Sonntag, 18. Juli 2010

kein strom, badende shababs, missed-calls und eine win-win-situation

Gestern das dritte mal bei der ausländerbehörde um meinen aufenthalt verlängern zu lassen. Nachdem es beim letzen mal fast daran gescheitert wäre, dass der mietvertrag der wohnung in der ich beherbergt bin nicht auf meinen namen ausgestellt ist (was diesmal keinerlei problem bereitet hätte), ist nun ein neuer triftiger hinderungsgrund hinzugetreten: der vertrag lief nur bis ende juni. Zwar haben wir ihn schon um einen monat prolongiert, dies aber nicht schriftlich festgehalten. Wir wenden ohne lange zu überlegen den selben trick an, wie letztes mal: direkte bestechung. 500 lira im pass und schon bekomme ich statt der normalen zwei sogar drei monate aufenthalt (den ich gar nicht benötige, da ich ja irgendwann auch mal wieder nach deutschland zurück muss – sehr bald sogar!). Wohl eine art sonderangebot: drei für den preis von zwei monaten! Wenn man einmal begriffen hat, wie’s geht (und die hemmungen abgelegt hat dieses spiel mitzuspielen, denn am anfang kommt man sich ja schon etwas blöde vor, dem beamten einen pass mit einem geldschein drin zu überreichen), dann kann man sich mit einem solchen vorgehen prima arrangieren. Und neben dem wohl primären nachteil der fehlenden rechtssicherheit kann man aber so sehr simpel dinge kriegen, die man sonst eben nicht kriegte. Ich glaube viele ausländer in deutschland würden sich wünschen, so an eine aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Leider sind deutsche beamte aber unbestechlich und tun bekanntlich nur ihre pflcht. Und in gewisser hinsicht ist es ja der klassische fall einer win-win-situation: ich habe wenig ärger und eine aufenthaltsgenehmigung zu einem günstigen preis und der beamte hat ein kleines zusatzeinkommen ohne das er vermutlich seine familie nicht durchbringen könnte.

Am morgen mache ich erneut bekanntschaft mit problemen, die einem eine nicht vollkommen funktionstüchtige zivilisation bereitet: während ich mir die haare schneide (was ich ja immer selbst tue, damit ich mir die kratzigen haare gleich abduschen kann, obschon ich einen ausgesprochen gutaussehenden friseur zu meinem nachbarn habe) und so in etwa halb fertig bin, fällt der stom aus. Noch gerade gestern sinnierte ich vor mich hin, dass dieses jahr die stromausfälle ausgesprochen selten vorkommen und anders als letztes jahr, wo wir täglich mindestens zwei stunden keinen strom hatten, dieses jahr fast durchgehend die elektrizität fließt. Nun also gerade in diesem moment. Unpassend! Wirklich! Denn so kann ich unmöglich auf die straße gehen. Also mache ich erst andere dinge (den abwasch, das früstück – auch der zünder des gasherdes geht jetzt natürlich nicht) und warte auf den strom. Nach ungefähr eineinhalb stunden kommt er dann auch wieder und ich kann mein zuvor begonnenes werk vollenden. Wenn man einen tagesablauf hätte, in dem einzuhaltende termine auch nur eine gewisse rolle spielten, würde einem so was einen strich durch die rechnung machen. Ich habe ja zum glück als bonvivant nichts weiteres zu tun.

Um elf gehe ich mit ian ins schwimmbad der jugend „masbah al shabab“, in das man uns anstandslos einlässt. Außer uns sind allerdings überwiegend kinder dort. Aber es gibt ziemlich sauberes wasser, schattenplätze, einfache und funktionale umkleiden, duschen – comme il faut! Und ich habe mal wieder so richtiges urlaubsfeeling, denn auch wenn mein aufenthalt von außen sicher wie ein urlaub anmutet, für mich ist der aufenthalt in damaskus eher schon ein alltag und da tut wasser und sonne sehr gut! Und wasser hat man hier ja sonst wirklich nicht. Es ist ein klasse gefühl, sich im kühlen nass zu erfrischen! Dann, mit einem mäßigen sonnenbrand auf den schultern und einem sonnenstich im hirn versuche ich noch den arabischunterricht zu überdauern. Danach aber muss ich etwas schlummern – doch zuviel sonne?

Langsam merke ich, was ich schon immer unbewusst vermutete: das telefonierverhalten hier ist ein grundsätzlich anderes. Man ist sehr schnell dabei, seine nummern zu tauschen. Ich habe nach nur wenigen monaten hier so viele nummern ins handy eingespeichert, wie ich in deutschland nicht in mehreren jahren zusammen bekommen habe. nummerntausch allerorten, manchmal nur so oder weil man die nummer ja noch brauchen könnte oder um sich gegebenenfalls anrufen zu können, auch wenn man gar keinen fall wüsste, in dem man das tun sollte. Dann gibt es eine ausgeprägte kultur (oder unkultur) des missed-calls (der auch eben so genannt wird: missedcall), also des anrufens und zwei-drei mal klingeln lassens in der hoffnung, dass der andere einen (aus neugierde oder mitleid) zurückruft. Das spart dem einen telefonkosten, nervt aber auf die dauer schon, denn wenn man nicht zurückrufen möchte oder kann (aus welch widrigen gründen auch immer), wir solange gemissedcalled, bis man entnervt das telefon aus- oder zumindest leise stellen muss um seiner bisherigen betätigung weiter ungestört nachgehen zu können. Der dritte und mir zu den anderen trends im widerspruch stehende trend ist das unbeantwortet lassen von anrufen. Sehr oft sieht man, dass menschen wenn sie angerufen werden eben nicht rangehen oder (wie mein freund samer) erst nach dem dritten anruf (denn dann könnte es ja was wirklich wichtiges sein). Oftmals wird das klingelnde telefon ignoriert, obschon einen die entgegennahme des anrufes ja nichtmal etwas kosten würde, um daraufhin einen missed-call bei der einen gerade eben anrufenden person abzusetzen. Mir ist dies bisher eher ein rätsel geblieben. Nur eine idee habe ich gut nachvollziehen können: missed-calls, die mit missed-calls beantwortet werden einfach um zu zeigen, dass man an einander denkt – zumindest eine billige variante!

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