Freitag, 30. April 2021

Widersprüchliche Mission, schummrige Dunkelheit und paffende Raucher

Da im Pages nach der Renovierung kaum noch wirklich gemütliche Plätze zu haben sind, der Nichtraucherbereich überfüllt ist, gehe ich mit meinem Laptop gleich weiter ins nahe gelegene Internetcafé. Die Nachrichten, die man über Syrien und die Mission der Arabischen Liga liest, könnten widersprüchlicher nicht sein. Einerseits wird die von der Opposition geforderte Mission nun von dieser selbst desavouiert, sie habe angeblich das Leid nicht sehen wollen. Andererseits stellt die Mission selber fest, es sei zwar an manchen Orten etwas unordentlich (sic!), man habe aber desweiteren im „Hotspot der Aufstände“ keine weiteren Unregelmäßigkeiten feststellen können. Die absurdeste Behauptung ist, dass die Gefangenen jetzt vor dem Besuch der Arabischen Liga an andere Orte verlegt worden seien. Angeblich seien 600 Gefangene im Militär-Gefängnisse verlegt worden, zu denen die Arabische Liga keinen Zugang hat, zuvor war jedoch schon von 15.000 Gefangenen die Rede die nun offenbar nicht mehr auffindbar sind. Die Arabische Liga selbst stellt fest, dass die syrische Regierung ausgesprochen kooperativ agiert, die amerikanische Regierung droht, wenn Syrien nicht endlich kooperiere, würden weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Sobald die Arabische Liga, diese Marionette des Westens tut, was Frankreich und die USA von ihr verlangen, schreien eben diese Auftraggeber: Nicht genug! Was für ein geschmackloses Schmierentheater! Um 16:00 Uhr treffe ich Michel am Bab Touma. Wir gehen im nahe gelegenen Beit Zaman einen Kaffee trinken und plaudern ein wenig über die allgemeine Lage. Im Fernsehen laufende Katastrophenmeldungen aus dem Land. Eine Gaspipeline wurde bei Rastan in die Luft gesprengt, was die Energiekrise sicher noch beflügeln wird. An der Universität hat ein wild gewordener Anhänger der angeblichen Oppositionsbewegung um sich geschossen und mehrere Leute verletzt und einen Studenten getötet. Wenn all diese Meldungen neben einem auf dem Flachbildschirm laufen, nur unterbrochen von den regelmäßigen Klängen der syrischen Nationalhymne, ist ein beschwingtes Gespräch über dies und das und wie man sich die Haare macht kaum möglich. Immerhin klärt Michel mich über das Mysterium meines deutschen Mobiltelefons auf, indem er mir berichtet, dass Deutschland die Telefonverträge mit den syrischen Telefongesellschaften gekündigt habe, weshalb es ganz normal sei, dass ich hier keinen Netzempfang mehr habe. Nach einer knappen Stunde (wir sind noch immer die einzigen Gäste) gehen wir in der Dämmerung durch die Grade Straße. Wieder fällt der Strom aus und ich muss sagen, dass dies die schönsten und stimmungsvollsten Momente sind, wenn hier und dort romantisch der Kerzenschein aus einem Laden hervor dringt, im Großen und Ganzen der Stadtteil jedoch in schummriger Dunkelheit lieg. Im Café „Rose von Damaskus“, das Rafik fälschlicherweise beharrlich mit „Ali Pascha Café“ tituliert (obschon das Ali Pascha Café eben das Café direkt daneben ist), setzen wir uns ganz nach hinten an den heißen Ofen, auf dem die Getränke (Tee, Kräutertee und Kaffee – was braucht es für ein erfolgreiches Café mehr?) zubereitet werden. Wieder einmal fällt mir auf, dass der Smoking Ban, den die Regierung vor ungefähr zwei Jahren verhängt hat, eine wirkliche success story ist. Ich sehe niemanden, der nicht ununterbrochen vor sich hin pafft. Ich gebe Rafik Recht, der konstatiert, dass die Regierung zur Zeit nicht das Standing habe, um das Rauchverbot konsequent durchzusetzen. Bei all den Problemen im Land, würde das vermutlich noch mehr Unmut erzeugen und mir sind noch die Worte des Taxifahrers von damals im Ohr, der kurz nach dem Rauchverbot allen ernstes behauptete, die Staus seien jetzt länger und der Himmel wolkenverhangener, die Früchte jetzt saurer und die Mädchen weniger hübsch nur wegen des Rauchverbotes! Und selbst Ali behauptete damals in einer Diskussion, bis zu 10 Zigaretten am Tag seien gesundheitsförderlich. Man möchte bei einem derartigen Stand der Gesundheitsaufklärung nicht noch ein zusätzliches Schlachtfeld eröffnen. 2011

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