Dienstag, 22. Juni 2010

4-eckige tassen, luftige cafes und touristengerechte umstrukturierungs

Lese nach dem arabischkurs (ich bin heute richtig gut) in der syria forward, dass die altstadt von damaskus nun schon für den verkehr (außer anwohner und lieferanten) gesperrt ist. man habe 70 elektro-taxis (!) und mehrere elektro-bahnen (!!!) eingerichtet, mit denen man sich bequem bewegen könne. Ich muss da dann wohl doch mal wieder hin. Wenn man hier lebt, geht man ja nicht so oft in die altstadt, nur wenn besucher aus deutschand zugegen sind, um ein touristenprogramm zu absolvieren. Deprimierend ist die begründung dieser ganzen umstrukturierung: man wolle den touristen mehr raum und mehr ruhe und möglichkeiten geben, die altstadt zu entdecken, sie solle überhaupt touristisch weiter erschlossen werden und man habe den plan, sie analog zu den innenstädten europäischer länder schick, ordentlich, glatt und sauber zu gestalten. Rafik meint ganz trocken, er fände das alles scheiße, die stadt solle so bleiben wie sie ist. und ich befürchte auch, dass diese entwicklung der stadt den letzten charme nehmen wird und die einzigartigkeit, mit der sie sich bis heute von anderen (auch arabischen städten) unterscheidet. Schade, dass dieser globale umstrukturierungsdruck ganz offenbar vor nichts haltmacht.

Gehe dann mit Rafik noch das neue handy kaufen und seine nummer wieder reaktivieren. Bei syriatel ist eine warteschlange, die einem ostdeutschen arbeitsamt alle ehre machen würde. Wir haben nummer 138, es leuchtet die 26. Daher gehen wir erst das handy kaufen, dann die dazugehörige nummer wieder aktivieren. Unklare angaben gibt es dazu, inwieweit syriatel in der lage ist, die telefonbucheinträge, die auf der sim-karte gespeichert waren, wieder zu rekonstruieren. Freunde hatten berichtet, dass es für ungefähr 4 euro extra, möglich sei, dies zu tun. Ich überlege kurz, was das hieße: syriatel hätte all meine nummern und vor allem die entsprechenden dazugehörigen namen (mehr noch: meine persönlichen bemerkungen, notizen und alle zusätzlichen manchmal mit dem namen abgelegten informationen). Zum glück behauptet die freundliche angestellte, dass dies leider nicht möglich sei. Ich bin mir nicht sicher, ob mich das wirklich beruhigen soll, denn freunde haben glaubhaft berichtet, sie hätten all ihre nummern nach einem telefonverlust ohne probleme von syriatel zurückbekommen.

Gehen dann im beit zaman einen kaffee trinken. Dort hat man die ursprünglich sehr stilvollen alten tassen gegen neue designerwahre ausgetauscht. Nicht alles neue ist besser als alles alte – hier irrte brecht! Die neuen tassen sind nämlich viereckig. Und eine viereckige tasse hat es an sich, dass es schwierig ist, aus ihr zu trinken, da einem neben dem mund links und rechts auf breiter bahn der kaffee aus der tasse läuft, wenn man sie an den mund führt und zum trinken neigt. Man wünscht sich eher eine schnabeltasse. Eine viereckige tasse ist nur etwas für breitmaulfrösche und es will sich mir nicht erschließen, warum ein designer so etwas überhaupt entwickelt und warum dann ein cafehausbesitzer kein probetrinken veranstaltet, bevor er sein cafe mit diesen tassen ausstattet.

Eine andere entwicklung im gastronomischen bereich betrifft das rauchverbot. Dieses als durchschlagenden erfolg zu bezeichnen verbietet der anstand. Nach einem oder zwei tagen an denen man wirklich einen unterschied wahrnehmen konnte, muss man nun nüchtern konstatieren, dass der alte zustand wieder herbeigeführt wurde. Alle rauchen überall. Das erstaunt, wo man doch denkt, in einer diktatur sagt der diktator, was sache ist und alle müssen es machen. Aber weit gefehlt! Das einzige, was sich geändert hat ist, dass in vielen cafes (casablanca, havanna und al kamal lagen heute auf unserem weg) die glausscheiben aus dem fenstern entfernt wurden. Nicht nur am tag sondern komplett und für immer aus den rahmen! Die läden mit teils beeindruckenden fensterfronten sind nun komplett entglast. Das führt zu frischer luft im inneren aber im winter eben auch zu kälte und dazu, dass ein solcher laden im prinzip ja nie schließen kann, da er nie zu verschließen ist. ob sich damit das strenge auge des gesetzes erweichen lässt, wage ich nicht zu sagen, denn das gesetz sprach ursprünglich nicht von frischer luft durch geöffnete fenster, sondern von rauchfreien cafes dort, wo ein dach drüber ist und das wurde (noch) nicht weggerissen.

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