Sonntag, 18. Juli 2010

raketenartige fahrzeuge und sich auf motorhauben räkelnde frauen

Gehe mit michel auf die „drinking, dining and dancing“-Party zur vorstellung neuer coupee-modelle und anderer unnützer und zu großer wagen bei mercedes benz(!). eine kleine spontaneinladung, die ich schon aus neugierde nicht abschlagen kann. Schlimmstes volk! Das reichste und verkommenste, was damaskus zu bieten hat. Als wir (zu spät) kommen, fährt gerade ein wie eine missglückte rakete aussehendes gefährt zu pathetischer musik über einen roten teppich. Dann ein feuerwerk! Die türen öffnen (unpraktischer weise) nach oben. So ist ein dezentes und wenig aufsehen erregendes aussteigen aus diesem wagen gar nicht möglich. Aber vermutlch auch nicht vorgesehen, denn wenn man so viel geld für ein so hässliches auto ausgibt, muss man schon eine vollschacke haben und braucht den großen auftritt vermutlich um seine psychischen defizite zu kompensieren. Nicht ein normaler mensch! Der manager der syrischen mercedes-zweigstelle hält eine rede in bestem westerwelle-englisch. Offenbar sind selbst basale fremdsprachenkenntnisse keine voraussetzung, um bei mercedes manager einer internationalen zweigstelle zu werden.

In der halle, in der es die drinks gibt, räkeln sich drei (wie dolly buster aussehende) damen auf der motorhaube eines anderen weißen und viel zu groß geratenen wagens. Viele „gemachte“ gesichter bei den frauen und die „fratze des verzichts“ bei den herren. Nach der erbärmlichen rede geht es zum diner. Sehr lecker! Groß aufgetischt! Von allem nur das beste. Aber ich vermute, dass mercedes das bei den preisen für die wagen bereits miteinkalkuliert hat. Wir essen, da es so lecker ist, leider zu viel. Viel zu viel. Erstunlich die musik zum essen: härteste techno-klänge! Sehr laut, so dass man sich nur mit großer mühe unterhalten kann. Ich vermute, das bei der musikauswahl der gedanke „wir wollen nun aber mal gaaaanz modern sein“ im vordergrund gestanden hat. Ja aber beim essen soll man ja auch nicht so viel reden und mit vollem mund spricht man eh nicht! Während des gesamten procederes hühnern heerschaaren von fotografen und kameraleuten überall herum und filmen und fotografieren, was das zeig hält. Wenn auch nur ein bruchteil der gemachten aufnahmen veröffentlicht wird, muss in den nächsten tagen die gesamte medienöffentlichkeit des landes pausenlos über dieses event berichten.

Danach wird mit einer sängerin und einer kleinen band, die aufgepoppte remixe arabischer klassiker zum besten gibt, versucht, das publikum zum tanz (der teil „dancing“ aus „drinking, dining and dancing“) zu animieren. Immerhin erbarmen sich wenige paare und einige frauen etwa fünf minuten lang die hüften zu schwingen. Dann bläßt man zum großen aufbruch, denn das geld für die neuen modelle will ja auch verdient werden und vermutlich müssen fast alle morgen früh raus. Eine andere welt! Deutlicher noch als in deutschland treten hier die widersprüche hervor. Der reichtum zeigt, wo er nicht von einem sozialstaat in seine grenzen gewiesen wird, seine hässliche fratze.

Dazu hatte ich mal irgendwo etwas passendes gelesen, das ich jetzt hier nicht wiederfinde. Es ging in etwa so: der eine wird als kind von bettlern, der andere auf rosen gebettet geboren. Dass beide sich auf augenhöhe begegnen können, dafür muss der sozialstaat sorgen. Ich glaube vielleicht es war von heribert prantl, denn von dem finde ich folgendes: „Ein Sozialstaat ist ein Staat, der gesellschaftlichen Risiken, für die der einzelne nicht verantwortlich ist, nicht bei diesem ablädt. Er verteilt, weil es nicht immer Manna regnet, auch Belastungen. Aber dabei gilt, dass der, der schon belastet ist, nicht auch noch das Gros der Belastungen tragen kann. Ein Sozialstaat gibt nicht dem, der schon hat; er nimmt nicht dem, der ohnehin wenig hat. Er schafft es, dass die Menschen trotz Unterschieden in Rang, Talenten und Geldbeutel sich auf gleicher Augenhöhe begegnen können. Der Sozialstaat ist der große Ermöglicher. Er ist mehr als ein liberaler Rechtsstaat, er ist der Handausstrecker für die, die eine helfende Hand brauchen.“ (aus einem vortrag zur ökonomisierung der lebenswelt). Im prinzip ist er das ja auch in deutschland schon lange nicht mehr, aber hier fällt mir diese idee der gleichen augenhöhe immer ein, wenn ich bettler an den geschlossenen fenstern der luxuslimousinen stehen sehe. Das ist nun bei weitem nicht mehr augenhöhe...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen