Montag, 8. März 2010

unbezahlbare rechnungen, presslufthammer und neue medien

Am abend auf dem merje bei einem kräutertee erzählt rafik mir die nächste episode aus der nun schon monate währenden serie „wir zahlen unsere rechnungen“. (was bisher geschah: wir haben immer noch nicht bezahlt!) rafik war also heute wieder in einem büro der syrischen telekom. Bei den ersten besuchen war der computer kaputt, dann mussten belege für die existenz des anschlusses gebracht werden, der nicht ordnungsgemäß gelistet schien, dann wurde er vertröstet, man würde sich melden, was nicht geschah. Dann hat er nachgefragt und man hatte ihm die auskunft gegeben, dass wundersamerweise der computer nicht hergibt, dass wir auch nur etwas (nicht mal die grundgebühr) zahlen müssen. Man wisse auch nicht warum, aber wenn der computer das so sagt, scheint es so zu sein. Er solle später wiederkommen. Nun ist er wieder hin, und: der computer war schon wieder kaputt gegangen. Beim wasser ähnliches: auch dort hat man uns zwar inzwischen gefunden, die rechnung zeigt aber 0.- syrische lira. Das ist komisch, denn wir haben ja was verbraucht, aber wenn der computer das so sagt, wird es schon stimmen. Man muss mal ehrlich sagen: nicht sonderlich geschäftstüchtig diese syrer. So kann das unternehmen (welches auch immer – vermutlich arbeitet ja jedes unternehmen im land so) nicht gewinnbringend laufen!

heute morgen weckt mich der presslufthammer. Die bauarbeiter haben die vierte und bislang letzte etage des hauses, das sie die letzten monate gebaut haben, angefangen abzureißen. Mit dem presslufthammer hauen sie die oberste stahlbetonwand weg und ich sehe, dass es anscheinend leichter ist, eine mauer zu bauen als sie wieder einzureißen (was für eine schöne symbolik). Ich frage mich nur, warum sie das tun. Entweder haben sie aus versehen zu hoch gebaut und das denkmalschutzamt bemängelt den nun verbauten blick auf die moschee (unwahrscheinlich), oder es handelt sich um eine arbeitsbeschaffungsmaßnahme des syrischen arbeitsministeriums (noch unwahrscheinlicher). Oder die bauherren haben sich schlicht überlegt, dass sie dort ein großzügiges loft und keine normale wohnung mit zimmern wollen? Wenn diese arbeiten anhalten, habe ich demnächst wieder einen freien blick.

ich hatte mich doch neulich pejorativ über die „qualität“ arabischer musikvideos geäußert und nun heute bei der frühstückslektüre einen entscheidenden erklärungsversuche diesbezüglich gelesen (bei rafik schalmi): dieser schreibt, dass das im islam wirkende bilderverbot dazu geführt habe, dass in diesen ländern die bildene kunst (und wenn man ganz großzügig ist, gehören videos ja vielleicht irgendwie dazu, zumindest sind videos ja bewegte bilder) nicht weit entwickelt sei, sich stattdessen die kunst des wortes (erzählen und zuhören können) ausgebildet habe. Schami schreibt weiter, dass daher die in den neuen medien vorherrschende Visualisierung verheerendere wirkungen auf die arabische kultur habe, als auf die europäische, da das, was hier weit entwickelt war nun verkümmere. Die sprache sei nämlich hier sehr viel reicher, was er auch an den zahlreichen synonymen festmacht. Diesen Synonymreichtum merke ich auch beim versuch arabisch zu lernen. Wenn ich denke, ich kann mal ein wort, gibt es für die gleiche sache noch mindestens vier weitere begriffe, die auch – und das kann ein unterschied sein – verwendung im alltag finden.

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