Dienstag, 27. April 2010

aufdringliche gesten, eine ordre mufti und der souk der kurzen wege

Spätestens, wenn einem das erste mal die hacken abgefahren worden sind, fällt einem auf, dass man in aleppo deutlich stürmischer auto fährt, als in damaskus. Priorité au voiture scheint der aleppiner zu denken. Schließlich hat man noch was vor und nicht den ganzen tag zeit, wie in damaskus. Die stadt entfaltet – obschon deutlich kleiner als die kapitale im süden – eine hektische betriebsamkeit par excellence. Fußgänger, insbesondere wenn sie versuchen, die für die kraftfahrzeuge bestimmten fahrbahnen zu überqueren, stören da nur. Wir schaffen es dennoch (nach einer von mücken versummten nacht und einem klassischen hotelfrühstück im baron) heil den souk zu erreichen, der einer der schönsten der arabischen welt zu sein scheint. Allerdings ist hier alles durcheinander. Nicht in gewerbe geteilt (hier die goldschmiede, dort die schlachter), nein: damenmoden neben der kamelschlachterei, die mandelrösterrei gegenüber dem schreibwarenladen. Das kann praktisch sein (souk der kurzen wege, wenn man zum beispiel einen neuen dress und noch etwas kamel-innereien fürs frühstück braucht), aber auch ganz schön anstrengend (wenn man versuchen muss, bei der anprobe des neuen kleides nicht im kamelblut auszurutschen).

Die zitadelle ist prächtig und vor allem sehr groß. Wir irren in der Mittagssonne dort lange umher und brauchen daher sogleich eine erfrischung. In den cafes am fuße der zitadelle hühnert viel personal herum, dass aber so in etwa alles falsch macht was man in der branche falsch machen kann. Ich würde, anstelle der fünf unfähigen und vermutlich unterbezahlten hühner lieber einen anständigen garcon einstellen, der sein handwerk versteht und noch einen funken professioneller ehre besitzt. Nachdem man zu laut und durch aufdringliche gesten (aber leider ohne jedes lächeln) auf seinen platz bugsiert worden ist, wird eine hektische betriebsamkeit entfaltet, als ob man mit einer kompleten reisebusladung eine großbestellung kompliziertester speisen aufgegeben hätte. Dabei wollten wir nur wasser, einen tee und zwei kaffee. Das bestellte wird spät und nicht gleichzeitig gebracht. Die rechnung ist vollkommen überteuert und die kellner (wenn man sie so nennen kann), haben auf ihren mobiltelefonen ihre musik (zu laut und schlecht) laufen und nerven damit die gäste. Entnervt gehen wir nach kurzer zeit weiter.

Als wir ins christliche viertel fahren wollen, finden wir kein taxi, das uns mitnehmen will. Es scheint das gleich phänomen, wie in damaskus zu sein, dass alle zu einer bestimmten zeit schichtwechsel haben und nur in eine bestimmte richtung wollen (meist nicht diejenige, in die wir müssen). An einem laden bietet uns ein gutaussehender verkäufer mandeln an, die ich aber nicht annehme, da ich sie nicht mag. Aber ich will ein wasser kaufen. Er gibt es uns, und besteht darauf, kein geld nehmen zu wollen. Als rafik ihn fragt, in welche richtung wir zum christlichen viertel müssen (rafik fragt überhaupt immer alle – vor allem hübsche jungs – allesmögliche, ob nun nötig oder nicht. Wenn jemand nach dem weg gefragt wird, werden bei ihm gleichzeitig noch erkundigungen eingezogen, ob der ort, zu dem man gerade möchte, und zu dem man sich den weg gerade hat erklären lassen, ob der denn nun den weg lohne, schön, wichtig und richtig sei und so weiter. Jeder polizist wird gefragt, was er uns denn von der karte des restaurants nebenan empfehlen könne). Der verkäufer also springt aus seinem laden hervor, hält ein taxi an und bedeutet ihm, uns zu fahren. Das erste taxi kann sich noch rausreden, das zweite wird per ordre mufti angewiesen uns zu befördern, denn – so stellen wir gerade fest – der verkäufer ist ein mitarbeiter des geheimdienstes, der ja so geheim nicht ist, wenn er es gleich verrät. Und damit scheint er die autorität und befugnis zu haben, sich um so wichtige dinge, wie die ordnungsgemäße beförderung von touristen mit dem taxi zu kümmern.

Die rückfahrt aus aleppo gestaltet sich ganz anders, als die hinfahrt. Wir haben den modernen und schnelleren zug gewählt. Am bahnhof hält der ansager – einem conferencier gleich – mit einem schnurlosen mikrofon in der mitte der bahnhofshalle stehend eine begrüßungsrede. Mit sonorer, angenehmer stimme heißt er alle willkommen und wünsch eine gute reise. Man solle nichts vergessen und beim einsteigen in den zug vorsicht walten lassen. Da fühlt man sich doch gleich willkommen! Im zug wird uns allerdings der preis der modernität des zuges klar: das personal agiert in der kühlen professionalität der distingtion. Weder charmantes lächeln, noch ausgesuchte freundlichkeit. Dafür kopfhörer, bonbons, plastikbecher (zwei mal, allerdings nie etwas zu trinken dafür), zeitungen und permanente musikberieselung, die uns nach drei stunden zum wahnsinn treibt. Erstaunen tut mich die durchsage, dass es verboten sei zu rauchen (sehr gut!) und sich die schuhe auszuziehen (!). Was auch etwas wundert, ist die reisezeit. Wo der mittelschnelle zug fünf stunden und zehn minuten gebraucht hat, braucht der schnellere fünf stunden und dreißig minuten! Wir hätten den langsamsten nehmen sollen, vermutlich schafft der die strecke in vier stunden.

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