Dienstag, 27. April 2010

stoische erwachsene, ignorierte kinder und ununterscheidbare laute

Nach ausschlafen, frühstück und wohnung putzen (waschen und wischen) fahre ich zum merje. im microbus fällt mit wieder auf, wie artig hier die kinder sind. Vorne sitzen drei jungs, die vermutlich in die vierte klasse gehen könnten, hinten auf dem schoß der eltern noch mal zwei kinder. Fünf kinder in einem öffentlichen verkehrsmittel, das wäre bei uns die hölle. Da wäre tamtam und geschrei und die eltern würden permanent auf die kinder einreden (sieh mal da hinten, ein minarett! nein kevin, lass das! Nimm die füße vom sitz! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass... und so weiter). hier sitzen die kinder ruhig und artig da, fast wie die erwachsenen. Manchmal etwas neugierig den fahrer beobachtend und sehr ernsthaft das geld und das zurückgehende wechselgeld weitergebend (immerhin sitzen sie vorne und haben daher diese aufgabe). Ich glaube die drei jungs waren sogar allein unterwegs. Kinder sind hier so etwas alltägliches, dass ihnen keine aufmerksamkeit geschenkt wird und das scheint ihnen gut zu tun. Sie orientieren sich an den erwachsenen, die vorgeben, wo es lang geht und wie sich verhalten wird. Und die erwachsenen geben das ganz ruhig und gelassen vor, ohne laut zu werden und bleiben, selbst wenn kinder mal schreien, stoisch ruhig.

Hier wollen die kinder ganz offenbar erwachsen werden (mit den dann auch mal negativen folgen, dass man achtjährige rauchend sieht – ein tragisches missverständnis). In deutschland werden die seltenen kinder wie kleine prinzen hofiert. Es wird nach ihrer nase getanzt und sie tanzen den erwachsenen dann auf der selben herum. In deutschland erleben wir eine infantilisierung der kultur und der lebensformen. Man will solange es geht kind, zumindest jugendlich bleiben. Die vergötterung der jugend löst in den jugendlichen wohl unbewusst das gefühl aus, der nabel der welt zu sein, um den sich alles zu drehen hat und die erwachsenen machen das auch noch mit. Hier gibt es (auch weil es wenige alte und viele junge gibt) so etwas wie achtung vor dem alter (hey, werde ich etwa doch noch konservativ? Ich höre mich ja schon an, wie meine eigene großmutter). Kinder und jugendliche leben sich in dieses schema hinein und versuchen, sich so zu benehmen, wie sie es von den erwachsenen vorgelebt bekommen. Ich finde es ausgesprochen angenehm, dass man kinder, obwohl es sicher zehnmal so viele davon gibt, wie in deutschland, kaum merkt. Man müsste sie in deutschland wohl auch einfach mal ignorieren und ihr ding machen lassen. (bin mit meinen zeitkritischen darlegungen offenbar erfolgreich im 19. Jahrhundert angelangt.)

Arabisch ist heute anstrengend. Wir klären noch mal (immer wieder!) die im arabischen vorhandenen und für mich nicht unterscheidbaren laute. Vier verschiedene s-laute, von denen ich mit mühe nur zwei voneinander trennen kann und diverse a-äh-laute, die sich alle sehr gleich anhören, aber sehr genau voneinander zu unterscheiden sind, da sie eben verschieden sind und unterschiedliche bedeutungen konstruieren (wie das bei sprache eben so ist). dann noch mal kurz einkaufen, was hier ja immer erfreulich ist. dem obsthändler sage ich, dass seine billigen orangen deutlich besser schmecken, als seine teuren (ich hatte nämlich jeweils zwei kilo gekauft und sie vergleichend probiert – clever!). daraufhin schenkt er mir noch mal drei der billigeren (und besseren) orangen. Das freut einen. Ja, es muss auch einen lohn für die evaluation des obst- und gemüsefachhandels geben. Enttäuschen tut mich nur die neue apotheke (die vierte in der straße), die weder richtig weiß, was aspirin ist, noch es im angebot hat (das ist hier sonst – ähnlich wie in deutschland – ein standardmedikament). So sage ich der apotheke keine rosige zukunft voraus, denn die konkurrenz ist hart. Auf dem rückweg begrüßen mich vier herumlungernde jugendliche mit „welcome to syria!“ nach monaten in diesem viertel, immer wieder eine freude! Ich fühle mich wirklich willkommen.

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