Freitag, 30. April 2021

aufregende flugreisen, schwierige bakschischverteilung und regenseen

damaszener depeche 3 Die hinreise glich einer odyssee. Nachdem es zwei tage nicht geschneit hatte, begann es just in dem moment, wo ich zum flughafen fuhr, wieder zu schneien. Bei meiner ankunft am „airport“ wurde dieser geschlossen, aber kurz darauf wieder freigegeben, nur um – just als wir alle im flugzeug saßen – wieder gesperrt zu werden. Die zwei stunden wartezeit in der maschine wurde uns mit allerlei getränken versüßt (man schenkte sogar alkohol aus, offenbar in der absicht die anwesenden gäste betrunken und für ihre missliche lage weniger empfänglich zu machen). Parallel dazu reifte in mir die einsicht, dass, wenn in prag nicht noch unvorhersehbare dinge geschehen, mein anschlussflug wohl dahin sein dürfte. So kam es. Die airline bot einen damaskusflug in zwei tagen an. Pas possible! Allerdings konnte ich erreichen, dass ich mit der nächsten möglichkeit weiterbefördert werden durfte. Am nächsten morgen nach athen, von dort mit syrianair weiter nach aleppo und damaskus (wobei mir der zwischenstopp in aleppo zu dem zeitpunkt noch gar nicht bewusst war). Ich wurde mit den anderen unglücklichen kreaturen, die auch ihre anschlussflüge verpasst hatten ins flughafenrestaurant befördert, um mit fettem frittiertem huhn und mehlig-gekochten kartoffeln gefügig gemacht zu werden und dann in ein wunderbar comfortables holiday-inn hotel verbracht, wo ich die kurze nacht verbrachte. Der zweite flug nach athen klappte planmäßig. Allerdings wurde mir bei meiner ankunft klar, dass ich nicht nur sechs, sondern nunmehr acht stunden zu warten hatte, denn der flug nach damaskus sollte sich nicht unerheblich verspäten. Die wartezeit versuchte ich mich mit kaffe von macdonalds zu betäuben und zu lesen, was meine büchervorräte hergaben. Aber spätestens nach vier stunden dauernder weihnachtsliederberieselung und ständigem klimaanlagenluftbedampfe ist man so madig, dass man mich ohne gegenwehr in jedes x-beliebige fluggerät hätte setzen können, wenn denn nur eines gekommen wäre. Der flug nach damaskus schien auch was die abwicklung angeht ganz in den händen der syrer zu liegen. Und was sind schon zwei, drei oder auch vier stunden verspätung im angesicht von 10000 jahren siedungsgeschichte? Am „gate“ waren nur noch syrer, die ansagen waren nur noch auf arabisch und die direktion unserer reise wurde in gottes hand gelegt, denn es sei – so wurde nebenbei bemerkt – noch gar nicht klar, wohin man nun fliegen werde. Die verspätung wurde nämlich durch ein unwetter (regen) in aleppo verursacht, die es dem betagten und vermutlich mit veralterter bordtechnik ausgestatteten fluggerät unmöglich gemacht hatte, diese stadt anzufliegen, woraufhin wieder richtung damaskus beigedreht werden musste. Sollte es nun also die gelegenheit geben, nach aleppo zu fliegen, werde man dies inscha’allah tun, wenn nicht, fliege man gleich en direct in die syrische kapitale. Mein glück wollte es, dass dies ebenso geschah! An bord war es ganz entzückend. Die mittelalten und für europäische airlines zu beleibten stewards hatten allesamt die mitreisenden babys auf dem arm, und legten diese weder zum schließen der gepäckfächer noch für die (ausgesprochen kurzen) sicherheitshinweise ab. Da sie aber eh nur kurz einarmig die notausgänge zeigten, fiel das nicht weiter ins gewicht. Der hinweis, mobiltelefone auszuschalten kam nach dem abflug in 1000 metern höhe, denn da waren im cockpit aufgrund der interferenzen wohl die bordinstrumente ausgefallen und hektik machte sich breit. Alle sollten doch bitte sofort ihre handys ausschalten. Das taten dann einige. An den zahlreichen im landeanflug auf damaskus ankommenden mitteilungen, die zu einem dauergepiepse führten aber konnte man erkennen, dass weitaus nicht alle der dringlich vorgetragenen bitte des kapitäns nachgekommen waren. Wozu auch bordelektronik, wenn der herrgott persönlich mitreist? Das essen war lecker und die landung sanft, die angenehme abwesenheit jeglicher monitore verhinderte zum glück auch darbietungen amerikanischer actionfilme oder indischer operettenvideos. Rafik und Ali haben mich am flughafen abgeholt, wir sind in die entzückende, kleine wohnung am Merje gefahren und wenn ich nicht schon kopfschmerzen gehabt hätte, so wären sie mir beim anblick der sitzmöbel gekommen. Ein traum in grau-braun-beige, mit kunstlederapplikationen, schmucken verchromten stäbchen und antik-optik-holz. Verziert mit diamantenen glitzerknöpfen und vollkommen ungeeignet, um auf ihnen zu sitzen. Ansonsten tres confortable! Auf dem weg ins hamam fahren mit großem bohei 20 limousinen höchsten staatsbesuchs an mir vorbei. Begleitet von heerscharen polizeimotorrädern, die so wuschig fahren, dass sie sich fast ständig gegenseitig aus der spur katapultieren. Eine form von hartnäckiger unorganisiertheit, die mir dann auch im hamam begegnet. Die sieben unterbeschäftigten angestellten des etablissements haben in den mehreren hunderten jahren, die es dieses badehaus nun gibt (und dass es al-jadid, „das neue“ heißt, deutet lediglich darauf hin, dass es nach demjenigen gebaut wurde, das stolze 800 jahre alt unweit des „neuen“ liegt), haben also nun in all den jahrhunderten kein valides verfahren der bakschischverteilung gefunden. Das begehrte und forsch eingeforderte trinkgeld wird bei jedem zahlenden gast aufs neue mit lautem streit und gröbster auseinandersetzung verhandelt und verteilt, wobei jeder zu kurz zu kommen scheint, wenn man dem geschrei nach urteilt. In der nun schon seit jahren zusammenarbeitenden mannschaft verschließt ein jeder sein bakschisch in einem eigenen kästchen, um es vor diebstahl seiner kollegen (!) zu bewahren. Weniger vertrauen und weniger organisiertheit sind kaum möglich. Erstaunt und (wenn man nicht daran gewöhnt ist) enerviert, da um die eigene ruhe gebracht, beäugt man das geschehen, das sich einem immer wieder aufs neue im vorraum des badehauses bietet. Heute regen. In sekundenschnelle bilden sich auf den straßen seen, die zu umgehen eine herausforderung darstellt. die abwesenheit jeglicher siele und die unebenheit der fahrbahn führen dazu, dass sich die schlammigen seen, wenn man nicht aus versehen eh schon in sie getreten ist, im hohen bogen von den vorbeifahrenden wagen über das am straßenrand stehende publikum ergossen werden. Schon an der zweiten kreuzung bereue ich, am morgen frisch eingekleidet das haus verlassen zu haben. Zudem potenziert sich bei schlechtem weter hier der verkehr. Warum auch immer. so haben die verkehrslenkenden staatsbeamten alle hände voll zu tun. Dabei sind sie nur in den seltensten fällen herren der lage. Im prinzip bahnt sich der verkehr selbst seinen weg und die auf die straße vordrängenden fußgängermassen lassen sich durch die staatsgewalt kaum am betreten der fahrbahnen hindern. Der einsicht in die eigene wirkungslosigkeit geschuldet, bedeuten sie pfeifend den fahrzeugen stehen zu bleiben, wenn diese sich aufgrund der die fahrbahn stürmenden massen eh schon keinen zentimeter nach vorne bewegen können. Der pfiff ist hier nicht auslöser, sondern folge des sich auch ohne jeglichen eingriff von außen vollziehenden verkehrs. Verkehrslenkung sieht anders aus. Aber vermutlich würde sich dann in damaskus gar nichts mehr bewegen.

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