Montag, 8. März 2010

zweitakterabgase, sozialistische tankstellen und die regeln des busfahrens

Der brief, von dem ich irriger weise annahm, er würde seinen empfänger immer erreichen, ist noch nicht bei mir angekommen. Rafik und ich haben schon überall gefragt, aber es scheint kein organisiertes prinzip der briefhinterlegung (in einem laden oder so) zu geben. Auch beim stasi-bürgermeister-amt an der ecke wusste man nichts von einem brief (erstaunlich! Dabei hätten die ihn doch sicher zuerst lesen müssen!). so kann ich nur hoffen, dass es sich nicht um eine geldsendung oder einen wichtigen wert- oder liebesbrief handelt.

Gestern um halb zwei treffe ich mich mit baschar, den ich neulich auf der party kennengelernt habe und wir fahren zusammen zu seiner arbeit nach sehnaya, außerhalb von damaskus, wo er als pferdewirt arbeitet auf eine pferdefarm. Das ist ein schöner ausflug aufs land, die luft ist sauber, überall olivenhaine und sonne! Mehrere pferde, ich hätte reiten können, habe aber mit rücksicht auf meine gebeine dankend abgelehnt. Auf dem rückweg im mikro überholt uns ein zweitakter. Die sonne scheint, der geruch von zweitakterabgasen lässt die erinnerung an die alte ddr und damit die illusion von sozialismus in mir aufkommen. Ich schließe die augen und als ich sie wieder öffne, sehe ich eine tankstelle, die einen sozialistischen wettbewerb gewonnen hat. Der preis wurde für die größtmögliche menge verbauten betons gegeben. Bei so einer imposanten architektur fällt einem die 500 meter lange schlange an autos, die zum tanken anstehen gar nicht mehr auf. Nicht elektrifizierung+sowjetmacht=sozialismus, wie lenin dachte, sondern sonne+zweitakterabgase=sozialismus. Als der mikrobus hält, steige ich direkt vor dem gelände der „arabischen sozialistischen baath-partei“ aus.

Bei meiner heutigen fahrt im microbus (so kleine 12-sitzige busse in vw-bus-größe, die überall hin fahren) ist mir aufgefallen, dass es ein ausgeklügeltes system des gegenseitig platz-machens gibt. Neben den selbstverständlichkeiten, dass junge leute im vollen bus den unbequemen platz auf dem ersatzrad nehmen, wenn jemand älteres einsteigt, machen männer sofort platz, wenn eine zusteigende frau sich neben einen mann setzen müsste (weil z.b. nur noch zwei einzelne plätze neben männern frei sind) und räumen die bank auf der sie sitzen und setzen sich selbst auf den platz neben dem anderen mann, damit die frau alleine auf einer bank sitzen kann. Wenn paare zusteigen werden auch manchmal durch umsetzen anderer fahrgäste zwei plätze nebeneinander freigemacht. Insgesamt ist das verhalten ausgesprochen rücksichtsvoll, zum beispiel gibt es kaum leute, die sich laut unterhalten, um niemanden anderes zu stören. Das geld, das nach vorne durchgegeben wird, muss allerdings, wenn möglich einem anderen mann gegeben werden, wenn das nicht geht, weil vorne nur frauen sitzen, dann gibt man die geldstücke mit spitzen fingern, so dass sich die hände bei der übergabe nicht berühren müssen. Je weiter man dem christlichen viertel kommt, desto weniger gelten all diese regeln. Bis auf das freundliche platzmachen, das bleibt gleich.

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