Montag, 8. März 2010

der erste tag in damaskus

isam almatlub, in deutschland geboren und aufgewachsen, lebt und arbeitet ein halbes jahr lang in damaskus um die sprache seiner eltern zu lernen. er schreibt über den alltag in der syrischen metropole.

Im flug nach istanbul sitze ich neben einem 16-jährigen jungen aus pinneberg, dessen mutter türkin und dessen vater deutscher ist. Ein sehr netter und ausgesprochen kommunikativer junge, mit dem ich mich während des ganzen fluges gut unterhalte. Über schule (er geht aufs gymnasium), musik, die türkei, das was er und was ich so mache. Schlimm: ich werde gesiezt. Damit muss ich mich wohl langsam abfinden. Sein vater ist pilot und er hat – im gegensatz zu mir – gar keine flugangst.

Der flug nach damaskus geht mit über einer stunde verspätung (was selbstredend nicht angekündigt wird, weil man dann die zeit angenehmer verbringen könnte, als im flugzeug rumzusitzen). Neben mir das kontrastprogramm zum ersten flug: eine kopftuchtragende mittelschichtsangehörige mit vier (!) handys in der handtasche, an denen sie noch beim startvorgang herumdattelt (es sieht so aus, als schriebe sie – wem auch immer – eine sms, dass sie jetzt startet...). ich weiß nicht, warum auslandssyrer – im gegensatz zu im lande gebliebenen oft so unsympatisch scheinen. Der flug schraubt sich wie immer in atemberaubenden drehungen runter und ich bin froh, heil gelandet zu sein.

Der flughafen in damaskus wurde renoviert. Es wurden viele unterschiedliche knallige farben vermalt und die einen schalter von links nach rechts, die anderen von rechts nach links gebaut. Alles sieht moderner aus, aber schneller geht es nicht. Eine geschlagene stunde später kann ich meinen alten freund rafik begrüßen, wir fahren mit mahmut, einem taxifahrer, der aber heute kein taxi, sondern das auto eines freundes geliehen hat, in die wohnung. Die autobahn zum flughafen – sowieso nie wirklich voll – wird gerade vierspurig ausgebaut. In jede richtung! Für die drei taxis etwas übertrieben aber vermutlich bestandteil des syrischen investitionspakets zur wirtschaftskrise. Und wenn man sonst keine probleme zu lösen hat... Der muhezzin ruft zum morgengebet – um 4 uhr! Dabei wird es wirklich noch gar nicht richtig hell. Nicht mal dämmerung – die kommt erst gegen halb sechs.

Die von Rafik neu angemietete wohnung ist wunderbar. Wenn man all die plastikblumengirlanden und -sträuße in einen schrank geräumt, das ein oder andere möbel verrückt oder hinzugekauft hat, ist sie eine der schönsten wohnungen die ich hier je hatte. Sie ist absolut ruhig (in dieser stadt schon ein wunder!), hat zu drei seiten fenster, ist lichtdurchflutet, aber da am berg gelegen, immer auch windig und nicht zu heiß (abends und nachts angenehme dreißig grad). Man guckt richtung berg, bebaut bis unter die kante, aber eben ein buntes lichtermeer.

Der strom wird in den unterschiedlichen stadtvierteln immer zu bestimmten zeiten unterbrochen, wenn er nicht außerplanmäßig auch mal ausfällt. Bei uns immer zwischen 16 und 18 uhr. Wir haben zwar hier immer wasser (weil die wohnung in der nähe des berges liegt, von dem angeblich das wasser kommt und die leitung hier noch voll ist – am anderen ende der stadt gibt es wasser nur nachts zwischen 12 und morgends 5 uhr), aber eben nicht immer strom. Wie wichtig der ist, merkt man immer erst wenn man ihn nicht hat. Die boxen für die musik aus dem computer brauchen ihn, die elektrische zündung des gasherdes braucht ihn und kühlschrank, ventilator und das aus deutschland mitgebrachte telefon mit anrufbeantworter braucht auch strom. Daher steht neben dem neuen telefon jetzt auch noch das alte, das mit dem strom aus der telefonleitung auskommt und also auch zwischen 4 und 6 funktioniert – muss ich halt umstöpseln wenn ich mal anrufen muss.

Das mit der stromversorgung ist übrigens schlimmer geworden. Das liegt an den zahlreichen klimaanlagen, die es früher so wohl nicht gab. Und so kommt mit der modernität ein weiteres element der beirutisierung in damaskus an: die generatoren. Was haben wir noch vor jahren gelacht, dass die libanesen zwar in jeder hand ein handy hatten aber es nicht schafften, eine zentrale stromversorgung sicherzustellen und alle ihre eigenen knatternden generatoren vor der tür hatten. Nun also auch hier! Im geschäftsviertel neben dem souk hamidiyye knatterten heute die ganze zeit die generatoren. Wenn man nicht acht gibt, wohin man tritt, rutscht man auf pfützen von diesel aus. Und der gestank! Bienvenue in der postmoderne!

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