Freitag, 30. April 2021

Süßer Tee, späte Busse & eine wirtschaftspolitische Kamikazeaktion

Freitags ist eh alles zu. Immerhin haben wir noch ein paar Datteln gekauft (köstliche, die statt eines Kernes eine Erdnuss eingesetzt bekommen haben), dann versucht ein Frühstück zu bekommen, was uns nicht geglückt ist, da es nur Foul (ein für mich vollkommen indiskutables Gericht aus Saubohnen mit Knoblauch) gab. So sind wir dann zum Busbahnhof, in der Hoffnung dort ein Frühstück zu bekommen, und unser Bus sollte ja auch schon um 11 Uhr fahren. Dort angekommen teilt man und mit, dass (obwohl wir gestern mehrfach gefragt hatten, ob es auch am Freitag wirklich so sei, nochmals erinnerten, dass Freitag ist, etc.) am Freitag, der ja nun heute vollkommen überraschend sei, der Bus selbstredend nicht um 11, sondern erst um 14 Uhr fahre. Die Aussicht, vier Stunden an einem öden Wüstenfleck zu warten bessert meine ungefrühstückte Laune kaum auf. Aber zurück ins Dorf kommen wir gar nicht mehr, da es keine Taxis mehr gibt die dort vorrätig warten (auch eine Folge der fehlenden Touristen) und auch im Dorf sowieso alles zu ist und demnächst das Mittagsgebet losgeht. Also bekommen wir ein sagenhaft fettes Omlette und so süßen Tee, dass wir durch Fett- und Zuckerschock betäubt, die nächsten vier Stunden dahindämmern und auf den Bus warten, der dann aber tatsächlich kommt (gelobt sei der Herr!) und uns nach Damaskus bringt. Auf dem Rückweg müssen wir noch zwei Mal bei Militärsperren anhalten. Unsere ausländischen Pässe werden kurz inspiziert, ein Blick auf die Liste der Reisenden geworfen. Aber an allen Checkpoints ist die Stimmung eher relaxt, die Soldaten spielen Karten oder rauchen Wasserpfeife und langweilen sich in ihren provisorisch am Wegesrand aufgestellten Zelten, die vor der Sonne schützen sollen. Kampfbereitschaft sieht anders aus. Auch das ein Zeichen der Entspannung. Dass man immerhin selbst an einem Freitag über Land reisen kann, will ja schon was heißen hier. In Damaskus angekommen kocht Rafik und ich gehe ins Kino. Am Abend kommt Michel vorbei, wir essen, gehen dann ins Cafe und dann in den Park, wo wieder zahlreiche Militärtransporte die Straße entlangrollen. Michel erzählt von den neuesten wirtschaftspolitischen Kamikazeaktionen der Regierung. Erst wurden zum Schutz der Devisenreserven alle Importe verboten, auf die mehr als 5% Steuern erhoben werden. Darunter fallen alle Luxusgüter, also auch Autos oder Technik, die nicht in Syrien produziert wird. Die durchaus nachvollziehbare Begründung: es gebe genügend Wagen auf syrischen Straßen – ist sehr richtig. Alle lebenswichtigen Güter sind eh steuerlich begünstigt und Lebensmittel müssen wohl kaum (mit Ausnahme des Zuckers aus Kuba) importiert werden. Allerdings haben dann insbesondere die großen Autoimportfirmen interveniert, denn deren Geschäft wäre ja von einem auf den anderen Tag qua Ordre Mufti dahin. Da all diese großen Firmen ausländische Konten mit Devisenreserven haben, wurde sich nun dahingehend geeinigt, dass weiter importiert werden kann, wenn die Firmen sich die für die Importe nötigen Devisen selbst besorgen (bisher hat der Staat das gemacht). So laufen erstens die Geschäfte weiter und zweitens werden die Devisen der oftmals sehr reichen Kaufleute genutzt, nicht die Reserven des Staates. Im Prinzip eine schlaue Regelung. Innerhalb einer Woche ein einmaliges hin und her. Wirtschaftspolitische Kontinuität und Verlässlichkeit, die ein Klima für Investitionen schafft, sieht vermutlich aber anders aus. 2011

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