Sonntag, 18. Juli 2010

wüstensand, fliegender kaffee und aramäisch-sprechende christens

Es ist sehr warm und sehr stürmisch. In windeseile breitet sich in der ganzen wohnung und auf allen gegenständen dieser feine wüstensand aus. Man kann die fenster wegen der hitze aber kaum geschlossen halten, so muss man wohl oder übel täglich gegen den staub ankämpfen. Der wind tut seinen anteil dazu. Ich muss bei diesem sturm immer an das zitat aus dem almodovar-film denken, der in diesem windigen dorf spielt (volver?), in dem die hauptdarstellerin über ihre mutter sagt: „der wind hat sie verrückt gemacht“. Ich kann mir das gut vorstellen, dass wind verrückt machen kann, wenn ich das hier so erlebe. Allein schon, weil mir heute im boccelli, wo ich meinen vormittagskaffee genommen habe, der milchkaffee über tisch, tasche, macbook und kopfhörer, beine und arme (also vom winde gut verteilt) geflogen ist. Zum glück ist nicht mir das ungeschick passiert sondern dem garcon beim servieren. Die reinigung allerdings hat über eine halbe stunde in anspruch genommen und noch jetzt fnde ich kaffeespuren an orten, wo diese nicht hingehören. Das macbook allerdings scheint diese kaffee-attacke gut überlebt zu haben, denn sonst könnte ich diese zeilen jetzt nicht schreiben. Ob es die mengen an herumwehendem würstensand auf die dauer auch so gut überlebt, weiß ich nicht. Ich kann nur hoffen, dass sie das bei „designed in california“ mitbedacht haben, dass es an anderen orten heißer und sandiger sein kann. So heiß, dass der ventilator des macbooks in der tasche den ganzen tag lief, weil es sich schon durch die sonne so aufheizt, dass der aku zuhause angekommen komplett leer ist. irgendwie wohl ein belastungstest das leben hier – nicht nur für computer. Auch ich bin heute dizzie. Immerhin schaffe ich es nach dem treffen mit meinem tandempartner (heute waren die schimpfwörter unser thema – huhrensohn ist auch im arabischen eines der schlimmsten!) immerhin noch gerade in den park, wo ich erst rafik, dann ian treffe. Nach dem abendessen aber muss ich mich etwas hinlegen. Das klima? Das alter? Beides?

So verbringe ich einen großteil des tages mit rafik im park (das geht so gerade) und bei einem abendspaziergang in jeremania. Es ist schon erstaunlich, was sich hier für eine irakische infrastruktur gebildet hat. Irgendwo müssen die eine million iraker in damaskus ja sein: hier sind zumindest viele davon. Die schiiten leben ja eher in saida zeynab. In jeremania sind überwiegend die christen zuhause. Man hört neben arabisch auch aramäisch und assyrisch. Eine der beiden sprachen wurde angeblich von jesus gesprochen. Sehr modern rumlaufendes publikum. Mir fällt zum ersten mal auf, dass die balkone wirklich nur von den christen zum draußen sitzen genutzt werden, in den muslimischen teilen der stadt trocknet man höchstens seine wäsche dort; aber drauf sitzen? Wozu baut man dann riesige balkone an die häuser, als wäschetrockenraum? Naja, immerhin nehmen sie das licht für die etage darunter weg und spenden schatten für die darunter liegenden fenster. Was bei uns als nachteil wahrgenommen würde, ist hier von vorteil.

Dann besuche ich noch ein Internetcafe um etwas recherche zu betreiben. Neulich fiel bei einem besuch von ali der name hitler (glücklicherweise nicht als „hitler war toll“ sondern eher in frageform, wie das denn war/was das denn sei). Ich habe dann versucht mit händen und füßen etwas klarzumachen. Zum glück hatte ich noch den film vom nürnberger prozess auf meinem laptop, in dem es einige dokumentarische szenen aus den konzentrationslagern nach deren befreiung gibt. Ali hatte das alles noch nie gesehen. Er war schockiert und bisher ganz offensichtlich ahnungslos in dieser hinsicht. Zumindest dass hilter nicht „toll“ war, hat er glaube ich verstanden. Dennoch will ich einige weitere Informationen auf arabisch suchen. Die suche nach arabischsprachigen informationen über hitler und den holocaust aber ist eine harte sache. Erstens reichen meine arabischkenntnisse einfach noch nicht. Ich kann gerade in der google-filmsuche zurechtkommen, da ich da ja immer auch bilder sehe. Allerdings sind eben alle youtube-filme gesperrt, das schränkt die suchmöglichkeiten schon enorm ein. Zweitens kommen beim suchwort „holocaust“ ausschließich (!) flme zum sog. „gaza holocaust“ – na herzlichen glückwunsch! Bei „hitler“ kommen komödien oder – soweit ich das erkennen kann – verherrlichende filmsequenzen. Allein der russische arabischsprachige sender „russia today“ ist eine hilfe. Er hat – immer zu den jahrestagen (befreiung vom faschismus, befreiung bestimmter konzentrationslager, etc.) – nachrichtensequenzen mit historisch-dokumentarischem charakter. Fürs erste ist es das einzige, was ich finde, um es ali beim nächsten mal zu zeigen.

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