. Zudem erstaunten mich die konditionen: da es hier ja keine kreditkarten gibt, deren blanco-formular als sicherheit für die 500 dollar kaution herhalten könnte, wird als sicherheit ein blanco unterschriebener und mit fingerabdruck versehener zettel genommen. Auf diesen könnte ja aber alles (auch das vorhaben lebenslang eine rente zu zahlen, das geständnis einer straftat oder die beichte, die tochter des firmenbesitzers geschwängert zu haben und nun alimente zahlen zu wollen) geschrieben werden, was man dann schon unterschrieben hätte. Komisch! und drei scheckvordrucke über je 100.000 syrische lira, was zusammen fast 5000 euro ausmachen würde als zusätzloche sicherheit. Da ist doch dem missbrauch tür und tor geöffnet. So kann einen ein angemieteter wagen ruinieren!

Wir haben daher also eine solide vermietung gewählt. Unser verwegener plan ist, nach hama, homs, ebla und lattakia zu fahren. Dort vor allem altertümer anzusehen. Das sind diese alten von den römern oder anderen stehengelassenen steinhaufen, die hier überall rumstehen. Ein paar tage sind da aber auch genug, sonst kann man mich in eine anstalt einliefern.

4-eckige tassen, luftige cafes und touristengerechte umstrukturierungs

Lese nach dem arabischkurs (ich bin heute richtig gut) in der syria forward, dass die altstadt von damaskus nun schon für den verkehr (außer anwohner und lieferanten) gesperrt ist. man habe 70 elektro-taxis (!) und mehrere elektro-bahnen (!!!) eingerichtet, mit denen man sich bequem bewegen könne. Ich muss da dann wohl doch mal wieder hin. Wenn man hier lebt, geht man ja nicht so oft in die altstadt, nur wenn besucher aus deutschand zugegen sind, um ein touristenprogramm zu absolvieren. Deprimierend ist die begründung dieser ganzen umstrukturierung: man wolle den touristen mehr raum und mehr ruhe und möglichkeiten geben, die altstadt zu entdecken, sie solle überhaupt touristisch weiter erschlossen werden und man habe den plan, sie analog zu den innenstädten europäischer länder schick, ordentlich, glatt und sauber zu gestalten. Rafik meint ganz trocken, er fände das alles scheiße, die stadt solle so bleiben wie sie ist. und ich befürchte auch, dass diese entwicklung der stadt den letzten charme nehmen wird und die einzigartigkeit, mit der sie sich bis heute von anderen (auch arabischen städten) unterscheidet. Schade, dass dieser globale umstrukturierungsdruck ganz offenbar vor nichts haltmacht.

Gehe dann mit Rafik noch das neue handy kaufen und seine nummer wieder reaktivieren. Bei syriatel ist eine warteschlange, die einem ostdeutschen arbeitsamt alle ehre machen würde. Wir haben nummer 138, es leuchtet die 26. Daher gehen wir erst das handy kaufen, dann die dazugehörige nummer wieder aktivieren. Unklare angaben gibt es dazu, inwieweit syriatel in der lage ist, die telefonbucheinträge, die auf der sim-karte gespeichert waren, wieder zu rekonstruieren. Freunde hatten berichtet, dass es für ungefähr 4 euro extra, möglich sei, dies zu tun. Ich überlege kurz, was das hieße: syriatel hätte all meine nummern und vor allem die entsprechenden dazugehörigen namen (mehr noch: meine persönlichen bemerkungen, notizen und alle zusätzlichen manchmal mit dem namen abgelegten informationen). Zum glück behauptet die freundliche angestellte, dass dies leider nicht möglich sei. Ich bin mir nicht sicher, ob mich das wirklich beruhigen soll, denn freunde haben glaubhaft berichtet, sie hätten all ihre nummern nach einem telefonverlust ohne probleme von syriatel zurückbekommen.

Gehen dann im beit zaman einen kaffee trinken. Dort hat man die ursprünglich sehr stilvollen alten tassen gegen neue designerwahre ausgetauscht. Nicht alles neue ist besser als alles alte – hier irrte brecht! Die neuen tassen sind nämlich viereckig. Und eine viereckige tasse hat es an sich, dass es schwierig ist, aus ihr zu trinken, da einem neben dem mund links und rechts auf breiter bahn der kaffee aus der tasse läuft, wenn man sie an den mund führt und zum trinken neigt. Man wünscht sich eher eine schnabeltasse. Eine viereckige tasse ist nur etwas für breitmaulfrösche und es will sich mir nicht erschließen, warum ein designer so etwas überhaupt entwickelt und warum dann ein cafehausbesitzer kein probetrinken veranstaltet, bevor er sein cafe mit diesen tassen ausstattet.

Eine andere entwicklung im gastronomischen bereich betrifft das rauchverbot. Dieses als durchschlagenden erfolg zu bezeichnen verbietet der anstand. Nach einem oder zwei tagen an denen man wirklich einen unterschied wahrnehmen konnte, muss man nun nüchtern konstatieren, dass der alte zustand wieder herbeigeführt wurde. Alle rauchen überall. Das erstaunt, wo man doch denkt, in einer diktatur sagt der diktator, was sache ist und alle müssen es machen. Aber weit gefehlt! Das einzige, was sich geändert hat ist, dass in vielen cafes (casablanca, havanna und al kamal lagen heute auf unserem weg) die glausscheiben aus dem fenstern entfernt wurden. Nicht nur am tag sondern komplett und für immer aus den rahmen! Die läden mit teils beeindruckenden fensterfronten sind nun komplett entglast. Das führt zu frischer luft im inneren aber im winter eben auch zu kälte und dazu, dass ein solcher laden im prinzip ja nie schließen kann, da er nie zu verschließen ist. ob sich damit das strenge auge des gesetzes erweichen lässt, wage ich nicht zu sagen, denn das gesetz sprach ursprünglich nicht von frischer luft durch geöffnete fenster, sondern von rauchfreien cafes dort, wo ein dach drüber ist und das wurde (noch) nicht weggerissen.

demonstrationen gegens rauchen und pflaster mit sekundenkleber

Gestern vollauf beschäftigt mit internetcafe (in deutschland ist meine existenz offenbar der vergessenheit anheimgefallen – wenn man die antwort-quote auf meine emails als indiz nimmt), unterricht (vier stunden!) und anschließendem hamambesuch (zu voll und zu nervig). Als ich nach hause komme, ist zwar gekocht (mein zweites leibgericht: huhn mit kartoffeln und koriander) und die kaputte fensterscheibe ist auch repariert (sogar mit fensterkitt und für insgesamt nur vier euro – dafür würde bei uns ein glaser gerade mal einen blick auf die zerborstene fensterscheibe werfen) aber von rafik fehlt jede spur. Das ist merkwürdig, denn seine schuhe, sein oberteil und seine tüte sind noch da. Telefonisch ist er nicht zu erreichen. Spät erst kommt er nach hause. Vollkommen derangiert. Er habe sein telefon verloren und als er das hier bei mir bemerkte, sei er hals über kopf (eben in unterhemd und mit hausschuhen) auf die straße gestürmt und habe alle stationen des heutigen tages (mit ausnahme der mikrobusse die er benutzt hatte) wieder abgesucht, aber sein telefon war unauffindbar. Das ärgerlichste bei so was ist immer der verlust der nummern. Er bekommt innerhalb von 24 stunden von syriatel seine alte nummer wieder, aber sein telefonbuch ist verloren. Sein gerät kann man ersetzen (sogar ein besseres kaufen das auch musik spielt, wie er es gerne hätte) aber die nummern: man ist davon abhängig, dass die leute einen anrufen um sie wiederzukriegen.

Ich merke, dass meine malade schulter nicht wirklich besser wird. Das pflaster brennt zwar oberflächlich furchtbar, scheint aber in den betroffenen sehnen keinerlei wirkung zu entfalten. Dafür ist meine haut inzwischen rot und löst sich ab. Das pflaster ist zudem mit einem so starken klebstoff (vermutlich sekundenkleber) versehen, dass es sich sowieso nicht mehr rückstandsfrei von meinem geschundenen körper entfernen lässt. Gestern im hamam wurde ich von jedem auf das pflaster angesprochen. Man vermutete darunter eine neue tätowierung (!). wie gern hätte ich den mich begleitenden schmerz gegen eine solche eingetauscht und wie banal war es dann doch immer antworten zu müssen, dass es sich lediglich um ein schmerzstillendes (aber eben seinem namen keine ehre machendes) pflaster handelt. Ich habe es dann (nachdem ich von ca. 10 leuten darauf angesprochen wurde und vermeiden wollte, auch noch weitere 20 male diese ernüchternde antwort geben zu müssen) entfernt, bzw. versuche diesbezüglich unternommen, die eben als mäßig missglückt gelten müssen. Ich muss mir aus deutschland ein anständiges abc-pflaster mitbringen lassen.

Dann treffe ich mich mit meinem tandempartner. Wir übersetzen diese schönen transparente, die überall hängen und sehr akkurat handgemalte parolen zu bieten haben. Vermutlich sitzen da ganze kollektive von werktätigen wochenlang und malen (anstatt sich ihrer arbeit zu widmen) transparente, auf denen sie ihre unverbrüchliche treue mit dem präsidenten (oder wem auch immer) bekunden.

Eines dieser transparente ruft zu einer demonstration gegen das rauchen auf. Das ist ein geschickter schachzug, denn das nun seit einigen wochen geltende absolute rauchverbot hat nicht nur freunde (um es mal vorsichtig auszudrücken). Das verbot wurde anscheinend nicht von einer entsprechenden kampagne flankiert, die über gesundheitliche schäden des rauchens aufklärt. Die meisten raucher (und rauchen tun wie gesagt fast alle) wissen vermutlich gar nicht, dass das rauchen gesundheitsschädlich sein kann. Demensprechend verständnislos stehen sie dem verbot gegenüber. mein taxifahrer gestern zum beispiel meinte, der stau im abendverkehr sei nun wegen des rauchverbots viel schlimmer geworden. Überhaupt sei das ganze leben wegen des rauchverbots nun nicht mehr lebenswert. Und tatsächlich lassen sich erste subversive bestrebungen gegen das verbot erkennen. Während in den ersten tagen die aschenbecher weggeräumt waren und die cafes leer blieben, stehen heute zum beispiel im cafe havanna wieder aschenbecher auf den tischen und die anwesenden gäste rauchen wie zuvor. Eine demonstration, bei der die werktätigen massen (zumindest alle beamten und behördenmitarbeiter) ihre unterstützung dem neuen rauchfreien regierungskurs gegenüber beteuern, kommt da gerade zur rechten zeit. Ich finde die idee einer demonstration gegens rauchen so phantastisch, dass ich überlege noch gleich weitere demonstrationen vorzuschlagen. Warum nicht eine demonstration gegen fußpilz?

florale polizei-motorräder und temporale absichtserklärungen

Wettertechnisch ist es zwar inzwischen sehr heiß (38 grad), aber so stürmisch, dass mein fenster im salon dem wind nicht hat standhalten können. Es ist aufgesprungen und mit einer solchen wucht gegen den fensterrahmen geprallt, dass die scheibe zersprungen ist und sich in tausenden glassplittern im raume verteilt hat. nun muss ich mich also um einen glaser kümmern und bis dato in einem gut gelüfteten wohnzimmer ausharren. Zum glück hatte sich meine vormittägliche putzwut nur auf küche, flur und schlafgemach konzentriert, so dass ich den wohnraum morgen reinigen kann und nun wohl auch muss. Apropos muss: das syrische kennt (in der umgangssprache) anscheinend die guten modalverben (können, müssen, sollen, dürfen, wollen) kaum, bzw nur eingeschränkt, wie ich heute beim unterricht feststellen musste. Müssen und sollen sind eins. Wollen und mögen auch.

Andere sprachliche besonderheiten ergeben sich eher aus der blumigkeit der rede, denn aus dem mangel an wörtern. Das in einem fort geäußerte „i miss you“, das, wenn man es ernst nehmen würde ja recht bedeutungsschwer ist, sollte man nicht ernst nehmen. „Mischtalak“ – ich vermisse dich, wird hier bei allen gelegenheiten von sich gegeben. Spätestens, als ein entfernter bekannter meinem arabischlehrer, den er nur einmal zuvor in meiner wohnung gesehen hatte, zufällig wieder begegnete und ihm dabei „ich vermisse dich“ sagte, hatte ich begriffen, dass es sich um eine nette art des „hallo“-sagens handeln muss. Ebenso wie die frage „brauchst du etwas?“ – „biddak schi?“ wenn man auseinandergeht. Würde man dann noch äußern wollen, was man alles so brauche, käme man ja gar nicht weg. Aber bis ich mich an so was gewöhne, dauert es immer etwas. Man fühlt sich ja wirklich gemeint, bzw. angesprochen und ahnt erst gar nicht, dass es sich gleichsam nur um standardisierte sequenzen einer kulturell bedingten rede handelt.

Im syria forward magazin wird nicht nur über die neue hotline gegen häusliche gewalt berichtet (immerhin wird das thema hier jetzt offenbar angegangen), sondern auch über die planung, die damaszener altstadt zu einer fußgängerzone zu machen. Ja, wahrhaft revolutionäre entwicklungen! Treffe mich dann mit Ian im park. Er ist – anders als die meisten syrer – ja immer auf die minute pünktlich. Rafik hingegen, der sein erscheinen für vier uhr projektiert hatte, meldet sich gegen acht. Zeitangaben und termine sind – wie ich bei roes auch schon mal gelesen habe – hier eher absichtserklärungen denn maß. Wenn man sagt, man sei in fünf minuten da, heißt das nur, man wäre gerne in fünf minuten da, ungeachtet dessen, dass man sich noch ca. eine dreiviertelstunde wegstrecke entfernt befindet. immerhin gehe ich mit ihm dann noch einen tee trinken und dann suchen wir spät am abend noch eine die nacht-apotheke in fahami auf, um für meine immer noch schmerzende schulter pflaster zu kaufen, das eine hitzewirkung entfalten soll. Während ich dies hier schreibe, habe ich gerade eine wie feuer glühende schulter. Die schmerzen sind aber eher stärker als schwächer. Nun, inscha’allah wird die nachtruhe es richten. Der apothekenbesuch war allerdings sein weniges geld wert. Es wurden vor ort kleinere operationen und injektionen vorgenommen. In einem fort wurden kindern und erwachsenen dinge gespritzt, wozu man bei uns sicher einen arzt aufsuchen müsste. Praktisch!

Schön war heute auch der blumenschmuck auf zahlreichen polizei-motorrädern. Auf ihnen war (neben einer syrischen fahne) jeweils ein großes blumengesteck angebracht, so dass sie mehr wie blumenständer als wie fahrzeuge aussahen. Angeblich war der grund, dass heute der jahrestag der inauguration des präsidenten in sein amt war – oder etwas anderes wichtiges. Ein schöner anlass! Angela merkel sollte sich überlegen, den jahrestag ihrer machtergreifung ebenfalls gebührend feiern zu lassen!

Dienstag, 1. Juni 2010

dreipunktbuchstaben, tuntenfilme und reden über günstlingswirtschaft

Nach dem frühstück im hotel treten wir unsere rückfahrt an. Nach dem kauf des tickets müssen wir uns am busbahnhof bei der geheimpolizei abmelden (jeder ausländer muss das tun, es dient angeblich dem schutze der im land reisenden touristen, normalerweise reicht aber die meldung bei einer polizeidienststelle am bahnhof oder busbahnhof). Hier müssen wir zu zwei unterschiedlichen polizeidienststellen, deren augenfälligstes unterscheidungsmerkmal es ist, dass die einen uniformen tragen und die anderen in zivil gekleidet sind. Vornehmstes möbelstück in den büros beider ordnungshüter ist jeweils ein durchgelegenes bett. Ob dies nun den langen dienstzeiten oder der insbesondere polizeibeamte schnell überkommenden müdigkeit (oder beidem) geschuldet ist, vermag ich nicht zu sagen. ich komme auch gar nicht dazu, mir darüber gedanken zu machen, denn der in zivil gekleidete herr, der meinen pass nun schon seite für seite mehrmals durchgeblättert hat, dabei aber bisher weder meine nationalität, noch meinen namen hat feststellen können, bombardiert mich mit stakatoartig vorgetragenen fragen. Wie ich heiße, woher ich komme, wo ich geschlafen habe, wohin ich wolle, was mein beruf sei, woher ich komme, wo ich genächtigt habe, wohin ich nun reise und wo ich dort sei, was meine tätigkeit und was mein name sei und so weiter (die fragen glichen sich und alle aspekte dieses wenig ergiebigen sujets wurden mindestens viermal gestellt). Ich schien ihm ein hochverdächtiges subjekt zu sein! Nachdem ich ihm mein visum und den einreisestempel (beides hatte er immer noch nicht im pass ausfindig machen können) gezeigt hatte, lies er mich widerwillig passieren.

Danach hob rafik zu einer ausschweifenden rede über korruption und günstlingswirtschaft an, die damit begann, festzustellen, dass es sich bei diesem geheimpolizisten um eine für seinen beruf ungeeignete person handele, da er nicht einmal in der lage sei, einen pass richtigrum zu halten. Noch dazu seien alle seine fragen obsolet, denn wir hatten gleiches schon im hotel angeben müssen und auch beim kauf des tickets schon hinterlegt. Solche menschen aber kämen auf ihre posten, weil sie jemanden aus ihrem dorf in der partei an entscheidender stelle oder in behörden hätten, oder weil sie sich die posten erkauften. So kämen eben nicht die besten, sondern die korruptesten und dümmsten in die entscheidensten stellen und andere (wie sein sohn, der sein studium in archäologie mit dem besten ergebnis des ganzen jahrgangs absolviert hatte) säßen ohne job da. Ja, die leistungsgesellschaft hat sich hier nicht durchgesetzt. Es handelt sich vermutlich um eine arabo-aristokratische semirepublikanische oligarchie oder so was.

Dann fielen mir kurz vor der abreise noch die vielen dreipunktbuchstaben auf. Das kurdische (das in der türkei im prinzip mit lateinischen, hier aber mit arabischen buchstaben geschrieben wird) kennt ja auch gegenüber dem türkischen buchstaben, die als besondere kurdische buchstaben gelten (das x und das w zum beispiel). Hier nun gibt es das ف (f) mit drei punkten oben, das dann das w sein soll (zum beispiel für den namen hawal) und das ج (jim) ebenfalls mit drei punkten (nun aber unten), das dann einem dschim-laut entspricht, den man durch das arabische alphabet nicht darstellen kann, den das kurdische aber braucht (im namen jivan zum beispiel). Ich kannte aus tunesien ja schon das ق (qaf) mit drei punkten oben – für ein g, welches es sonst nicht gibt. Ja so kann man mit punkten oben und unten viele neue buchstaben erschaffen, ols ob das arabische nicht schon genug hätte, anstatt sich zum beispiel um den jugenschutz zu bemühen. Mit dem liegt es nämlich im argen. Im bus wurden (obschon es zahlreiche kinder gab) härteste action- und brutalo-thriller gezeigt. So viel mord und totschlag brutalster art, dass ich mich angewiedert abgewendet habe. Die kleinen kinder aber wie unter schock und paralysiert glotzten die ganze zeit auf die monitore. Vielleicht ist auch das das geheimnis der artigen kinder: die stehen alle unter schock.

Im bus wurde noch ein weiterer (diesmal ägyptischer) film gezeigt, was auch nix gutes verspricht. Es handelte sich um einen dieser hier sehr beliebten tunten-komödien. Mühsam als frauen zurechtgemachte männliche schauspieler geben eine scharade, bei der mit abgeschmacktesten rollenklischees bis zum erbrechen versucht wird, komische situationen auszuschlachten (hach! Und immer wieder lustisch!). Aber dem publikum hier gefällt es. Schon gestern abend im hotelfoyer wurde mit großer begeisterung einer dieser filme gesehen. Man kann sich den homosexuellen hier eben nur als verkappte tunte vorstellen. Und gleichzeitig stehen so viele männer hier auf tunten, dass einem schwindelig wird. Vermutlich weil sie mit ihnen gleichgeschlechtliche sexualität ausleben können, ohne angst haben zu müssen, dass sie von ihrer als männlich empfundenen penetrierer-rolle abweichen müssten. Die rollenverteilung scheint (zumindest nach außen) klar. Gleichzeitig berichten viele tunten, dass sie, wenn die tür erstmal ins schloss gefallen ist, die herren der schöpfung auf dem bauch wiederfänden. Natürlich! Sonst könnten sie’s ja auch mit ihren frauen treiben. Aber das ist eben nicht, was sie (in der spezifischen situation) eigentlich suchen. Überhaupt – aber das steht auf einem anderen blatt – scheint sexualität hier angenehm wenig mit identität verknüpft zu sein. Ein mann kann auch mal mit einem mann (solange er aktiv bleibt, oder sich „nur“ einen blasen lässt), ohne sich die frage stellen zu müssen, ob er evtl. schwul sein könnte. Es ist angenehm, dass man hier anscheinend mit männern sex haben kann, ohne zu glauben, man müsse sich nun auch einen entsprechenden gay-lifestyle zulegen.

selbstbewusste kurdinnen und eine stadt ganz ohne toiletten

Ein freund rafiks warnt uns noch vor den menschen in el-hasakeh. Sie seien schlecht und durchtrieben, von liederlichen beweggründen geleitet und habsüchtig. Er müsse es schließlch wissen: seine frau sei aus dieser stadt. Dennoch verläuft unser besuch ohne größere komplikationen. Ahmad, den wir in seinem dorf, ca. eine microbusstunde von el-hasakeh entfernt besuchen, hat am busbahnhof der nächstgelegenen stadt el-darbassiyah einen freund mit wagen organisiert, der uns ins heimatliche dorf (eine ansammlung staubiger lehmhütten ohne wasseranschluss (der wasserwagen kommt alle paar tage und dann füllen die bewohner allemöglichen gefäße mit wasser wieder auf) und nur unregelmäßiger stromversorgung (während unseres besuches fließt er jedenfalls nicht). Seine eltern sind zu trauerfeierlichkeiten ausgeflogen, so trinken wir zusammen mit seinem cousin einen tee und plaudern. Die landschaft um die staubigen behausungen herum allerdings ist äußerst fruchtbar und grün. Es handelt sich hier um den arabischen halbmond, die gegend der welt, in der die menschen vor ca. 11000 jahren sesshaft geworden sind, also uralten kulturboden (in syrien al-jasira – die insel – genannt, da er zwischen euphrat und tigris quasi auf einer von zwei flüssen umschlossenen insel liegt). Die grabungsstätte des tell halaf, über das agatha christie so anschauliche berichtet, liegt nur wenige kilometer entfernt.

Dass die gegend nicht ganz arm ist, erkannt man auch an den gut ausgebauten straßen. Noch um deir-elzor herum wurden sie immer schmaler und schlechter. Hier sind sie manchmal wieder autobahnartig ausgebaut. Vielleicht fließen ja auch schon kurdisch-irakische ölmilliarden hierher. Wer weiß? Die kurdinnen jedenfalls, lassen sich den schneid nicht abkaufen, wie man so sagt. Sie treten ausgesprochen selbstbewusst auf und man kann sich kaum vorstellen, dass sie sich von ihren männern das bieten lassen würden, was sich manche araberin gefallen lassen muss (dass der mann nie zuhause ist, weil er sich lieber mit seinen freunden im teehaus herumtreibt ist dabei sicher noch einer der angenehmeren aspekte). Ich überlege kurz, ob das was damit zu tun haben kann, dass die kurdischen gebiete diejenigen sind, in denen ackerbau und viehzucht entstanden sind. Vielleicht hat diese wirtschaftsform die gleichberechtigung befördert, weil sie (wenngleich mit klarer arbeitsteilung) den frauen einen entscheidenden prozess in der wertschöpfungskette zugedacht hat. Es ist ja zumindest auch augenscheinlich, dass in den kurdischen organisationen, wie zum beispiel der pkk, frauen eine entscheidende rolle spielen und als gelichberechtigte kampfgefährtinnen anerkannt sind. Die durch das leben in der wüste geprägten nomadischen kulturen der araber sind was geschlechterspezifische arbeitsteilung angeht vielleicht ganz anders strukturiert (ich weiß aber nicht wie). Meine kulturantropologischen, bzw. ethnologischen überlegungen gestalten sich aber, ob der bedingungen unter denen ich sie anstelle, schweirig. Ich finde mich nämlich in einen microbus gefärcht auf dem rückweg nach el-hasakeh. Wo in damaskus in einem solchen bus 13 passagiere platz finden und schon so manchmal gedrängt sitzen müssen, haben sich hier 24 zahlende fahrgäste in den bus gestopft. Ich sitze also halb auf einem kleinen ca. dreizehnjährigen jungen, während rafik es sich auf mir bequem gemacht hat.

Dennoch finden meine umherschweifenden gedanken ein weiteres sujet: brave kinder im microbus. Gerade wo hier so viele zusammengefercht sind, fallen sie mir wieder auf. In deutschland wäre eine ansammlung von so vielen kindern der reinste terror! Erste zweifel über meine loblieder, brave kinder betreffend, aber mischen sich in meine gedanken. Kann es sein, dass eine moderne gesellschaft, die noch dazu so wenige kinder hat und die diese wenigen möglichst gut ausbilden will, ihnen damit also von klein auf an bildungsanreize verschaffen will, eben wegen der auf diese kinder wirkenden erziehungseinflüsse aber auch wegen der auf sie wirkenden geselschaftlichen einflüsse, so brave kinder nie hervorbringen kann? Eben weil diese braven und stillen kinder vielleicht auch so brav und still sind, weil sie eben keine anreize bekommen, weil ihnen eben keine fragen kommen, bzw. diese nicht beantwortet werden? Sie mögen brav und still sein, aber sie wären dann eben am ende ihres bildungs- bzw. sozialisationsprozesses auch nicht in der lage, in einer modernen, diversifizierten gesellschaft erfüllt zu leben. Eben weil die anforderungen an menschen bei uns andere sind (kreativität, flexibilität, und all der schmonz). Und weil eine sozialisation darauf gerichtet ist, die erwünschten resultate hervorzubringen. Um einen job bei der staatssicherheit zu machen, wo man am maiskolbenstand sitzt und abends dem informanten bericht erstattet, reicht das brav sein und ruhig dasitzen doch allemal.

Zurück in el-hasakeh fällt mir auf: El-hasakeh scheint eine stadt, ganz ohne toiletten zu sein. Dass sich in einer stadt mit inzwischen über hundertausend einwohnern keine öffentlichen toiletten befinden, mag man noch verzeihlich finden. Allerdings haben wir nicht ein restaurant, nicht ein cafe oder teehaus mit toilette gefunden. Die nachvollziehbare, doch für europäische ohren erstaunliche erklärung dafür war, dass die stadtverwaltung bei toiletten (offenbar anders als bei küchen!) auf eine ordnungsgemäße abluft achten würde. Diese zu installieren sei aber doch recht aufwändig, so dass man lieber ganz auf toiletten verzichte. Dem gast, der mal dringend muss, hilft diese erklärung allerdings nur in ansätzen weiter. Mir wurde glücklicherweise (mit der begründug, weil ich ausländer sei – positive diskriminierung?) zwei mal eintritt in die hinter den küchen, bzw. wirtschaftsräumen liegenden personaltoiletten gewährt. Die einblicke, die ich dabei gewinnen durfte, waren allerdings mehr als erschütternd. Vielleicht sollte die stadtverwaltung mal ein auge auf die hygienischen zutände in den küchen werfen, bevor sie sich um toilettenabluft kümmert.

chinesisches design, herumstehende taxis und rumkugeln ohne rum

Pünktlich um halb zehn fahren wir mit dem amal-bus chinesischer bauart in gemütlichen sitzen ab richtung el-hassakeh. Das innendesign des busses bereitet mir kopfschmerzen. Selten ein so missglücktes und verschrobenes design sehen müssen. Im bus läuft als film der mitschnitt eines regierungskritischen (!) politischen kabarets. Angenehmer kontrast zu den sonst laufenden unterirdischen ägyptischen klamaukfilmen oder den grässlichen amerikanischen schmonzetten, die gewöhnlich bei busreisen hier gezeigt werden und einem die laune verderben. Das logo des filmes (senders?) zeigt ein xp (den kurdischen buchstaben x!) in den farben kurdistans. Fast schon zu viel des oppositionellen. Allerdings kann man sich nicht auf den film konzentrieren, da man die ganze zeit damit befasst ist, sich den klimatischen schwankungen gemäß angemessen zu kleiden. Die temperaturen im innenraum des busses (ich vermute, dass sie außen recht stabil waren) schwankten zwischen 15 und 32 grad celsius. Das war für eine angemessene garderobe eine echte herausforderung.

Auf einer raststätte, werde ich von einem jugendlichen toilettenjungen gefragt: „Ajnabil m’alim?“, was so viel heißt, wie „bist du ausländer, meister?“. Die kombination aus diesen beiden worten ist schon seltsam, wenngleich mir das wort ajnabil hier häufiger und ganz offenbar nicht in abwertender weise, sondern häufig einfach als frage von kindern entgegengebracht wird. Bei der gleichen pause begegnet und ein junger mann, den ich schon aus dem hamam in damaskus kenne und der nun auf dem weg ist, seine familie zu besuchen. Wir plaudern etwas, tauschen nummern und so. Das hotel, welches wir problemlos finden ist zentral gelegen, angenehm, sauber und nicht zu teuer. Das publikum ist mäßig langweilig, was ja aber auch eine ruhige nacht ohne party verspricht. Ahmad, der uns hier eigentlich empfangen wollte, ist verhindert, da es einen spontanen trauerfall in seiner familie gegeben hat. Er wird und inscha’allah morgen die aufwartung machen.

El-hassakeh ist eine moderne stadt. Viele armenier, christen (angeblich neben den obligatorischen sekten diverser katholischer und orthodoxer gruppierungen sogar protestanten!) und viel modernes volk. Da es viele christen gibt, gibt es hier auch ein büro der christlichen großsyrischen partei, die mir im libanon schon ob ihres an ein hakenkreuz gemahnenden logos aufgefallen ist. hier war sie ja so lange verboten, bis sie von entscheidenden inhalten abgerückt ist (anerkennung der grenzen zum beispiel und aufgabe der idee eines groß-syrischen reiches). Sie kann wohl hier nun nicht mehr wirklich als fascho-partei gelten, wengleich das logo zumindest mich als deutschen arg daran erinnert. Es wäre auch fragwürdig, wenn ein ehedem sozialistisches land eine solche partei zulassen würde. Aber die partei scheint wohl eher konfessionell orientiert zu sein. Christen sind offenbar ihre bevorzugten parteigänger. Ansonsten fallen die vielen herumstehenden taxis auf. Es scheint ein überangebot an personenbeförderungsmitteln zu geben. Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass es zeiten gibt, wo alle taxis im einsatz sind. Als unser bus ankam, standen dort in etwa dreißig taxis, von denen lediglich zwei gebraucht wurden. Achtundzwanzig taxis standen danach immer noch dort, wer weiß wie lange? Im prinzip sieht man auch nur leere taxis herumfahren. Es kann ja sein, dass es immer noch erfolgversprechender ist, in einem taxi auf einen job zu warten, als an einer straßenecke herumzulungern. Aber es ist eben doch auch ungleich teurer, denn das motorisierte gefährt muss nicht nur angeschafft, sondern auch gewartet und betankt werden. So ganz allein für den chauffeur kann sich das unterfangen doch nicht lohnen.

Am abend erstehe ich noch eine art rumkugel ohne rum. Sie heißt, wie bei uns schoko-küsse nicht mehr heißen dürfen – sogar schlimmer: ras el abed. Abed ist dabei ein name: abdul: sklave. Sklave und „neger“ sind ganz offenbar im arabischen ein und das selbe wort! Der ras el abed ist ein negerkopf, oder eben ein sklavenkopf. Zu meinem erstaunen erfahre ich, dass es sklaverei in saudi-arabien (wohl als letztem arabischen land) noch bis zu einem gesetz des königs bis ca. 1960 (!) gegeben haben muss. Da müsste ich mich – sobald ich im rahmen zivilisatorischer strukturen wieder an einen internetanschluss komme – noch mal genauer informieren.

bestechungsgeld, streitschlichter und ein feldversuch zur co2-belastung

Der besuch bei der ausländerbehörde gestaltete sich gestern anders, als letztes mal (www.freitag.de/community/blogs/isam-almatlub/wie-ich-zu-einer-aufenthaltsberechtigung-kam). Im wesentlichen müssen wir die gleichen stationen besuchen, wie vor monaten schon mal (die für die erteilung meines aufenthaltes zuständige stelle, das büro im erdgeschoss, das foto-büro, wieder die besagte stelle, dann den chef der brigade, die staatssicherheit, den computer und so weiter). Allerdings gibt es bei unserem zweiten besuch der zuständigen stelle eine komplikation. Der diensthabende beamte (dunkelblaue schulterklappe, aber keine sterne auf selbiger) meint, der mietvertrag müsse auf meinen namen lauten (was uns ca. 500 euro höhere steuern kosten würde, da rafik 3%, ich aber 21% auf die monatsmiete zahlen müsste) oder ich müsse übermorgen ausreisen. Beides ist wenig erfreulich. Nach einigem überlegen und ratlos dastehen, versuchen wir eine lösung à la syrienne: wir legen einen 500er in meinen pass (ca. 8 euro) und geben den pass zur nochmaligen prüfung (diesmal dem kollegen des diensthabenden beamten, der unser gesuch zuvor abgelehnt hatte, ebenfalls mit dunkelblauer schulterklappe allerdings mit drei sternen!). Erstaunlicherweise klappt es nun. Und das schneller als beim letzten besuch, wo wir nach zwei stunden noch mal kommen mussten. Diesmal kriegen wir den pass gleich wieder mit. Ich werde in zukunft immer die sterne auf den schulterklappen betrachten und mich dann zu demjenigen durchschlagen, der die meisten davon hat.

Danach schlimm die schulter beim sport verknackst. Kann mich nur noch unter schmerzen bewegen. Ja, sport ist mord! Habe mir nun eine syrische wundercreme besorgt, die wie ihr name schon sagt, wunder bewirken soll. Ansonsten tipps von allen seiten: tigerbalsam, heiße bäder, diese oder jene creme aus dem iran oder jordanien. Nun denn, ich lasse es auf mich zukommen. Zur not werde ich eben halbinvalide. Desweiteren ist der tag durch die arbeit bestimmt. Vier stunden deutschunterricht! Aber gelehrige schüler, noch dazu höflich – wo hat man das in deutschland schon? Allerdings trinken sie zu wenig – resp. Nix! In vier stunden unterricht. Und das bei über 30 grad. Spätestens in der letzten stunde sind sie „out of coverige-area“ wie der syrische mobilfunk ständig.

Heute ist es bewölkt und etwas drückend. Bis mittags noch erträglich. Sitze im park und genieße das leben. Beobachte, wie zwei streithähne, die aufeinander losgehen wollen, von anderen zurückgehalten werden. Streit wird hier fast immer schnell deeskaliert. Alle anwesenden greifen beherzt ein und schlichten, halten zurück oder ziehen die streithähne auseinander. Es gibt wenig gaffer. Ich weiß nicht ob aus angst, in eine auseinandersetzung verwickelt zu werden und dann womöglich mit verantwortlich gemacht zu werden, oder aus desinteresse. Vielleicht ist es aber auch einfach die angenehme begleiterscheinung einer gesellschaft, in der man sich für den anderen verantwortlich fühlt. Das ist ja wirklich ein unterschied. In deutschland fühlen wir uns (höchstens und wenn unsere sozialisation erfolgreich verläuft) für das verantwortlich, was wir selbst tun. Was andere (seien es familienmitglieder, nachbarn, angehörige der sippe oder kollegen) machen, geht nicht auf unser konto. Ich glaube manchmal, dass es hier anders ist. handfest wird es ja damit, dass die frau, schwester, tochter die trägerin der famlienehre ist. damit ist ja schon ein sozusagen fremdverantwortliches element eingeführt. Ich glaube aber auch, dass es noch weiter geht, dass zum beispiel nachbarn (stichwort sozialkontrolle) darauf achten, dass „ihre“ gegend anständig bleibt, dass deine freunde ein gutes, bzw. schlechtes licht auf dich werfen, dass es wichtig ist, mit wem du dich umgibst, bzw. abgibst. Ob es dazu genauere forschungen gibt? Was hier deutlich wird ist, dass es eine modernisierung, eine zunehmende individualisierung und freiheitsrechte einzelner nicht geben wird, ohne dass die tradition zurückgedrängt wird, ohne dass die gesellschaft dann auch weiter auseinanderfällt. Die sehnsucht nach freiheiten, die hier viele berechtigterweise haben, werden sie erkaufen müssen durch den wegfall der sozialen bezugssysteme, die hier im moment (noch) halt geben. Die freiheit, mit wem auch immer zu machen was immer ich will, gibt es nicht umsonst.

Auch nicht umsonst (nämlich um dem preis meiner gesundheit) gab es heute auch den großen feldversuch: wie lange können menschen ohne sauerstoff und bei einer 100-fachen co2-belastung überleben? Die wolken und die leichte schwüle, die sich am tag noch aushalten ließen, haben im laufe des nachmttags dazu geführt, dass alle abgase, die hier sonst durch einen kräftigen wind verweht werden, in der stadt gehalten haben. Vom merje aus konnte man das four-seasons-hotel (höchstens 500 meter weit entfernt) nur noch schemenhaft erkennen, so schlecht war die luft. Ich habe noch jetzt, spät nachts, während ich dies schreibe einen schlimmen kopfschmerz und fühle mich unpässlich. Rafik und Ian haben den ganzen tag in einem schläfrigen dämmerzustand zugebracht, unfähig einer sinnvollen betätigung nachzugehen. Ein luftkurort ist damaskus ja nie, aber heute habe ich den co2-gehalt eines ganzen jahres eingeatmet. Ich hoffe, die wolken sind morgen wieder verschwunden!

Nach meinem arabischunterricht (bei dem ich immer nach einer brandquelle – innerhalb und außerhalb meiner wohnung gesucht habe, durch die ich mir die schlimme luft erklären wollte, bis ich gemerkt habe, dass die ganze stadt so stinkt) haben rafik und ich die tickets für el hasakeh gekauft. Liegestühle im bus! Allerdings mit 10 euro pro person sündhaft teuer! Für eine achtstündige fahrt aber halte ich das sonst im bus kaum aus. Morgen geht es dann also auf in den kurdischen nord-osten des landes! Danach gibt es dann wieder einen kleinen reisebericht...