Mittwoch, 12. Mai 2010

deutschenwahn, wurstprodukte und hohenschönhausen für reiche

Bei meinem einkauf erstehe ich ein erstaunliches wurstprodukt mit dem namen bavaria. „real german taste – real halal meat“. Eine in damaskus hergestellte pepperoni-wurst, die sich mit einer deutschland-banderole schmückt. Der „real geraman taste“ ist mir in deutschland so noch nie begegnet. Vermulich ein weiteres kapitel das da heißt: von deutschland lernen, heißt siegen lernen – mindestens in fragen der ökonomie. Wenngleich ich gestern wieder eine dieser unerfreulichen „hitler war gut, denn er war gegen israel (!)“ – diskussonen hatte. Manmanman – da muss noch aufklärungsarbeit geleistet werden. Ich weiß nicht, wo ich anfangen würde, wenn nur mein arabisch besser wäre!

Am abend treffe ich michel. Wir fahren zu einem befreundeten französischen pärchen nach dumar. Das ist eine neue hochhaussiedlung vor damaskus richtung berg. Auch „new sham“ also neu-damaskus genannt. Wie sich der araber modernität vorstellt! Links ein hochhaus, rechts ein hochhaus und zwischendrin die autonahn. Toll! Es ist mit das teuerste, was damaskus zu bieten hat und auf meine entgeisterte nachfrage wird mir bestätigt, dass es auch so teuer sei, da man hier ja alles habe, man brauche nicht mehr in die stadt zu fahren. Und man habe einen schönen ausblick (auf andere hochhäuser und eben die autobahn). Und es sei (wenn kein stau sei) ja auch gar nicht so weit in die stadt. Ich meine wir haben in den siebzigern sicher auch städteplanerischen unsinn verzapft, wenn leute eigenheime auf die grüne wiese gebaut haben. Aber das hatte mindestens den vorteil dass es noch einen garten drumrum hatte. Aber in einer hochhaussiedlung vor der stadt, das kennen wir doch in europa nur von den banlieus oder aus mümmelmannsberg und hohenschönhausen. Und hier gibt es hohenschönhausen für reiche. Alle böden aus marmor! Zwei aufzüge. Zentralheizung! Geschmackloseste einrichtung! Und zwei dicke männer, die sich durch die 980 kanäle ihrer drei satellitenschüsseln zappen. Beides etwas bizarre franzosen, die hier leben (seit zwei jahren oder so) und die von damaskus noch nix – und man kann es wirklich sagen – noch gar nix gesehen haben. Eben weil sie hier leben und so viele tv-programme haben. Sie leben in einer vollkommen anderen welt. In den sportclub konnten sie nicht gehen, weil ihnen der swimming-pool zu klein (!) war. Bei meinem gibt es nichtmal eine dusche. Im prinzip kann man solche menschen in ein hochhaus mit satellitenschüssel setzen, wo immer auf der welt es gerade steht, ihnen einen marmorboden unter dem arsch verlegen und ihnen dafür viel geld abnehmen. Wir trinken ein, zwei cola zusammen, plaudern auf englisch (so lerne ich nie arabisch!) noch mal über dies und das und dann fährt michel mich wieder nach hause. Bzw. zur ecke in der nähe. Von dort sind es noch 400 meter zu meiner wohnung.

Für diese 400 meter brauchte ich heute eine stunde. Nicht weil ich so langsam ging, sondern weil ich ständig aufgehalten wurde. Erst sprach mich ein zwanzigjähriger informatikstudent (sehr niedliche dunkle knopfaugen) an, er habe mich deutsch sprechen gehört (ja, ich hatte gerade noch kurz mit rafik telefoniert) und er liebe deutschland über alles. Sein zimmer zuhause (in das er mich inscha’allah demnächst mal mitnehmen werde) sei über und über mit deuschlandpostern beklebt und er hatte sich auch über eine sprach-cd selbst einige sätze deutsch beigebracht („können sie etwas langsamer sprechen, ich habe sie nicht verstanden“ zum beispiel). Er und seine sechs freunde (auch alle ganz entzückend) sind alles meine direkten nachbarn. Einer kannte mich aus dem sportstudio (ich erinnerte mich aber nicht an ihn). So verging die zeit im austausch von nettigkeiten, vor allem eben über deutschland (viel gut), die deutschen (alle nett und clever) und die deutsche sprache (sehr schön aber eben auch sehr schwer) und im aussprechen der ein oder anderen einladung zum tee, zum essen oder einfach nur, um sich mal zu besuchen. Als ich mich gerade von ihnen verabschiedet hatte und um die nächste ecke bog, kam faruk, mein englisch sprechender nachbar vorbei. Er langweile sich zuhause (die beengten wohnverhältnisse treiben die jungen männer auf die straßen) und er schlendere daher eben so durch die gassen. Nun, so musste ich mich auch mit ihm noch zwanzig minuten unterhalten. Der reinste englischkurs heute!

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